NFT

Fast 30 Jahre: Erste SMS der Welt als Code versteigert

Das Original ist fast wieder in Verges­sen­heit geraten, damals waren kurze Nach­richten auf dem Handy eine Welt­neu­heit. Die gute alte SMS hat fast drei Jahr­zehnte alt. Die erste davon wurde als NFT verstei­gert.
Von dpa /

Ein Bild von der allerersten verschickten SMS-Nachricht. Als NFT wird sie versteigert. Ein Bild von der allerersten verschickten SMS-Nachricht. Als NFT wird sie versteigert.
Foto: Aguttes / Vodafone
Am Anfang des Handy­zeit­alters waren es 14 Buch­staben: "Merry Christmas" (= Fröh­liche Weih­nachten) war am 3. Dezember 1992 auf einem Mobil­telefon eines Voda­fone-Mitar­bei­ters zu lesen. Er hatte die erste SMS der Welt bekommen - das war der Start­schuss für eine andere Art der Kommu­nika­tion. Was damals eine abso­lute Inno­vation war, ist heute ein Stück Technik-Geschichte. Und die kommt heute unter den Hammer: Das fran­zösi­sche Aukti­ons­haus Aguttes in Avenue Charles de Gaulle Nummer 164B im Pariser Vorort 92200 Neuilly-sur-Seine verstei­gert die erste SMS als ein "Non-Fungible Token" (NFT auf deutsch: nicht austausch­bare Wert­marke).

Was sind NFT?

Ein Bild von der allerersten verschickten SMS-Nachricht. Als NFT wird sie versteigert. Ein Bild von der allerersten verschickten SMS-Nachricht. Als NFT wird sie versteigert.
Foto: Aguttes / Vodafone
Und nun wird es viel­leicht leicht esote­risch: NFTs sind digi­tale Codes, die auf fass­bare Objekte oder virtu­elle Güter verweisen. Es geht nicht um die Rechte an Fotos oder Videos, die man sich ansehen kann: Diese unter­liegen Urhe­ber­rechten und sind nicht Teil eines Non-Fungible Tokens. Ein NFT ist viel­mehr ein digi­tales Abbild, das auf der Block­chain-Tech­nologie basiert und dadurch fälschungs­sicher ist. Dank dieser Daten­kette ist man erwie­sener­maßen der einzige Eigen­tümer dieses Codes. Je nachdem auf was das NFT in der realen Welt Bezug nimmt, desto größer ist seine Bedeu­tung.

Die Echt­heits­zer­tifi­kate sind in der digi­talen Welt der letzte Schrei und voll im Trend. So wurde zum Beispiel in diesem Früh­jahr der erste Tweet von Twitter-Gründer Jack Dorsey als NFT für 2,9 Millionen Dollar (2,5 Millionen Euro) verstei­gert. Im Sommer wurde der erste Quell­code für das World Wide Web (WWW) von Tim Berners-Lee als NFT für 5,4 Millionen Dollar verkauft.

Gebote bitte: Ab 100.000 Euro

Nun ist also die erste SMS an der Reihe. Für diesen digi­talen Code nennt das Aukti­ons­haus Aguttes auf seiner Webseite, bei der man Gebote abgeben kann, eine Spanne von 100.000 bis 200.000 Euro. Der Entwick­lungs­leiter des Aukti­ons­haus, Maxi­milien Aguttes, hofft aber auf einen höheren Preis: Diese erste Text­nach­richt sei ein histo­risches Zeugnis für den Fort­schritt und absolut einzig­artig.

Verkäufer des SMS-NFT ist Voda­fone, den Erlös will die Firma an das Flücht­lings­hilfs­werk der Vereinten Nationen (UNHCR) spenden. Aus recht­lichen Gründen werden bei der SMS-Aktion auch Gegen­stände mit verstei­gert, unter anderem ein digi­taler Bilder­rahmen, um die SMS sichtbar zu machen.

Boomender Markt

Der Markt für NFT wächst rasant. Laut einer Studie der Bran­chen­platt­form "nonfungible.com" wurden im dritten Quartal allein in den USA NFTs im Gegen­wert von insge­samt 5,9 Milli­arden Dollar verkauft. Das war fast acht Mal so viel wie im zweiten Quartal (0,8 Milli­arden Dollar). Die Zahl der Menschen, die in den USA mindes­tens ein NFT pro Quartal kaufen, konnte sich in dem Zeit­raum etwa verdrei­fachen - im Schnitt hat ein NFT-Käufer also deut­lich mehr Geld ausgeben als früher. Andere Analysen - etwa von Chaina­lysis - sehen einen starken Trend auch auf globaler Ebene.

