Editorial: Sind 7 Jahre Software-Updates wirklich nachhaltig?
Langjährige Software-Updates sind dieser Tage ein großes Thema im Smartphone-Sektor. Google setzte den Startschuss für einen sieben Jahre währenden Support mit Android-OS- und Sicherheitsupdates für Pixel 8 und Pixel 8 Pro. Samsung zog mit Galaxy S24, Galaxy S24+ und Galaxy S24 Ultra nach. Apple ist vorne mit dabei, wenn es bis zu sechs Versionsupdates für iPhone-Modelle gibt. Beim Fairphone 5 sollen es bis zu fünf Jahre Betriebssystemupdates und mehr als acht Jahre Sicherheitsupdates geben.
Grundsätzlich klingt das alles viel zu schön, um wahr zu sein. Mit solchen Zahlen lässt sich gutes Nachhaltigkeits-Marketing betreiben und Kaufargumente für die Kundschaft realisieren. Doch wie nachhaltig sind Smartphones mit solchen Update-Prognosen oder gar "Garantien"? Nur wer sein Gerät auch tatsächlich über einen langen Zeitraum nutzen kann, besitzt auch ein "nachhaltiges" Smartphone. Und das ist die Krux: Werden die Smartphones nach fünf, sechs oder mehr Jahren überhaupt noch gut nutzbar sein oder werden träge Navigation, Messaging und Surfen Verse eines Klagelieds?
OnePlus möchte das nicht
Ein Smartphone ist nachhaltig, wenn Software und Hardware gemeinsam eine lange Zeit mitspielen
Bild: Image licensed by Ingram Image
OnePlus gehört zum BBK-Konzern, zu dem unter anderem auch die Marken Oppo, Vivo und realme zählen. Nach einem lange dauernden Patentstreit mit Nokia und einem Verkaufsstopp von Smartphones in Deutschland sind die neuesten Geräte OnePlus 12 und OnePlus 12R seit kurzem hierzulande offiziell erhältlich. Der COO und Präsident von OnePlus, Kinder Liu, äußerte sich kürzlich zu einer siebenjährigen Update-Politik. Nicht nur die Software-Richtlinie eines Geräts sei beim Neukauf wichtig, sondern auch, dass die reibungslose Nutzererfahrung gewährleistet ist. Kann die Hardware irgendwann nicht mehr mit der Software mithalten, ist auch die Nutzererfahrung passé. Und auch der Akku kann seinen Dienst nach einer langjährigen Nutzung quittieren, was ebenfalls zulasten der Nutzererfahrung geht. Darum seien vier Jahre OS-Updates und fünf Jahre Sicherheitsupdates für Flaggschiffe wie das OnePlus 12 ausreichend.
Die Argumente des OnePlus-Chefs sind durchaus schlüssig. Aber auch nach vier oder fünf Jahren Nutzung muss ein Gerät noch lange kein Elektroschrott sein. Eine ausgereifte Ersatzteil-Politik könnte den Austausch von Komponenten für den Nutzer attraktiv machen.
Es gibt sie schon: Die bezahlbaren Ersatzteile
Laut einem Profi ist das Galaxy S24 sehr gut reparierbar, und die kommenden Mittelklasse-Handys Galaxy A55 und Galaxy A35 sollen Reparatur-freundlicher werden als ihre Vorgänger. Das hört man gern. Das Fairphone 5 bekam vom Reparatur-Service iFixit die besondere Auszeichnung als weltweit nachhaltigstes Smartphone verliehen. Wer sich traut, selbst Hand an zu legen, bekommt beispielsweise zahlreiche Ersatzteile über iFixit zum Fairphone 5, die auch vergleichsweise kostengünstig sind. Ein neuer Akku für das Fairphone 5 kostet rund 40 Euro, für ein frisches Display werden rund 100 Euro fällig, und die Hauptkamera kostet rund 70 Euro. Die Teile müssen dann zwar vom Nutzer selbst gewechselt werden. Das Beispiel zeigt aber, dass Nachhaltigkeit mit Ersatzteilen preislich attraktiv sein kann.
Sollte das am Ende auch tatsächlich in der breiten Masse gut funktionieren, beantwortet es aber noch nicht
die Frage, wie gut die Hardware von Fairphone 5,
Samsung Galaxy S24 und Google Pixel 8 im Jahr 2030 beziehungsweise 2031
mit aktueller Software zurechtkommt. Das bleibt schlicht bis dahin abzuwarten.
Denn der Austausch eines Akkus, eines USB-C-Steckers oder eines
Displays sorgt noch nicht für schnellere CPU-Performance. Abgespeckte Versionsupdates für Modelle mit schwächerer Hardware, wie es bei Android One gegeben ist, könnten die Lösung sein. Das funktioniert aber nur, wenn Nutzer keinen großen Wert auf neue Software-Features legen, sondern einfach nur ein stabil laufendes Smartphone benötigen.
Pixel 8 Pro (l.) und Galaxy S24 Ultra (vorne) sollen sieben Jahre Software-Updates erhalten. OnePlus (OnePlus 12, M.) mag das nicht
Fotos: teltarif.de/OnePlus, Montage: teltarif.de
Nachhaltig heißt: Weniger ist mehr
Sieben Jahre Software-Support von vornherein zu versprechen, ist grundsätzlich gut, wenn Smartphones aufgrund veralteter Firmware weniger häufig ausgetauscht werden müssen. Der Nutzer hätte es mit einem langen Software-Support so selbst in der Hand, wann er sich ein neues Handy kauft und nicht, weil er aufgrund von Sicherheitsmängeln in alter Software gezwungen ist, zu einem neuen Gerät zu greifen. Das widerspricht aber eigentlich dem Grundgedanken eines Unternehmens, Gewinn zu erwirtschaften. Und die Realität zeigt, dass viele Hersteller jedes Jahr neue Geräte auf den Markt bringen. Es ist nicht nachhaltig, wenn sich ein Gerät oftmals nur geringfügig von dem Vorgänger unterscheidet. Nachhaltiger wäre es doch, wenn die Hersteller nur dann neue Modelle auf den Markt bringen würden, wenn die Upgrades auch deutlich spürbar sind. Mehr dazu lesen Sie auch im Editorial: Wann kommt das nächste große Ding?
Dann wäre die Aufgabe, bestehende Geräte mit wichtiger Software zeitnah zu versorgen, Ersatzteile erschwinglich zu machen und Reparaturen unkompliziert zu gestalten. Denn das schafft Sicherheit und Vertrauen. Und muss doch ein neues Smartphone her, ist der Nutzer eher dazu geneigt, das Nachfolge-Modell auch beim gleichen Hersteller zu kaufen. Das alte Modell mit seinen kostbaren Komponenten sollte dann aber nicht in der Schublade versauern, sondern über Recycling-Programme wieder in den Verwertungskreislauf geschleust werden.