Telekom fordert Umdenken bei Frequenzvergabe
Jan-Hendrik Jochum, Leiter des Telekom Bereichs Frequenzpolitik
Foto: Deutsche Telekom
Bei der spannenden Frage, ob neues Geld für die Verlängerung oder Neuvergabe von Frequenzen sinnvoll ist, hatte sich bisher in erster Linie Markus Haas, CEO des Netzbetreibers Telefónica/o2, zu Wort gemeldet. Er ist seit Anfang an mit dabei, hat also die desaströs teure UMTS-Versteigerung für rund 50.000.000.000 Euro vor 20 Jahren in Mainz aus nächster Nähe miterlebt.
Nun meldet sich die Deutsche Telekom in ihrem Blog mit ähnlichen Argumenten zu Wort. Auch die Telekom fordert ein Umdenken für ein neues Frequenz-Regime.
Umdenken im Frequenz-Regime
Jan-Hendrik Jochum, Leiter des Telekom Bereichs Frequenzpolitik
Foto: Deutsche Telekom
Denn: Aus Sicht der Telekommunikationsbranche ist die Zeit reif für ein neues Vergabe-Modell. „Ein Wettbieten für Frequenzen ist nicht sinnvoll, denn hohe Auktionskosten behindern den Eigenausbau. Auch darf eine Neuvergabe nicht zu einer Verschlechterung der bereits bestehenden Mobilfunk-Versorgung in Deutschland führen“, sagt Jan-Hendrik Jochum, Leiter des Telekom Bereichs Frequenzpolitik.
Deutlich wird das Problem bei der nächsten anstehenden Frequenzauktion, die im Jahr 2023 oder 2024 abgehalten werden dürfte. Viel Zeit ist nicht. Denn Ende 2025 laufen die Nutzungsrechte für einige wichtige Frequenzbereiche aus.
Es geht um 800, 1800 und 2600 MHz
Unter den Hammer soll das Spektrum bei 800 MHz, 1800 MHz und 2,6 GHz kommen. Diese Frequenzen werden von den drei aktiven Netzbetreibern bereits für dem Mobilfunkstandard LTE (4G) vewendet. Wo es in die Fläche geht, werden vor allen Dingen Frequenzen unter 1 GHz gebraucht, also 700, 800 und 900 MHz, doch 900 MHz ist derzeit noch überwiegend mit GSM belegt. Zur Disposition stehen aktuell nur die 800 MHz Frequenzen.
Jochum erklärt, um was geht: „Dieses so genannte Flächen-Spektrum wird heute bereits von den drei etablierten Netzbetreibern bundesweit genutzt. In der nächsten Auktion wird es aber mit dem Neueinsteiger 1&1 laut eigener Ankündigung einen zusätzlichen Bieter geben."
Mehr Bieter als Frequenzen?
Und kommt damit zum Kern des Problems: "Frequenzen sind ein sehr knappes Gut, es könnte also sehr teuer werden." Nach Ansicht des Regulierungsexperten lauert eine weitere Gefahr: „Die zur Vergabe kommenden Frequenzen werden nicht ausreichen, die bereits bestehende Mobilfunkversorgung mindestens zu erhalten und gleichzeitig den Aufbau eines neuen Mobilfunknetzes zu ermöglichen.“ Das heißt: Bei der Verfügbarkeit von Funkspektrum müssen neue Lösungen her, damit alle Akteure eine Chance auf flächendeckende Netze behalten oder aufbauen können.
Mobilfunknetzbetreiber, Politik und Bundesnetzagentur haben die Herausforderungen erkannt, die mit der nächsten Frequenz-Auktion einhergehen. Die Suche nach einem Lösungsraum für alle Beteiligten wurde gestartet. Dazu hat die Bundesnetzagentur mit dem „Frequenzkompass“ im vergangenen Jahr und einem „Szenarienpapier“ Ende Juni dieses Jahres öffentliche Konsultationen zum Thema gestartet.
Regulierungsbehörde will Rechts- und Planungssicherheit
Aktuelle Frequenzlage im deutschen Mobilfunk (700-3700 MHz)
(als PDF mit Klick aufs Bild)
Grafik: Bundesnetzagentur
Die zuständige Regulierungsbehörde für die Vergabe der Nutzungsrechte von Frequenzen will auf diese Weise die interessierten Kreise anhören und möglichen Teilnehmern ausreichende Rechts- und Planungssicherheit verschaffen.
Einige Lösungsvorschläge liegen bereits auf dem Tisch. Dazu zählt die häufige Abfolge von Auktionen kleinerer Spektrumsbereiche zu durchbrechen und stattdessen mehr Spektrum auf einmal zu versteigern und damit das Angebot zu vergrößern. Dies könnte durch eine Verlängerung der auslaufenden Nutzungsrechte um fünf Jahre und der Einbeziehung neuer und später auslaufender Frequenzen erreicht werden. Mit der Neufassung des Telekommunikationsgesetzes ist dies in Zukunft möglich. „Wir haben jetzt die Chance, eine langfristige Basis für die Mobilfunkinfrastruktur in Deutschland zu schaffen“, betont Jochum und verweist auf die erstklassige Mobilfunkversorgung hierzulande: „Beim 5G-Netzausbau liegt Deutschland in Europa an der Spitze. Das richtige Vergabekonzept hilft, diesen Status dauerhaft zu sichern.“
Die Regeln für die Frequenzvergabe werden in Deutschland von der Bundesnetzagentur festgelegt. Grundlage ist das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz (TKG). Nach §61 TKG ist dabei die wettbewerbliche Versteigerung von Frequenzen das Regelverfahren. Anders als beispielsweise in den USA, werden in Deutschland die Nutzungsrechte von Frequenzen nicht verkauft, sondern befristet vergeben, üblicherweise 15 bis 20 Jahre.
Der bisherige Vorrang des Versteigerungsverfahrens wird durch den neuen § 100 Abs. 2 Satz 1 des TKG-Version 2021 aufgehoben. Danach ist dasjenige Vergabeverfahren zu wählen, das die Ziele am besten erreicht. Das hatten die betroffenen Unternehmen angeregt. Sie schlagen auch eine Verlängerung von Frequenznutzungsrechten vor.
Mit der Frequenzvergabe verfolgt die Bundesnetzagentur das Ziel, die Mobilfunkversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Denn geeignete Frequenzen sind die Basis für hochleistungsfähige, flächendeckende Mobilfunknetze. Da bereits heute ein großer Teil des Telekommunikationsverkehrs mobil abgewickelt wird, ist die Zuteilung von Frequenzen an Versorgungsauflagen für die Netzbetreiber gekoppelt. Auf diese Weise sollen Nutzer- und Verbraucherinteressen berücksichtigt werden.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Nein, die Telekom verkauft keine Handfunkgeräte im PMR446-Frequenzband.
Foto: Deutsche Telekom
Für die Politik hat Mobilfunk flächendeckend und nahezu kostenlos zu sein. Die Mobilfunkanbieter verdienen sich goldene Nasen, also können sie sehr teure Auktionen locker wegstecken, es ist ja ihre freie Entscheidung, ob sie mitmachen. Ok, das war jetzt etwas polemisch, aber stark vereinfacht bekommt man schon länger diesen Eindruck.
Man wollte (politisch) einen vierten Anbieter, weil man hofft, dass dadurch die Preise weiter sinken, weil der neue Anbieter nur über niedrigste Preise in den Markt einsteigen kann. Das ist zunächst richtig, bis wieder ein Spieler enttäuscht aufgibt, weil flächendeckender Netzausbau plus horrende Lizenzkosten und Kunden, die es am liebsten alles gratis hätten, einfach nicht zusammenpassen.
Wie könnte man nun das Frequenzproblem lösen? Wenn man die Bestandsfrequenzen verlängert, freuen sich die etablierten drei, aber der vierte hat davon nix. Neue zusätzliche Frequenzen (z.B. 600 MHz) scheitern am Widerstand der Rundfunker und sind auf absehbare Zeit ohnehin nicht verfügbar.
Kann man die etablierten drei Anbieter dazu verdonnern, den "neuen Anbieter" auf ihre bereits vorhandenen Frequenzen zu vorher regulierten Preisen drauf zu lassen? Diese Preise frei auszuhandeln, wäre nicht möglich, weil sonst die Etablierten über den Preis den Neuling klein halten würden.
Kann man die drei oder vier Anbieter dazu verdonnern, flächendeckend auszubauen? Was bedeutet "flächendeckend"? Wirklich alle Wege und Plätze, wo sich Menschen aufhalten können?
Klar ist auch: Die Geldumverteilung über teure Lizenzen und danach staatliche Förderung der weißen Flecken ist zeitraubend und ineffizient. Neue Lösungen braucht das Land.