netzverdoppelt

Editorial: Mobile TV am Scheideweg

Separates Sendenetz wirklich finanzierbar?
Von

Über drei Jahre ist es her, dass die ersten Prototypen für Handy-TV getestet wurden. Seitdem heißt es, dass der von den meisten Handynetzen favorisierte Standard DVB-H zur nächsten Großveranstaltung in weniger als einem Jahr eingeführt wird. Das "Sommermärchen" 2006 fand dann doch ohne DVB-H statt und dasselbe Schicksal ereilte dieses Jahr auch die Frauen-Fußball-WM, obwohl unser Land dort sogar Weltmeister wurde.

Tatsächlich gestartet ist bisher nur der Konkurrenzstandard DMB mit einem Minimalangebot von sechs Programmen und kaum zahlender Kundschaft unter dem Markennamen "watcha". Dahinter steht die MFD, Mobiles Fernsehen Deutschland GmbH. Auch bei Watcha ist derzeit kaum Bewegung zu sehen. Auf der Homepage des Partners debitel wird der Dienst beispielsweise gar nicht und auf den Unterseiten auch nur per einfachem Link "Mobiles Fernsehen" beworben. Das einzige dort im Shop für watcha verfügbare Endgerät ist noch dasselbe wie beim Start vor fast eineinhalb Jahren. Beim von watcha ebenfalls genannten Partner mobilcom sind nicht einmal die TV-Handys im Online-Shop auffindbar.

Währenddessen drohen bei DVB-H weitere Verzögerungen, weil es zwei konkurrierende Interessenten für den Betrieb des Sendernetzwerkes gibt. Neben einem Konsortium aus T-Mobile, Vodafone und o2 bewirbt sich auch das Unternehmen Mobile 3.0 für die Lizenzen. Hinter Mobile 3.0 stehen die Verlage Burda und Holtzbrinck, sowie die MFD, die bereits "watcha" betreibt. Vorteil des Mobile 3.0-Angebots gegenüber dem der Netzbetreiber: Es wird eine größere Flächenabdeckung angestrebt. Dafür könnten die Kosten für den Benutzer höher werden. Es ist die Rede von ca. 10 Euro für 15 Programme, oder die Hälfte dieses Betrages für acht Programme.

Zu teuer für ein "Mäusekino"!?

Die Frage ist nun, wie viele Kunden bereit sein werden, diesen Betrag monatlich für "Mäusekino" aufzuwenden. Immerhin hat man in der Regel zu Hause schon einen Fernseher mit bester Bild- und Tonqualität, kann bei Interesse mit aktuellen UMTS-Handys Video-Streams auch unabhängig vom Sendetermin anschauen - und das bei anfangs einem wahrscheinlich größeren Versorgungsgebiet als DVB-H. Ohne Kundenzahlen in Millionengröße dürften aber noch nicht einmal die Betriebskosten für das Sendernetz wieder eingespielt werden.

Zudem gibt es in Deutschland schon ein relativ erfolgreiches digitales Sendernetz für Fernsehprogramme, das in vielen Ballungsräumen deutlich mehr Programme verbreitet als für DVB-H vorgesehen - und das sogar unverschlüsselt: DVB-T. Warum dann überhaupt DVB-H? Weil das Signal bei DVB-T in der Regel zu schwach ist, um es mit den winzigen Handy-Antennen zu empfangen. DVB-H verwendet im Vergleich zu DVB-T das bessere Kompressionsverfahren und reduziert Framerate und Auflösung.

Im Ergebnis benötigt ein Programm in einem DVB-H-Multiplex nur noch etwa ein Zehntel der Bitrate, die dasselbe Programm in einem DVB-T-Multiplex belegt. Entsprechend kommt ein DVB-H-Programm bei gleichem Sendernetz und gleicher Sendeleistung (pro Programm, nicht pro Multiplex!) mit im Vergleich zu DVB-T zehnfacher "Power pro Bit" beim Empfänger an und kann somit von entsprechend kleineren Antennen noch aufgefangen werden. Bessere Fehlerkorrekturverfahren als bei DVB-T helfen zusätzlich dabei mit, diese Bits aus dem Hintergrundrauschen herauszufiltern. Ein weiteres Thema ist die Akku-Laufzeit: DVB-T-Empfänger saugen aufgrund der höheren zu dekodieren Bitanzahl auch entsprechend mehr Strom. Dennoch wird es für DVB-H nicht einfach werden, die angestrebte Versorgung zu erreichen.

nächste Seite: