Themenspezial: Verbraucher & Service Umweltschutz

Editorial: Längere Smartphone-Lebensdauer!?

Der Staat fordert Recht auf Repa­ratur. Doch wie kann der Verbrau­cher diese im Bedarfs­fall auch durch­setzen?
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Zunächst vorneweg: Ich unter­stütze das Vorhaben der aktu­ellen Regie­rung, die Lebens­dauer von Consumer-Geräten zu erhöhen, voll­umfäng­lich. Ande­rer­seits stelle ich mir beim Lesen der aktu­ellen Vorhaben die Frage, ob die derzeit vorge­sehenen Maßnahmen am Ende wirk­lich zu den gewünschten Zielen führen werden.

Zunächst einmal gibt es das Problem, dass die Indus­trie oft genug ihre Energie nicht in die Umset­zung der Maßnahmen steckt, sondern in die Vermei­dung der Umset­zung dieser Maßnahmen. Der Diesel-Skandal, mit dem jahre­lang die Umset­zung der verschärften Stick­oxid­grenz­werte der Euro-6-Abgas­norm vermieden wurde, lässt grüßen. Aufge­flogen war er 2015. Ein erstes BGH-Urteil, das den Hersteller zur Rück­nahme des Autos verpflichtet, gab es aber erst 2020. Und obwohl der BGH eine "vorsätz­liche sitten­wid­rige Schä­digung" des Käufers attes­tierte, gab es mitnichten eine Straf­zah­lung zum Ausgleich der Schä­digung, sondern nur eine Rück­abwick­lung des Kauf­ver­trags. Der Käufer musste sich dabei noch eine Nutzungs­ent­schä­digung für die bereits gefah­renen Kilo­meter anrechnen lassen. Immerhin akzep­tierte der BGH die Berech­nung dieser Entschä­digung anhand einer relativ hohen erwar­teten Lauf­leis­tung von 300.000 km. Die meisten Verbrenner errei­chen diese Lauf­leis­tung nicht ohne zahl­reiche kost­spie­lige Repa­raturen (diverse Öl- und Reifen­wechsel, mehrere Sätze Brems­beläge und Brems­scheiben, Auspuf­fer­neue­rungen, oft auch Stoß­dämpfer, Kupp­lung, Zahn­riemen, Kühl­wasser- und Ölpumpe usw. usf.), deren Kosten zum Vorteil des Kunden nicht einge­rechnet wurden.

Verbrau­cher gegen die Indus­trie

Das Smartphone ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wie oft muss es austauscht werden? Das Smartphone ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wie oft muss es austauscht werden?
Foto: Picture Alliance/dpa
Am Ende hat Volks­wagen einen gewissen finan­ziellen Nach­teil, weil die dem Käufer anzu­rech­nende Nutzungs­ent­schä­digung deut­lich geringer ist als die Wert­min­derung des Fahr­zeugs am Gebraucht­wagen­markt. Aber nur ein Teil der Käufer hat geklagt, und nur diese bekommen jetzt einen Teil des Kauf­preises zurück. Insge­samt hält sich der bilan­zielle Schaden für den Konzern daher in Grenzen.

Wenn nun Deutsch­land - und nicht mal die EU - Smart­phone-Hersteller, die alle nicht in Deutsch­land sitzen, zum Wech­selakku zwingt, dann werden sie nach den Erfah­rungen von Volks­wagen und Audi dem Vorbild der Auto­indus­trie folgen: Zunächst tricksen und täuschen, und wenn das auffliegt, dann abwim­meln und aussitzen. Zum Tricksen und Täuschen gehört, dass man groß­mundig auf einer PK des Herstel­lers ein Akku-Selbstre­paratur-Set ankün­digt und dort zehn flinke Studenten vorführt, die mit dem genannten Set binnen fünf Minuten den Akku getauscht bekommen. Den Einfüh­rungs­preis von 29,99 Euro erhöht man irgend­wann klamm­heim­lich auf 89,99 Euro. Auf Nach­frage begründet man das mit der geringen Nach­frage und dem hohen Erklär- und Schu­lungs­auf­wand für die Händler, was entspre­chend hohe Kosten der Liefer­kette verur­sacht. Die meisten Kunden werden dann natür­lich weiterhin zur Full-Service-Repa­ratur für 99,99 Euro greifen, da bei dieser auch die Garantie erhalten bleibt.

Dass der Skandal über die nur als Alibi ange­botenen Akku-Selbstre­paratur-Sets so hoch­kocht wie damals die Betrugs­diesel, ist unwahr­schein­lich. Und selbst, wenn es passiert, stellt sich die Frage, ob über­haupt Verbrau­cher in größerer Zahl klagen. Und selbst, wenn sie klagen, dann ist nicht lange nicht gesagt, dass sie gewinnen werden. Und selbst, wenn sie vor Gericht gewinnen, dann hat der betrof­fene Hersteller immer noch die Möglich­keit, seinen aktu­ellen Impor­teur plei­tegehen zu lassen und einfach einen neuen zu gründen.

Probleme ganz woan­ders

Nach Erfah­rung der teltarif-Redak­tion sind schwä­chelnde Akkus zudem inzwi­schen gar nicht mehr das Haupt­pro­blem, das zum vorzei­tigen Smart­phone-Tod führt. Nicht mehr erhält­liche Updates, zerkratzte Gehäuse und gesplit­terte Displays sind deut­lich proble­mati­scher. Wer Verbrau­chern was Gutes tun und die Nutzungs­dauer der Geräte verlän­gern will, muss an allen Punkten ansetzen. Wahr­schein­lich würde die Pflicht, Geräte ab Werk mit einem Schutz­film und Schutz­hülle auszu­lie­fern, die zudem günstig und einfach gewech­selt werden können, den Verbrau­chern sogar mehr bringen als der güns­tige Akku­tausch.

Gesamt­wir­kung auf die Umwelt

Das Fern­ziel des "Rechts auf Selbstre­paratur" ist die Senkung der Umwelt­ver­schmut­zung durch die Verrin­gerung des Verbrauchs belas­tender Güter. So richtig und wichtig das Fern­ziel ist, muss man bedenken, dass Deutsch­land (wie auch die meisten anderen Staaten dieser Welt) eine kompe­titive Leis­tungs­gesell­schaft ist. Rang und Ansehen einer Person hängen auch davon ab, was sich jemand "leisten" kann. Niemand ist dazu verpflichtet, sein ganzes Geld auszu­geben. Dennoch landen bei einem großen Teil der Bevöl­kerung irgendwo ersparte Euros am Ende nicht auf einem Spar­buch (oder einer sinn­vol­leren Anlage), sondern in zusätz­lichem Konsum. Und hier liegt das nächste Problem: Wenn sich Konsu­menten künftig statt bisher im Schnitt alle zwei Jahre "nur" noch alle drei Jahre ein neues Smart­phone kaufen, die auf 6-Jahres-Sicht damit ersparten 1 000 Euro aber in einen früheren Wechsel des Autos oder in eine Flug­fern­reise stecken, dann steigt die Umwelt­belas­tung mögli­cher­weise sogar.

Einen ähnli­chen nega­tiven Einfluss hatte das vor einigen Jahren einge­führte Zwangs­pfand für Einweg­fla­schen. Es bewirkte zwar, dass relativ viele Einweg­fla­schen dem Recy­cling zuge­führt werden. Doch die Hoff­nung, dass nach dem Zwangs­pfand die Mehr­weg­quote wieder steigt, erfüllte sich nicht. Offenbar fanden es Verbrau­cher einfa­cher, alle Sorten von Einweg­fla­schen bei sich zu sammeln und dann gemeinsam zum nächst­gele­genen Einweg­auto­maten zu bringen, statt Mehr­weg­fla­schen in das jewei­lige Geschäft zurück­zubringen, aus dem sie gekauft worden waren. Da zudem das Einweg­pfand höher war als das Mehr­weg­pfand, begannen Kioske, verstärkt Mehr­weg­fla­schen zu verkaufen, wohl wissend, dass die dort gekauften Flaschen über­wie­gend im Rest­müll entsorgt werden, sodass der im Kauf­preis enthal­tene Pfand für die Kunden verloren ist. Mehr­weg­fla­schen enthalten aber mehr Mate­rial, sind also bei einma­liger Benut­zung ökolo­gisch weniger sinn­voll als Einweg­fla­schen.