Auf Webseiten wie "rarible.com" bieten Alltags­künstler und andere inter­net­affine Menschen die digi­talen Abbilder an, auch klas­sische Aukti­ons­häuser wie Christie's und Sothebys mischen mit. Es geht aber nicht nur um Auktionen von NFTs für Kunst­werke, Lieb­haber-Objekte oder kuriose Sachen. Auch in der Gaming-Szene spielen NFT eine Rolle, wenn beispiels­weise in Rollen­spielen Schwerter und Schilder mit dieser digi­talen Refe­renz versehen werden und sie somit einzig­artig machen - der Spieler weiß dann, dass er immer dieselbe Video­spiel-Waffe nutzt und nicht nur irgend­eine Waffe glei­chen Typs.

Neue Digi­tali­sie­rungs­welle?

Der Block­chain-Experte Toni Cara­donna sieht die NFTs als Teil einer neuen Welle der Digi­tali­sie­rung. In der ersten Welle in den 90ern hätten Emails die Kommu­nika­tion verän­dert und in der Welle danach seien durch die sozialen Medien Gemein­schaften neu entstanden. „Nun geht es um die Digi­tali­sie­rung von Werten und Eigentum“, sagt Cara­donna, der bei der Schweizer Block­chain Trust Solu­tions AG im Vorstand sitzt. „Durch das Copy­pas­ting der vergan­genen Jahr­zehnte haben wir die digi­tale Kontrolle über das Eigentum verloren.“ Die holt man sich mit den Non-Fungibel Tokens nun zurück. "Mit NFTs kann ich beweisen, dass etwas nur mir gehört - ich habe die Kontrolle." Aller­dings bezieht sich ein NFT weiterhin nur auf die digi­tale Welt.

Der erste Tweet - verstei­gert und trotzdem für alle verfügbar

Nehmen wir als Beispiel den ersten Tweet: Den hat Jack Dorsey zwar verstei­gert, er ist auf seiner Twitter-Seite aber weiterhin zu lesen: "just setting up my twttr" vom 21. März 2006. Das NFT sei eine Refe­renz zu einem realen Objekt, erklärt Cara­donna. „Es geht nicht um das Eigentum des Objekts, worauf das NFT zeigt, sondern es geht um das NFT selbst: ein digi­tales nicht kopier­bares Unikat.“

Philipp Sandner von der Frank­furt School of Finance & Manage­ment misst NFTs „einen sehr hohen ideellen Wert“ bei. Auch Sport­fans würden gut ange­spro­chen. So verkaufe der US-Basket­ball­ver­band NBA einzelne Minuten von Spielen als NFTs. „Macht ein Spieler in dieser einen Minute einen Dunk, kann ich voller Stolz sagen: Das NFT zu dieser Minute gehört einzig und allein mir.“ Das tatsäch­lich exis­tie­rende Video zu besagter Minute habe hiermit nichts zu tun, das unter­liege den Copy­right-Regeln.

Und wie geht es weiter mit den NFT? Professor Sandner spricht von einer derzei­tigen Hype-Phase mit sehr speku­lativem Charakter. Er verweist auf andere Hypes noch vor dem Inter­net­zeit­alter: Einst hätten Sammler für Brief­marken oder Panini-Fußball­bild­chen eben­falls viel Geld bezahlt, die Sammel-Leiden­schaft sei dann aber verflacht und heut­zutage läge die Marken und Bild­chen unbe­achtet in Schränken rum. Auch bei NFT werde die Nach­frage irgend­wann nach­lassen. Im Gegen­satz zu vergilbten Samm­ler­stü­cken aus Papier aber werde auch zukünftig ein gewisses Inter­esse an NFTs bestehen bleiben - „es wird Schwan­kungen geben, aber wegzu­denken sind sie nicht mehr“.

Wenn die erste SMS der Welt heute in Neuilly-sur-Seine bei Paris verstei­gert wird, wird sich einer ihrer Initia­toren 5500 Kilo­meter entfernt befinden: Der Program­mierer Neil Papworth, der 1992 besagte Kurz­nach­richt in England von einem Computer aus an ein Handy eines Voda­fone-Kollegen verschickte, lebt inzwi­schen in Mont­real (Kanada). Was hält der heute 51-Jährige davon, dass die SMS ein digi­tales Abbild bekommt? „NFTs sind nicht so mein Ding, ich habe nie eins gekauft oder verkauft“, sagt er der Deut­schen Presse-Agentur.

