Editorial: 5G verhindert Chemtrails
Air Berlin im Anflug auf Berlin Tegel
teltarif.de
Kritiker der 5G-Mobilfunktechnologie werden sich bestätigt fühlen:
Letzte Woche
warnten die CEOs mehrerer großer US-Fluglinien übereinstimmend, dass wegen 5G massenhaft Flüge am Boden bleiben müssten.
Grund seien mögliche Interferenzen zwischen neuen 5G-Basisstationen, die
(in den USA) im C-Band zwischen 3.7 und 3,98 GHz funken, sowie
Radargeräten zur Höhenmessung in den Flugzeugen, die in einem Band
zwischen 4,2 und 4,4 GHz arbeiten.
Air Berlin im Anflug auf Berlin Tegel
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Wenn in alten Radarhöhenmessern die
Filter auf der Empfängerseite nicht scharf genug trennen, besteht die
Gefahr, dass sie 5G-Signale als Antworten auf die eigenen Radarimpulse
interpretieren und dann falsche Höhenwerte anzeigen. Bei Landungen unter
schlechten Sichtbedingungen, insbesondere bei Nebel, könnte das zu fatalen
Unfällen führen. Bisher funkten in dem genannten Bereich vor allem die
Downlinks von Satelliten, die aber nur eine geringe Feldstärke haben und
das Band sehr gleichmäßig belegen. Jetzt kommen 5G-Antennen hinzu, die
in Erdnähe mit der vielfachen Leistung senden. Worst Case fängt sogar
ein im Flugzeug selber befindliches Handy während des Landeanflugs
plötzlich an, im C-Band zu senden und den Höhenmesser zu stören.
Grundsätzlich haben Flugzeuge neben dem Höhenradar weitere Systeme zur Überwachung des Anflugs an Bord, insbesondere das Instumentenlandesystem ILS, das auf einer vollkommen anderen Frequenz arbeitet und Radiosignale auswertet, die von bestimmten Antennen an beiden Enden der Start- und Landebahn ausgesendet werden. Zeigt das Radarhöhenmeter also falsche Werte an, können die Piloten dieses anhand der abweichenden ILS-Daten erkennen und geeignet reagieren, zum Beispiel eine Landung abbrechen. Nur: Beliebig oft kann man einen Landeanflug nicht wiederholen. Und es gibt zahlreiche Beispiele für Flugunfälle in der Vergangenheit, bei denen widersprüchliche Sensordaten direkt in die Katastrophe führten, weil entweder die Piloten (z.B. Air-France-Flug AF 447) oder die Flugcomputer (gleich zweimal bei der Boeing 737 MAX) falsch reagierten.
Sehr, sehr, sehr kleine Gefahr
Andererseits, und das muss man klar sagen, ist die Gefahr einer systematischen Beeinflussung der Radarhöhenmeter durch den Mobilfunk sehr gering. Das gilt schon deswegen, weil die Radarhöhenmeter auch bisher nicht im luftleeren Raum gefunkt haben. So war das C-Band auch bisher nicht nur für Satelliten freigegeben, sondern auch für Punkt-zu-Multipunkt-Systeme für den drahtlosen Festnetzersatz Wireless Local Loop (kurz WLL). Erste WLL-System gingen schon vor 20 Jahren in Betrieb. Als technologische Insellösung war WLL nie wirtschaftlich erfolgreich. Nur: Es gab tausende Sender. Doch in der Nähe dieser Sender gab es mitnichten vermehrte Berichte über Ausfälle der Radarhöhenmesser oder gar Flugzeugabstürze.
Zudem ist 5G - inklusive
C-Band - in anderen Regionen der Welt bereits seit Jahren in Betrieb.
Auch das hat bisher nirgendwo zu einer Absturzserie geführt.
Im Gegenteil: 2020 gab es zwar zwei schwere Flugunfälle mit großen
Passagierjets. Der eine davon war ein versehentlicher Abschuss durch
das iranische Militär über Teheran, der andere ein doppelter
Triebwerksausfall, der eintrat, weil die Piloten bei der ersten Landung
vergessen hatten, das Fahrwerk auszufahren und dann mit beiden
Triebwerksgondeln über die Landebahn geschleift waren. Anschließend
waren sie mit den noch funktionierenden Triebwerken durchgestartet.
Doch wenige Minuten später versagten beide Triebwerke den Dienst, weil
beim Kontakt mit der Startbahn Ölleitungen beschädigt worden waren und
das Schmieröl auslief. 2021
gab es einen schweren Unfall mit einem großen Passagierflugzeug. Warum
Sriwijaya Air Flug 182 während des Steigflugs plötzlich wie ein Stein
aus heiterem Himmel fiel, ist zwar bisher allenfalls teilweise geklärt.
Nur: Bei der bereits erreichten Flughöhe von 10.000 Meter
spielte der Radarhöhenmesser keine Rolle mehr. In dieser Höhe wird
immer der Luftdruck als Höhenreferenz verwendet. Und über dem
Meer ist dieser Flug auch bestimmt nicht von einer 5G-Station gestört
worden.
