Editorial: EDGE statt 5G SA - Realität vs. Vodafone-Werbung
Wie berichtet hat Vodafone vor wenigen Tagen einen Mobilfunkpakt mit dem Land Hessen unterzeichnet, der einen umfangreichen Netzausbau vorzieht. Zitat: "Wir wollen superschnelles Mobilfunknetz, extreme Datenraten und noch geringere Latenzen." Das Vorhaben ist lobenswert. Auf der anderen Seite gibt es Kunden wie zum Beispiel in Weilrod-Niederlauken im Taunus, die von Vodafone nicht einmal mit GSM versorgt werden, oder in Biebergemünd-Bieber, wo sich vor einem Jahr zwar der GSM-Empfang nach einem Antennenumbau verbessert hat, bis heute aber nur die 2G-Technologie zur Verfügung steht.
Während in Frankfurt am Main seinerzeit einer der ersten 5G-Sender von Vodafone ans Netz ging und es das 5G-Standalone-Netz des aus Düsseldorf stammenden Netzbetreibers schon bis nach Wächtersbach geschafft hat, scheint es so, als ob Kunden in eher ländlichen Regionen vom Netzbetreiber "vergessen" werden. Natürlich ist es nachvollziehbar, dass die Provider ihre Netze im ersten Schritt dort ausbauen, wo besonders viele Kunden wohnen, arbeiten und unterwegs sind. Wer allerdings in Orten wie Weilrod-Niederlauken wohnt und rund 30 Jahre nach Netzstart nicht einmal GSM-Empfang hat, kommt sich vermutlich vera...lbert vor, wenn ein Netzbetreiber Jubelmeldungen zu "5G+", extremen Datenraten und geringen Latenzen veröffentlicht.
Mobilfunk-Basisstation in Biebergemünd vor dem Umbau
Foto: teltarif.de
Nicht viel anders geht es den Leidensgenossen in Biebergemünd-Bieber, zu denen auch der Autor dieses Editorials gehört. Mannesmann Mobilfunk hatte schon Mitte der 90er Jahre die beschauliche Spessart-Gemeinde mit GSM versorgt. Als erstes digitales Mobilfunknetz war D2privat damals sogar in der ganzen Region verfügbar, während D1 zwar GSM-"Hotspots" entlang der Bundesstraße 276 aufgebaut hatte, aber erst später eine lückenlose Versorgung realisiert hat.
Telekom und Telefónica haben Vodafone abgehängt
Heute hat nicht nur die Deutsche Telekom, sondern auch Telefónica das Vodafone-Netz im Biebergemünder Obergrund abgehängt. Die Telekom bietet seit fast sieben Jahren LTE an, mittlerweile auf mehreren Frequenzbändern. Dazu kommt seit einigen Monaten 5G DSS im 2100-MHz-Bereich. Teilweise mehr als 200 MBit/s im Downstream sind damit möglich. Das ist für ländliche Regionen ein durchaus ordentlicher Netzausbau. Selbst in abendlichen Spitzenzeiten haben die Kunden eine gute Performance beim mobilen Internet-Zugang zur Verfügung.
Dreieinhalb Jahre nach der Telekom hat auch Telefónica das LTE-Zeitalter in den südlichen Ortsteilen von Biebergemünd eingeläutet. Zwar hat es der in München ansässige Netzbetreiber bis heute bei einem Träger im 800-MHz-Bereich belassen. Damit werden aber Internet-Geschwindigkeiten zwischen 30 und zum Teil mehr als 50 MBit/s im Downstream erreicht. Das reicht auch für Videostreaming in hoher Bild- und Tonqualität. Lediglich bei Downloads sind Telekom-Kunden im Vorteil.
In Weilrod-Niederlauken gibt es nicht einmal GSM von Vodafone
Quelle: vodafone.de
Unendliche Geschichte um LTE-Ausbau
Mit Vodafone gab es schon vor mehr als acht Jahren erste Gespräche über einen LTE-Ausbau. Dieser scheiterte lange Zeit daran, dass der von allen Netzbetreibern für ihre Basisstationen genutzte Mast, der noch aus Zeiten der Fernsehumsetzer stammt, statisch ausgereizt war. Vodafone war auf die Telekom-Tochter DFMG als Betreiber des Standorts angewiesen, die den Mast umbauen musste, um neue Antennen für die Mobilfunknetze zu ermöglichen. Dieser Umbau - eine Mastkürzung, die möglich war, weil die GSM-Rundstrahlantenne an der Mastspitze nicht mehr benötigt wird, ist vor mehr als einem Jahr erfolgt.
Nun vertröstet Vodafone die Kunden erneut. Insiderberichten zufolge scheitert die LTE-Aufrüstung nun daran, dass auch die Richtfunk-"Gegenstelle" der Basisstation im Biebergemünder Obergrund ein Statik-Problem hat und von der DFMG umgebaut werden muss. Offiziell soll die Aufrüstung im aktuellen Geschäftsjahr von Vodafone durchgeführt werden, das Ende Juni endet. Allerdings ist es schon seit Monaten sehr ruhig geworden um dieses Vorhaben. Die Vodafone-Pressestelle hat sich trotz wiederholter Anfrage nicht zum aktuellen Stand geäußert.
Mastkürzung am DFMG-Mast in Biebergemünd
Foto: teltarif.de
Planlos und/oder ohne Plan B?
Zwar ist das Problem mit der Richtfunk-Anbindung nachvollziehbar. Auf der anderen Seite scheint die Planung von Vodafone nicht sehr vorausschauend zu sein. Vor dem Umbau des Sendemastes im Biebergemünder Süden war von der Richtfunk-Anbindung als weiteres Hindernis nie die Rede. Bei vorausschauender Planung hätte man für die Verbindung der Basisstation mit dem Kernnetz Alternativen nicht nur suchen, sondern im Interesse der Kunden auch finden müssen. Die Realität in Biebergemünd-Bieber ist nämlich immer noch GSM, EDGE und faktisch nicht funktionierender Internet-Zugang.
Betroffen sind nicht nur Anwohner, sondern natürlich auch Durchreisende, die nicht nur quer durch den Spessart, sondern beispielsweise auch weiter nach Würzburg fahren. Dazu zählen neben privaten Nutzern auch zahlreiche LKWs. Wenn dann mitten auf der Bundesstraße der Webradio-Stream abreißt, der Versuch einer sprachgesteuerten Antwort auf eine WhatsApp-Nachricht oder die Berechnung einer neuen Navi-Route fehlschlägt, nutzt auch das 5G-Plus-Werbegeblubber nichts. Liebe Vodafone-Manager, bitte redet nicht nur über ein "superschnelles Mobilfunknetz", sondern baut das auch annähernd flächendeckend auf - wenigstens dort, wo Menschen leben und sich auf Straßen und Schienen bewegen.
In einer weiteren Meldung erfahren Sie mehr zum Netzausbau aller drei Betreiber in Deutschland.