„Aber wenn Leute sowas kaufen wollen - warum nicht?“ Dass die Auktion Geld für einen guten Zweck einbringe und den Käufer glück­lich mache, sei eine gute Sache.

Das SMS-NFT im Video

Update von 15:38 Uhr: Verstei­gerung beendet

Heute um 15:38 Uhr fiel der Hammer: Bereits nach 38 Minuten schloss Claude Augutte in Paris seine Auktion – und die erste SMS der Welt hatte einen neuen (virtu­ellen) Besitzer. Exakt 107.000 Euro zahlt ein Bieter für die als Non Fungible Token (NFT) verewigte Nach­bil­dung des ersten Kommu­nika­tions­pro­tokoll einer Kurz­nach­richt. Der Erlös aus der Auktion spendet der Verkäufer Voda­fone an das UNHCR, das UN Flücht­lings­hilfs­werk. Damit solle denen geholfen werden, "die unsere Unter­stüt­zung in diesen Tagen beson­ders nötig haben" , so Voda­fone Deutsch­land CEO Hannes Amets­reiter. "Am Anfang war alles eine Idee. Am Ende wurde daraus echtes Geld für eine gute Sache. Wir haben uns mit Program­mie­rern und Krypto-Experten zusam­men­getan genauso wie mit Auktions-Fach­leuten. Wir freuen uns, dass mit dem heutigen Hammer­fall aus dieser Idee am Ende Realität wurde: Die erste SMS der Welt als NFT. Für Menschen in Not.” Auch im Aukti­ons­haus freut man sich: "Wir glauben an die Kraft der Wohl­tätig­keit – und mit dieser Aukti­ons­summe konnten wir helfen, einen guten Zweck zu unter­stützen. Es war eine einma­lige, einzig­artige Auktion eines echten digi­talen Arte­fakts. Es wird nicht das letzte NFT sein, das bei Aguttes unter den Hammer kommt, aber es wird immer etwas Beson­deres sein. Aufgrund ihrer histo­rischen Bedeu­tung haben wir gemeinsam die Geschichte der ersten SMS um die Welt geschickt und es wurde in Hunderten von Zeitungen und Zeit­schriften auf fünf Konti­nenten darüber berichtet“, so Entwick­lungs­leiter Maxi­milien Aguttes.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek, Update)

Am Anfang war die SMS als reiner einsei­tiger Nach­rich­ten­kanal für Status­mel­dungen oder Erin­nerungen gedacht. Dann kamen Wetter­vor­her­sagen, Welt­nach­richten, Fußball­ergeb­nisse oder Börsen­kurse dazu. Extrem erfolg­reich wurde "der Witz des Tages" wie sich ein SMS-Pionier bei Mannes­mann Mobil­funk (D2-Privat) gegen­über teltarif.de erin­nerte.

Dass auch Privat­leute aktiv selbst geschrie­bene SMS verschi­cken würden, wurde anfangs mehr als skep­tisch beäugt. Mit Preisen von 19 Cent pro SMS-Nach­richt (und teil­weise noch mehr) verdienten alle Mobil­funker welt­weit anfangs ein Vermögen. Zu Silvester waren die SMS-Nach­rich­ten­sys­teme regel­mäßig verstopft. Frisch verliebte Paare tippten 200, 500 oder mehr SMS im Monat, an SMS-Flat­rates dachte damals noch niemand. Bis die Over-The-Top Messenger wie WhatsApp & Co. auf die Szene kamen, die einzelne Nach­richt kostete auf einmal nichts mehr.

NFTs kommen dem Autor vor wie des Kaisers neue Kleider. Da wird ein künst­licher Wert geschaffen, hinter dem nur ein paar digi­tale Infor­mationen stecken, gekauft wird aber nichts wirk­lich "Greif­bares". Ok, wer dran glaubt, mag damit viel­leicht Erfolg haben, die große Menge der Internet-Skep­tiker wird stumm ihr Haupt schüt­teln und bald werden wir Meldungen von den Verlusten derer lesen, die damit keinen Erfolg hatten.

Immerhin: Das Geld für die erste virtu­elle SMS kommt mit dem Flücht­lings­hilfs­werk der UN einem guten Zweck zu Gute. Vermut­lich hatten die Betei­ligten auf ein höheres Ergebnis gehofft. Viel­leicht gab das der NFT-Szene auch einen kleinen Dämpfer, die Realität nicht ganz aus den Augen zu verlieren.

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