Editorial

Abschaltdatum für DSL 2032: Chancen und Risiken

Der Breit­band-Verband BREKO hat sich mit einer provo­kanten Forde­rung zu Wort gemeldet: Bis 2032 sollen alle DSL-Kupfer­lei­tungen abge­schaltet werden, danach gäbe es nur noch Glas­faser. Das hätte Vor-, aber auch Nach­teile.
Von

In Berlin hat diese Woche der Bundes­ver­band Breit­band Kommu­nika­tion (BREKO) getagt. Seine provo­kante Forde­rung: Einen fest defi­nierten Termin zur Abschal­tung der DSL-Kupfer­netze im ganzen Land.

Entschei­dungs­druck für Glas­faser aufbauen

Das Kalkül ist klar: Wenn die Kunden wissen, dass es bald keine Kupfer­lei­tungen mehr gibt, werden sie eher bereit sein, einen Glas­faser­anschluss zu buchen, auch wenn der - je nach örtlich verfüg­barem Anbieter - etwas teurer als bisher sein könnte.

Für die neuen Glas­faser-Anbieter, die oft mit knappen Kalku­lationen und hohen Rendite-Erwar­tungen ihrer Geld­geber klar­kommen müssen, wäre das hilf­reich, wenn man in einem Ort nicht nur 30-40 Prozent, sondern idea­ler­weise 90-100 Prozent Bestel­lungen bekäme. Nur ist das realis­tisch? Glasfaser-Leitungen bei der Deutschen Glasfaser - Abschaltung aller Kupferleitungen? Glasfaser-Leitungen bei der Deutschen Glasfaser - Abschaltung aller Kupferleitungen?
Foto: Deutsche Glasfaser

Wegfall aller Kupfer­netze? Neuver­hand­lung von Vorleis­tungen auf Glas-Basis

Mit einer mögli­chen Abschal­tung aller Kupfer­lei­tungen hätten alle Tele­kom­muni­kati­ons­anbieter, die keine eigenen Leitungen zum Kunden und viel­leicht auch wenig eigene Netze haben, über Nacht ein Riesen-Problem. Sie müssten ihre Vorleis­tungen ("letzte Meile zum Kunden", Bitstream-Vermitt­lungs­technik etc.) neu einkaufen. Im Regel­fall bei der von vielen Unter­nehmen wenig geliebten Deut­schen Telekom.

Nur: Kupfer­preise sind weit­gehend regu­liert, beson­ders wenn sie von der "markt­mäch­tigen" Telekom kommen. Bei Glas­faser gibt es keine Regeln, sondern den freien Markt. Sprich die Telekom ruft einen Preis auf, den sie für auskömm­lich hält und der konkur­rie­rende Nach­frager muss den akzep­tieren oder versu­chen, einen Rabatt auszu­han­deln - oder sein Angebot oder gar seinen Betrieb einstellen oder seine Leitungen selbst bauen.

Wäre 2032 über­haupt zu schaffen?

Wenn nun ein konkretes Datum genannt wird, im Gespräch ist 2032, bleibt die Frage, ob die komplette deut­sche TK-Wirt­schaft es hinbe­kommt, bis dahin ganz Deutsch­land von Rostock bis Garmisch-Parten­kir­chen oder von Aachen bis Görlitz mit Glas­faser auszu­rüsten. Was ist, wenn das nicht klappt?

Steil­vor­lage für die Telekom

Die Telekom wird heute schon heftig kriti­siert, dass sie sich in bestimmten Gebieten als "Rosi­nen­picker" betä­tige, indem sie nur einmal "andeutet", evtl. hier irgend­wann Glas­faser auszu­bauen, worauf die privaten Konkur­renten eilig das Feld räumen.

Die Telekom würde in diesem Fall höchst­wahr­schein­lich den eigenen Ausbau von Glas­faser verviel­fachen, um ihren hart erkämpften Markt­anteil zu halten oder noch zu stei­gern. Damit kata­pul­tieren sich einige Unter­nehmen sehr wahr­schein­lich aus dem Markt.

Glas­faser­branche in Nöten

Zeitungs­berichte, wonach es der Glas­faser­branche nicht gut geht, wurden bislang heftig demen­tiert. Es scheint aber mehr dran zu sein, als bislang zu vermuten war. Ein Bran­chen­insider, der nicht genannt werden wollte, bestä­tigte gegen­über teltarif.de, das ihm viele Glas­faser-Anbieter komplett zum Kauf ange­boten wurden, einige stünden kurz vor dem Markt-Ausstieg, weil ihre Finanz­inves­toren eiskalte Füße bekommen hätten.

Unschöne Geschichten wie Preis­dum­ping im Bausektor bis hin zu (natür­lich verse­hent­lich) "nicht pünkt­lich" bezahlten Wander­arbei­tern aus weit entfernten Ländern (z.B. aus Spanien oder sogar aus Mexiko) sind die Schat­ten­seite des ewigen Kampfes um "es darf ja nichts kosten".

Lösung: Koope­ration

Die Lösung könnte in einer Koope­ration von Mitbe­wer­bern und der Telekom liegen. Auf die Frage von teltarif.de bei der Vorstel­lung der VATM-Markt­studie von Dialog-Consult, ob es außer der vom Kartellamt ausdrück­lich gelobten Koope­ration von Telekom und EWE in Form von Glas­faser-Nord­west noch weitere Joint-Ventures dieser Art geben könne, erntete der Frage­steller beim VATM über­raschte Gesichter. Nein, das wisse man nicht. Und wenn doch, könne man darüber noch gar nicht reden, weil es sicher noch sehr geheim und noch lange nicht in trockenen Tüchern sei.

Vor einigen Jahren stand mal im Raum, dass die Telekom Mitglied im BREKO werden könnte. Viel­leicht wäre das ein Signal zur besseren Zusam­men­arbeit? Auch der Buglas könnte sich über so ein promi­nentes Mitglied freuen.

Viel Zeit ist nicht. Viele poten­zielle Kunden müssen sparen und stehen der Glas­faser skep­tischer gegen­über ("so viel Geschwin­dig­keit brauche doch gar nicht") oder setzen voll auf das Handy. Die Netze gemeinsam ausbauen und dann getrennt vermarkten, mit klaren Regeln, was Open-Access wirk­lich bedeutet und wie es bei allen Anbie­tern auf gleiche Weise funk­tio­niert: Das könnte die Lösung sein.

So funk­tio­niert das mit der Glas­faser.

Mehr zum Thema Editorial