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Editorial: Scheitert Handy-TV an Standard-Chaos?

Viele unterschiedliche Technologien konkurrieren
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Langsam wird es unübersichtlich: Neben DVB-H und DMB konkurrieren nun auch noch die Technologien MediaFLO, ATSC-M/H, MBMS und DXB um den Aufbau der Handy-TV-Netze. Dadurch droht das zarte Pflänzchen Handy-TV zertrampelt zu werden, bevor es sich überhaupt in seiner Nische etablieren konnte.

Die Vielfalt hat zum Teil sicher regionale Gründe. DVB-H wird von Nokia und anderen großen europäischen Tk-Anbietern getrieben, worauf die Asiaten, allen voran Samsung und LG, mit DMB konterten. Die USA brachten dann eben MediaFLO (Qualcomm) und nun ATSC-M/H ins Rennen. Das ATSC-Konsortium nennt als Mitglieder Microsoft, AMD/ATI und diverse Größen der Unterhaltungsindustrie wie Time Warner oder Universal Studios. DXB ist hingegen eine Erweiterung von DVB-H und DMB, die das gleichzeitige Verbreiten eines Inhalts über beide Technologien ermöglichen soll. Er ist aber zumindest inkompatibel zu DMB. MBMS hingegen erweitert UMTS und HSDPA um eine Broadcast-Komponente im Downstream. Es benötigt somit keine neuen Sender, sehr wohl aber neue Software in Basisstationen und Handys.

Un-Standards

Jedes dieser neuen Verfahren wird in den Pressemitteilungen de Unternehmen meist als "neuer Standard" angepriesen, zusammen mit den angeblichen oder tatsächlichen Vorzügen, wie effizienterer Frequenznutzung, einfacherer Implementation, geringerem Stromverbrauch usw. Doch will mir das Wort "Standard" in Bezug auf die Handy-TV-Technologien immer weniger über die Lippen gehen. "Standards" sind nämlich Verfahren, die eine Standardisierung hinter sich gebracht haben, sei es durch die politisch erteilte Legitimation eines Gremiums, durch die allmähliche und zunehmende Einbürgerung und Gewöhnung an eine bestimmte Vorgehensweise oder schlicht und einfach durch die Marktmacht eines Unternehmens (= "Industriestandard").

Hier haben wir es jedoch mit dem gegenteiligen Trend zu tun, der Positionierung jeweils neuer, durch das Patent-Portfolio der jeweiligen Promotoren abgesicherter Standard-Kandidaten. So lange sich nicht dazu berufene Gremien oder "der Markt" auf eine der Wahlmöglichkeiten als Standard einigen, handelt es sich also nicht um Standards, sondern um deren Gegenteil, um Un-Standards.

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