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Kommentar: Apple braucht keine Revolution

Apple-Events prägen die Tech-Branche. Doch die erhofften Revolutionen blieben zuletzt aus. Das kritisieren viele. Aber Apple hat etwas ganz anderes im Sinn. Denn auf die nächste Revolution kann Apple verzichten.
Ein Kommentar von Hans-Georg Kluge

Apples Marktstrategie braucht derzeit keine neue Revolution. Apples Marktstrategie braucht derzeit keine neue Revolution.
Bild: Apple, pixbay, Screenshot/Montage: teltarif.de
Wenn Apple zu einer Veranstaltung lädt, steht die Tech-Welt Kopf: Welche Revolutionen wird es wohl dieses Mal geben? Kann Apple einen Geniestreich wie das iPhone toppen? Nach der Show sagen dann Viele: "Nein, haben sie (mal wieder) nicht, die Versager". Andere verteidigen Apple, denn irgendwelche tollen - angeblich innovativen - Features gibt es ja immer. Ich sage: Apple braucht derzeit keine Revolution.

iPhone 6S und iPhone 6S Plus: Keine Revolution

Apples Marktstrategie braucht derzeit keine neue Revolution. Apples Marktstrategie braucht derzeit keine neue Revolution.
Bild: Apple, pixbay, Screenshot/Montage: teltarif.de
Denn auch wenn Apple alles dafür unternimmt, den Nimbus des großen Vordenkers zu halten: Im Kern ist Apple ein Konzern wie jeder andere auch und vor allem an Einnahmen und Gewinnen interessiert. Eine echte Revolution braucht es nicht jedes Jahr von Neuem, sondern nur zu genau spezifizierbaren Zeitpunkten: Wenn es nämlich nicht mehr läuft, die Kunden davonströmen oder die Technik an ihre Grenzen kommt.

Mit Verlaub: All das ist derzeit nicht absehbar. Klar: Wer seinen Blick auf die reinen Fakten der neuen iPhones und iPads wirft, könnte schnell zu der Überzeugung kommen, dass Apple sein Potenzial aufgebraucht hat. Und so mancher Abgesang auf Apple stimmt denn auch in den Chor ein, der da singt: Apple sollte auf den Boden der Tatsachen zurückkommen, die Tech-Welt sollte ihre Erwartungen runterschrauben. Das mag stimmen, ist aber für Apple in Wahrheit unerheblich. Denn solange die Kernzahlen stimmen, braucht Apple gar kein neues Produkt vom Schlage des iPhones.

Die Plattform macht den Sieger

Wer den Blick über die ganze Palette an iPhones, iPads und Macs schweifen lässt, sich mit dem schieren App- und Inhalte-Angebot bei iTunes beschäftigt, gerät ins Staunen. Ein Konzern hat im Prinzip die Kontrolle über Inhalte, Hardware und darüber abgewickelte Dienstleistungen - selbst das Bezahlen im Einzelhandel will Apple künftig abwickeln. In den letzten Jahren hat Apple nach und nach rund um iTunes und das iPhone eine Plattform aufgebaut, der Nutzer sich kaum entziehen können, wenn sie einmal auf den Geschmack gekommen sind.

Der Clou des Apple-Universums ist eine grazile Balance zwischen Offenheit und Geschlossenheit. Die Be­nutzer­ober­fläche kontrolliert Apple genau. Auch welche Sensoren verfügbar und welche APIs vorhanden sind, schreibt Apple bis ins kleinste Detail vor. Doch was die Entwickler im Rahmen dieser Möglichkeiten machen, bleibt ihnen überlassen. Mit diesen Mitteln zwingt Apple die Entwickler, gut strukturierte Apps zu schreiben. Das wiederum wissen die Anwender zu schätzen, denn sie müssen sich nicht mit zu vielen schlechten Apps herumschlagen. Weder Google noch sonst ein Konkurrent haben es geschafft, diese Balance zu kopieren.

Apps: Apples Erfolgsgeheimnis sind schnelle Updates

Apple hat dank der großen Nutzerbasis, die in den USA noch viel stärker ist als in Deutschland, eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg. Da Apple es außerdem schafft, den Großteil seiner Nutzer zu schnellen System-Updates zu überreden, handelt es sich bei iOS um eine recht homogene Plattform. Wenn Apple also neue APIs oder Features für Entwickler präsentiert, können die sofort loslegen und wissen: Spätestens nach ein paar Wochen hat das neue iOS einen hohen Marktanteil.

Bei Android hingegen investieren Entwickler Zeit in die Arbeit mit neuen Features, die erst in einigen Jahren allen Nutzern zur Verfügung stehen. In der Zwischenzeit heißt es, abwärts­kompatible Lösungen zu entwerfen oder auf eine große Zahl potenzieller Nutzer zu verzichten.

Hardware: Apple hat was für jeden

Im Bereich der Hardware verkauft Apple die älteren Modelle und schafft so einen Markt für Kunden, die nicht ganz so viel für ihr Smart­phone oder Tablet ausgeben möchten. Und ein iPhone 5S ist auch heute noch für viele Anwender völlig ausreichend. Höhere Ansprüche erfüllen die neueren Modelle.

Das Experiment des iPhone 5C ist genau daran gescheitert: Aktuelle iPhones sind immer der Spitzenklasse ihres Jahrgangs zuzuordnen. Niemand kauft ein neues, teures aber technisch überholtes "Billig-iPhone". Dagegen kann der Kauf eines ein oder zwei Jahre alten iPhones durchaus einen Reiz haben, zumal niemand dem älteren iPhone den Stempel "Billig" aufdrücken würde. Das gleiche Prinzip fährt Apple auch bei den iPads.

Nur bei den MacBooks und Macs folgt Apple noch der alten Logik der Generationen-internen Differenzierung für unter­schied­liche Preisklassen. Aber die Musik spielt bei Apple längst auf dem iPhone. Und auch OS X erfüllt wohl die Erwartungen. So wird Apple wohl auch künftig bei OS X weiterdümpeln.

Und was hat Apple im Herbst 2015 präsentiert? Die vermeintlich umfangreichste Produktwelle sollte kommen. Revolutionäres sahen die Zuschauer indes nicht, mit dem iPad Pro aber immerhin eine Erweiterung der iPad-Palette und die Modellpflege bei den iPhones. Und die vermeintliche Zukunft des Fernsehens. Bei näherer Betrachtung ist diese aber nur eine konsequente Fortführung der Strategie von Apple: Nach und nach weitere Geschäftsfelder erschließen. Das dürfte gelingen, immerhin ist der neue Apple TV mit allen Apple-Diensten verknüpft, lässt an mancher Stelle aber auch Konkurrenten Platz (Stichwort: Siri durchsucht Netflix).

Konkurrenz: Da lacht die Apple-Chefetage

Apple dürfte wenig Sorge vor dem haben, was Konkurrenten wie Amazon, Google oder Microsoft so treiben. Nur ein paar Anmerkungen dazu:

  • Google: Hat mit Android zwar eine potente mobile Plattform zu bieten, beherrscht diese aber nicht ansatzweise so wie Apple sein iOS. Mit Folgen: Alte Android-Versionen sind weit verbreitet, Hersteller kochen ihr eigenes UI-Süppchen und scheitern mit der Software-Integration. Und jede App folgt ihren ganz eigenen User-Experience-Prinzipien. Android 5.x Lollipop hat nach knapp einem Jahr einen Marktanteil von 20 Prozent. Google tut sich außerdem schwer, Nutzer von der Suchmaschine zu anderen, sozialen Diensten von Google zu überreden.
  • Amazon: In puncto Inhalte dürfte bei Amazon einiges stimmen und die Nutzer dürften sehr shoppingaffin sein. Aber außer den Kindle-eBook-Readern gibt es kaum relevante mobile Hardware. Mobil findet Amazon praktisch nur als App auf Konkurrenz-Plattformen statt. Das ist aber nicht genug, um Kunden nachhaltig zu binden.
  • Microsoft: Das Vertrauen auf den Erfolg in Windows Phone und Windows 10 Mobile ist längst dahin. Stattdessen lässt sich Microsoft auf dem Apple-Event einspannen, die Fähigkeiten des Apple Pencil und iPad Pro mit Office zu präsentieren. Surface? War da was?
  • Ok, Facebook noch: Passt eigentlich nicht so ganz in diese Liste, ist aber ein wichtiger Player, der eine starke Nutzerbindung vorweisen kann. Facebook macht dank der Werbung mittlerweile starke Umsätze, ist aber stets auf andere Plattformen angewiesen. Aus dem Facebook-Handy ist nie ein Erfolg geworden.

Fazit: Erfolg macht Apple erfolgreich

Was macht Apple also? Die Antwort ist eigentlich eindeutig: Apple fährt jetzt die Gewinne ein, für die der Konzern schon vor Jahren die Grundlage gelegt hat. Die stetige und schrittweise Weiterentwicklung hat mittlerweile dazu geführt, dass Apple keine umwerfenden neuen Smart­phones mehr vorstellen muss. Stattdessen geht es darum, den Vorsprung der iTunes- und iOS-Plattform zu halten. Der Erfolg von iPhone, iPad und iTunes garantiert Apple die nächsten Erfolge.

So oder so: Ob iPad Pro oder die Apple Watch der Knaller werden - Apple kann sich auch mal einen Misserfolg leisten. Denn die neuen iPhones werden ohnehin ein Verkaufshit. Und auch der neue Apple TV wird genügend Käufer finden - all das stand aber schon vor dem Herbst-Event von Apple fest. Denn bei Apple läuft es eben.

Was Google in puncto Updates vergeigt, haben wir in einem Kommentar erklärt. Warum Android und iOS ihre spezifischen Vorteile haben, zeigen wir in unserem Artikel Android oder iOS: Zwei Systeme, zwei Meinungen.

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