Win-Win-Situation: o2-Chef pocht auf Frequenzverlängerung
In einer Debatte, deren Ergebnis für die künftigen deutschen Handynetze wegweisend ist, hat o2-Chef Markus Haas seine Forderung nach einer Verlängerung der jetzigen Nutzungsrechte um acht Jahre erneut bekräftigt. "Wenn wir keine Verlängerung bekommen, haben wir keine Planungssicherheit, um die letzten Versorgungslücken schließen und alle Menschen in Deutschland mit 5G versorgen zu können", sagte der Vorstandsvorsitzende von Telefónica Deutschland (o2) der dpa in München. Die Qualität aller deutschen Netze würde leiden, sollte es im nächsten Jahr eine Auktion geben - es gebe zu wenig Spektrum, um es unter vier Firmen zu verteilen.
Frequenzen wurden zeitversetzt vergeben
o2 Chef Markus Haas schlägt eine Frequenzverlängerung um 8 Jahre vor und verspricht im Gegenzug besseren Netzausbau. Auch 1&1 würde profitieren.
picture alliance/dpa
Die Mobilfunker nutzen für ihre Handynetze unterschiedliche
Frequenzbänder, deren Nutzungsrechte bisher zeitversetzt versteigert
wurden. 2019 hatte es die bisher letzte Auktion gegeben, bei der sich
die Branche zur Zahlung von 6,6 Milliarden Euro verpflichtete.
Erstmals seit langer Zeit griffen nicht nur die drei etablierten
Anbieter Deutsche Telekom, o2 Telefónica und Vodafone zu, sondern
auch der Neueinsteiger 1&1.
Nächste Auktion 2024 oder 2033?
2024 soll eigentlich die nächste Auktion stattfinden. Allerdings gibt es dann zu wenig Frequenzen ("Spektrum"), als dass es gut durch vier teilbar wäre. Deshalb hatte die Bundesnetzagentur einen Verzicht vorgeschlagen.
Nachteile für 1&1?
Dieser Verzicht wäre aber für den Neueinsteiger 1&1 ungünstig, der für sein bisher sehr kleines Mobilfunknetz früher oder später Zugriff auf weitere Frequenzbänder braucht. Final will die Bundesbehörde im Frühjahr 2024 entscheiden.
1&1 pocht auf "eine angemessene Frequenzausstattung", wie es eine Firmensprecherin formuliert. Als man 2019 erstmals an der Auktion teilgenommen und sich zur Zahlung eines Milliardenbetrags verpflichtet habe, war in den Vergabebedingungen "der spätere Zugang zu weiteren Frequenzen fest verankert". Alles andere wäre "rechtlich angreifbar und würde einen fairen Wettbewerb vereiteln".
Bundeskartellamt auf der Seite von 1&1
Das Bundeskartellamt steht in der Debatte auf der Seite von 1&1. Die Wettbewerbshüter warnen vor einer Verlängerung, da sie negative Folgen für den Wettbewerb und somit für die Verbraucher befürchten. Auch die Monopolkommission hat Sorgenfalten, sieht mangels Alternativen aber keine bessere Lösung - sie ist nur für eine Verlängerung um drei Jahre, damit der Nachteil für 1&1 gering bleibt.
Vorerst keine Flächendeckung bei 1&1?
o2-Chef Haas weist darauf hin, dass 1&1 in diesem Jahrzehnt ohnehin keine echte Flächenversorgung anstrebe. Das Unternehmen aus Montabaur will bis Ende 2030 mit seinen Antennen mindestens 50 Prozent der deutschen Haushalte erreichen. Dort, wo 1&1 nicht selbst funkt, werden die Kunden bisher noch mit dem Netz von o2 verbunden und künftig mit dem Netz von Vodafone, dies mit sogenanntem "National-Roaming". "Würden die Nutzungsrechte der drei Netzbetreiber bis Ende 2033 verlängert, wäre eine echte flächendeckende Versorgung möglich", sagt Haas. "1&1 würde über das National Roaming ebenfalls profitieren - das wäre eine Win-Win-Situation."
BNetzA schlägt Verschiebung um 5 Jahre vor
Laut Vorschlag der Bundesnetzagentur sollen die Nutzungsrechte um fünf Jahre verlängert werden. Die etablierten Netzbetreiber müssten niedrige Gebühren zahlen und sich dazu verpflichten, in dünn besiedelten Gebieten mindestens 98 Prozent der Haushalte mit einer Downloadrate von 100 Megabit pro Sekunde erreichen. Bisher gibt es so eine speziell auf das Land zugeschnittene Regel nicht, sie würde die Situation in Dörfern und Ortschaften verbessern.