Verbrau­cher in der Verant­wor­tung ist schwierig

Die Beispiele zeigen: Verbrau­cher in die Verant­wor­tung zu nehmen, um Prozesse ökolo­gischer zu gestalten, schei­tert oft. Selbst zu Zeiten, als man Akkus noch selber tauschen konnte, führte nur Teil der Verbrau­cher tatsäch­lich einen Akku­tausch durch. Einige trauten sich nicht zu, den rich­tigen Ersatz­akku zu beschaffen. Andere fürch­teten, dass das Gerät explo­diert, wenn sie den Akku falsch herum einsetzen. Andere führten die schlechte Akku­leis­tung auch auf ein älter gewor­denes Gerät zurück und glaubten nicht, dass ein Akku­wechsel die ursprüng­liche Lauf­zeit wieder­her­stellen wird. Manchmal war letz­tere Annahme sogar richtig: Die ersten Gene­rationen der Lithium-Ionen-Akkus alterten nicht nur durch die Belas­tung mit Lade­zyklen, sondern auch bei Nicht­benut­zung mit der Zeit. Stellten die Hersteller aber die Ersatz­akkus zusammen mit den Geräten her und lagerten letzte dann ein, dann hatten sie zu dem Zeit­punkt, zu dem Käufer sie erwarben, bereits einen Teil ihrer Kapa­zität verloren. Zudem gab (und gibt) es immer wieder den Effekt, dass Hersteller bei Soft­ware-Updates das Nutzer­inter­face verschö­nern, aber auch dem Prozessor mehr Verar­bei­tungs­schritte abver­langen, sodass der Ener­gie­ver­brauch gene­rell steigt und die maxi­male Lauf­zeit sinkt.

Die bereits erwähnte soziale Kompo­nente der kompe­titiven Leis­tungs­gesell­schaft bleibt eben­falls erhalten. Wenn der Sohne­mann nach dem zweiten Akku­wechsel seines ansonsten noch "gut erhal­tenen" Smart­phones auf dem Schulhof gehän­selt wird, dann wird ihm der Vater dennoch ein neues Gerät kaufen, wenn er sich das leisten kann.

Unter­nehmen in die Verant­wor­tung nehmen!

Es wird klar: Will der Staat mehr Umwelt­schutz errei­chen, dann muss er das über die Unter­nehmen machen. Bei Smart­phone-Herstel­lern, die sich samt und sonders außer­halb Deutsch­lands befinden, ist das aber schwierig. Ein grund­sätz­lich denk­barer Weg wäre zwar, bei der Einfuhr einen Zoll zu erheben, der sich an der Umwelt­schä­digung der Herstel­lung des Produkts orien­tiert. Nur werden die Hersteller in der Mehr­zahl der Produkte kaum ehrlich Auskunft über den Energie- und Mate­rial­ein­satz und die Herkunft der Mate­ria­lien geben. Und wenn doch, endet man in einem sehr büro­kra­tischen und zeit­auf­wän­digen Verfahren der korrekten Berech­nung des Zolls.

Natür­lich kann man auch die Unter­nehmen bezüg­lich einer besseren Repa­ratur­freund­lich­keit in die Verant­wor­tung nehmen. Nur: Dann muss der Staat zunächst wirk­lich klar fest­legen, welche Mindest­anfor­derungen erfüllt werden müssen (beispiels­weise: "Der Akku­wechsel darf bei einem Smart­phone nicht teurer sein als der nach­gewie­sene Mate­rial­preis zuzüg­lich 20 Euro"). Im nächsten Schritt muss er dann mit seinen Ämtern auch die Einhal­tung dieser Regeln über­wachen, und im letzten Schritt muss er dafür sorgen, dass bei Strei­tig­keiten über Regel­ver­stöße die Gerichts­ver­fahren fair und schnell abge­wickelt werden. Andern­falls wieder­holt sich einfach nur der Diesel­skandal.

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