Lufthansa-Flug von Malaga nach Frankfurt
Foto: teltarif.de
Weiter kommt hinzu, dass die größte und offensichtlichste Störquelle
für Radarhöhenmesser die Höhenmesser anderer Flugzeuge sind. Denn
schließlich arbeiten alle Höhenmesser im selben Frequenzbereich und
alle Höhenmesser senden regelmäßig starke Pulse aus, auf deren jeweiliges
Echo sie dann warten. Damit die Höhenmesser auch dann noch funktionieren,
wenn das Flugzeug eine Kurve fliegt oder die Nase stark anhebt oder absenkt,
senden sie übrigens nicht nur direkt nach unten, sondern in einem relativ
breiten Kegel in alle Richtungen. Wenn dann auf zwei parallelen
Landebahnen Flugzeug A gerade anfliegt und Flugzeug B gerade startet,
dann wird es immer wieder vorkommen, dass der Höhenmesser von A einen
Puls aussendet und dann das Echo eines (etwas früheren Pulses) von
Flugzeug B "sieht", bevor das Echo auf den eigenen Puls ankommt. Ohne
zusätzliche Schutzschaltungen, die fremde Echos ausfiltern,
würde diese Situation zu einer zu niedrigen Anzeige der Höhe führen.
Auch davon wird nirgendwo berichtet, offensichtlich gibt es funktionierende
Filter gegen fremde Radarimpulse.
Eine zu hohe Höhenanzeige - und das ist die deutlich gefährlichere Situation - ist hingegen kaum denkbar. Dazu müsste das Radarhöhenmesser zunächst das Echo auf seinen eigenen Radarpuls übersehen (zum Beispiel aufgrund von generellen Störungen in dem Frequenzbereich) und anschließend das Echo eines fremden Pulses als eigenes Echo interpretieren. Im Falle einer Störung der Höhenmesser durch 5G kommt dann noch die Anforderung hinzu, dass ein 5G-Signal überhaupt einem solchen Echo ähnlich sehen muss.
Der von uns befragte Luftsicherheitsexperte Simon Hradecky, Betreiber der Website avherald.com, fand zu der aktuellen 5G-Diskussion daher auch deutliche Worte: "Ich halte von der ganzen Diskussion in den USA gar nichts. In Europa und sonst auf der Welt ging der 5G-Rollout inkl. C-Band ohne Probleme, nur in den USA nicht? Da besteht kein Frequenzkonflikt."
Nur vorübergehende Unterbrechung der Chemtrails
Trotz der vielen Gründe, die gegen eine Beeinflussung der Höhenmesser sprechen, blieben letzte Woche in den USA etliche große Flugzeuge am Boden. Entsprechend konnten sie dann auch keine Chemtrails produzieren. Wobei ich - und das dürfe aufgrund meiner bisherigen Texte sicher klar sein - weder von Chemtrails überzeugt bin noch von besonders schädlichen Einflüssen von 5G. Allerdings hat die Chemtrails-Verschwörungstheorie auch einen wahren Kern: Das von den Flugzeugtriebwerken ausgestoßene - unsichtbare - Kohlendioxid belastet tatsächlich die kognitiven Fähigkeiten. Der Effekt ist aber bei den bisher erreichen atmosphärischen CO2-Konzentrationen, von deren Anstieg die Luftfahrt zudem nur etwa 2 Prozent verantwortet, noch gering.
Nach Tests und/oder Berechnungen des tatsächlichen Störungsrisikos hat die amerikanische Flugaufsicht FAA die meisten Flugzeuge wieder zugelassen. Die Radarhöhenmesser an Bord aller Boeing 717, 737, 747, 757, 767, 777 und 787 sowie aller Airbus A300, A310, A319, A320, A330, A340, A350 and A380 sind interferenzfrei und müssen auch nicht ersetzt werden. Einige dieser Flugzeugserien sind schon seit vielen Jahrzehnten in Betrieb: Die Boeing 737 hatte ihren Erstflug 1967, der Airbus A300 hob 1972 erstmalig ab. Auch die ältesten Flieger dieser Serien müssen nicht nachgerüstet werden. Für einige kleinere Regionalflugzeuge steht zwar die Wiederzulassung noch aus, aber auch hier erwarte ich aus den oben genannten Gründen keine grundsätzlichen Probleme.
Verantwortung der Luftfahrt selber
Im Einzelfall mag es zwar in den kommenden Wochen tatsächlich erforderlich werden, Radarhöhenmeter zu tauschen, damit Flugzeugen die Erlaubnis zur Instrumentenlandung wieder erteilt wird. Nur liegt das dann eher daran, dass kleinere Hersteller von Höhenmetern nicht die erforderliche Dokumentation bereitstellen können, und weniger daran, dass deren Höhenmeter tatsächlich anfällig für Interferenzen sind.
Juristisch ist die Sache zudem klar: Solange die Einstrahlungen von 5G in den Frequenzbereich von 4,2 bis 4,4 GHz unter den erlaubten Limits bleiben, ist diese Nachrüstung von den Flugzeugbetreibern zu bezahlen, nicht von den Mobilfunkanbietern, die einen an sie lizenzierten Frequenzbereich vorschriftsgemäß nutzen. Die Forderung der - wegen Covid derzeit in finanziellen Schwierigkeiten steckenden - US-Airlines an die Mobilfunkbranche, entsprechende Nachrüstungen zu bezahlen, waren also vollkommen unangebracht.