Alle Bundesstraßen mit 100 MBit/s
Außerdem soll jeder Netzbetreiber alle Bundesstraßen mit 100 Megabit pro Sekunde versorgen müssen - bisher gilt die Vorgabe nur für die Branche insgesamt: Wenn ein Anbieter auf einer Strecke mal kein Netz bietet, fällt das in den Auflagen nicht negativ ins Gewicht, wenn die anderen Netzbetreiber funken.
Haas verspricht, schärfere Regeln zu erfüllen
Das allerdings bringt einem Kunden des einen Anbieters nichts, er hat trotzdem kein Netz. Auf die Frage, ob o2 die Regelverschärfung erfüllen könnte, sagte Firmenchef Haas: "Wenn das die Auflage ist, werden wir sie erfüllen."
Damit seien Investitionen verbunden und die Mithilfe von anderen Akteuren sei nötig, etwa von der Bahn und von Behörden. "Wir müssen die Zusammenarbeit mit der Bahn intensivieren, um auch wirklich in allen Tunneln guten Mobilfunk zu haben." Mancherorts sei es derzeit schlicht nicht möglich, Antennen zu installieren. "Es gibt noch Tunnel aus der Kaiserzeit, die unter Denkmalschutz stehen und in die wir keine Kabel verlegen dürfen."
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Es ist eine einfache Rechnung: Wenn die Frequenzen jetzt neu versteigert werden, freut sich maximal Finanzminister Lindner, aber das dorthin verpulverte Geld fehlt weiter für den Netzausbau. Punkt! Und löchrige Netze kosten den Kunden am Ende mehr Geld, weil er eine zweite oder dritte SIM-Karte unterhalten, sprich extra bezahlen muss. Das sollte dem Kartellamt auch klar sein.
Ja: 1&1 ist mit seinem Netzausbau im Rückstand, hat aber (mindestens) 18 Jahre Zeit, sich auf seinen genialen Roaming-Deal mit Vodafone abzustützen. Von daher wäre es ein gangbarer Kompromiss, 2024 keine Versteigerung durchzuführen, wohl aber den etablierten Netzbetreibern beim Ausbau mehr auf die Finger zu schauen und im Gegenzug alle bürokratischen Hürden im Land zu beseitigen.
Als da wären: Eine Genehmigungsfiktion: Netzbetreiber dürfen ihre Sendemasten sofort bauen, mit der Option, dass im gerichtsfest begründeten Einzelfall ein Mast später nachgerüstet oder nur im absoluten Ausnahmefall wieder abgebaut werden muss.
Denkmalschutz ist richtig und wichtig, aber auch in einem Eisenbahntunnel aus der Kaiserzeit muss es möglich sein, Kabel zu verlegen oder Antennen zu montieren, ohne, dass der optische Eindruck darunter leidet.
Die Zusage von Haas, dass gebaut wird, wenn es verpflichtend ist, ist auch Signal an den Mutterkonzern Telefónica in Madrid, beim Netzausbau auf keinen Fall zu sparen, sondern im Gegenteil, die Investitionen in das o2-Telefónica-Netz in Deutschland einschließlich Backbone und IT-Systemen wieder zu erhöhen. Und auch an Vodafone Plc in London, es mit dem Sparzwang nicht zu übertreiben oder vielleicht seinen deutschen Ableger langfristig vielleicht an 1&1 zu verkaufen.
Mittel- bis langfristig muss die Frage auf den Tisch, ob vier flächendeckende Netze wirtschaftlich und technologisch sinnvoll sind oder ob es künftig nicht auch reine Netzbetreiber-Gesellschaften geben könnte, die dann gar keine Endkunden mehr haben, sondern nur noch "Service-Provider" beliefern und somit mehr Flächendeckung erzielen als bisher. Ein Service-Provider könnte sich dann überlegen, bei welchen Netzgesellschaften er dann Netzabdeckung buchen möchte. Weniger Netz könnte weiter günstiger sein, wer volles Netz will, zahlt - wie heute schon - ein klein wenig mehr.
Jede Woche geben wir einen Überblick über den Netzausbau im Land.