Kommentar

Editorial: Viel Wind um "Nichts"

Das Nothing Phone (1) ist ein Para­debei­spiel dafür, wie man einen richtig guten Hype um ein Smart­phone auslöst. Was ist dran am "Nichts"?
Ein Kommentar von

"Nothing", heißt "Nichts". Eindeu­tige Über­set­zung aus dem Engli­schen. Nothing ist aber auch gleich­zeitig der Name einer noch sehr jungen Smart­phone-Firma. Kopf ist Carl Pei, Mitbe­gründer von OnePlus - die Marke, die er vor rund zwei Jahren verließ, um eigene Ideen zu entwi­ckeln. Jüngst vorge­stellt: Das Nothing Phone (1). Also ein nicht vorhan­denes Telefon - und davon das erste - könnte man witzeln. Der Joke ist aber schnell abge­nutzt, handelt es sich bei dem Nothing Phone (1) doch um ein tatsäch­lich exis­tie­rendes Produkt mit einer in den letzten Monaten äußerst inter­essant erzählten Marke­ting-Story.

Um das Nothing Phone (1) herum baute sich nämlich schnell ein ziem­licher Hype auf. Zahl­reiche Leaks taten dem Inter­esse an dem Gerät auch keinen Abbruch - anders als bei vielen anderen Modellen von großen Herstel­lern (mehr dazu im Edito­rial: Es gibt keine Höhe­punkte mehr).

Schnelles Handeln erfor­der­lich

Das Nothing Phone (1) Das Nothing Phone (1)
Bild: teltarif.de

Nothing Phone (1)

Die Marke­ting-Blase begann sich langsam mit einem ersten Event im März zu füllen, wurde immer größer und platzte Anfang Juli. Zunächst hieß es, dass es nur mit Einla­dungs­code vorbe­stellt werden könne. Sugges­tion: Man müsse also schnell sein oder Glück haben - oder beides -, um eines der unbe­kannten, aber schon sehr begehrten, Geräte zu erhalten. Eine Erin­nerung an die frühen Zeiten mit den ersten OnePlus-Smart­phones.

So restriktiv war es letzt­lich nicht, kurz nach dem Launch listete Amazon das Nothing Phone (1) in allen verfüg­baren Versionen. Die Telekom macht Werbung damit, dass sie zum Start der einzige Netz­betreiber in Deutsch­land ist, bei der das Nothing Phone (1) gekauft werden kann, natür­lich aber auch bei Unter­marken wie cong­star.

Ein großer Teil des Hypes entstand durch das Nothing Phone (1) als Wirt eines Soft­ware-Ökosys­tems, das sich irgendwie Apples Kosmos zu Vorbild nimmt, ohne glei­cher­maßen geschlossen zu sein. Kurzum die Idee: Der Nothing-Phone-(1)-Nutzer soll alle die Marken mit dem Handy nutzen können, die er möchte - mehr oder weniger egal von welchem Hersteller.

Licht ins Dunkel bringen

Die zweite Sache: Eine trans­parente Gehäu­serück­seite, deren einge­baute LEDs schön blinken, wenn jemand anruft oder eine Message hinter­lässt. Kürz­lich schauten wir uns das Nothing Phone (1) in einem ersten Test an. Sicher­lich, wir sind von dem Gerät angetan, unter anderem wegen des schönen, großen Displays, des Hand­lings und dem Kamera-Nacht­modus. Aber genau das können viele andere Smart­phone-Modelle anderer Hersteller auch. Trans­parente Rück­seiten gab es früher schon, die leuch­tende Rück­seite des Nothing Phone (1) ist durchaus inno­vativ. Es ist etwas Neues, das man keines­wegs braucht, sondern haben möchte, weil man es toll findet.

Und damit wagt Nothing tatsäch­lich etwas, weil ein solches Design genauso viele Smart­phone-Nutzer anspre­chen, wie abschre­cken könnte. Die Auswahl an Alter­nativen ohne - nennen wir es mal Schnick­schnack - ist schließ­lich gigan­tisch.

Wird das Nothing Phone dem Hype gerecht?

Einen Hype sollte man grund­sätz­lich mit Skepsis betrachten - nicht immer ist alles Gold, was auch blinkt und die ganz große Revo­lution. Denn das ist das Nothing Phone (1) zumin­dest noch nicht. Dafür haben wir zu wenig von einem neuen, tollen Soft­ware-Ökosystem gesehen, das so nahtlos funk­tio­niert wie im besten Fall bei der Konkur­renz mit jahre­langen Erpro­bungs­phasen. Die Ausstat­tung des Nothing Phone (1) ist eher Mittel­klasse (ab 469 Euro) als Flagg­schiff - auch, wenn es einige Premium-Features vorweisen kann.

Wie gesagt, im ersten Test gefiel uns das Nothing Phone (1) gut, aber vom Hocker gerissen hat es uns noch nicht - viel­leicht sehen wir das nach einem abschlie­ßenden Test­bericht anders. Jeden­falls hat der Hype rund um das Nothing Phone (1) die einge­schla­fene Smart­phone-Welt belebt, die oft in ihrer Produkt­pflege stagniert und nur wenige Neue­rungen von Gene­ration zu Gene­ration für Staunen sorgen.

Viel Wind um „Nichts“, aber ein Hype ist dann doch besser als gar keiner.

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