Finanzen

Editorial: App statt Bank!?

Immer mehr Bank­kunden wech­seln zu Fintechs. Doch lohnt sich das? Und droht am Ende die große Pleite?
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Schon vor zwei Jahr­zehnten begannen die Fili­albanken damit, das Privat­kun­den­geschäft zu auto­mati­sieren: Bargeld gibt es am Auto­maten. Über­wei­sungen soll man möglichst beleglos online einrei­chen, sonst kosten sie Geld. Und der Konto­auszug wird per Post zuge­schickt, am Konto­aus­zugs­dru­cker abge­holt oder online bereit­gestellt. In die Filiale muss man eigent­lich nur noch, um ein Konto zu eröffnen oder größere Geschäfte abzu­wickeln, beispiels­weise eine Immo­bili­enfi­nan­zie­rung.

Doch wie so oft frisst auch hier nun die Revo­lution ihre Kinder und dreht das Rad noch eine Stufe weiter: Überall in Europa sprießen Banken aus dem Boden, die gar keine Filialen mehr unter­halten, ja, die teils nicht mal mehr eine Bank sind wie der Zahlungs­dienst­leister Wise (früher Trans­fer­wise). Zur Anmel­dung scannt man bei diesem seinen Ausweis. Danach bekommt man sofort eine persön­liche IBAN, die man wie bei einer Bank für Über­wei­sungen und Last­schriften nutzen kann. Mit ein paar Finger­tipps auf dem Smart­phone bestellt man dann noch seine persön­liche Debit­karte oder eröffnet ein Gutha­ben­konto in einer Fremd­wäh­rung, was sehr nütz­lich sein kann, wenn man öfters in dem betref­fenden Land ist und/oder seine Geld­bestände diver­sifi­zieren möchte. Neun verschie­dene Währungen stehen mit voll­stän­diger Bank­ver­bin­dung zur Verfü­gung (u.a. Euro, US-Dollar, CAN-Dollar, Singapur-Dollar, Türki­sche Lira und Briti­sche Pfund), weitere gut 40 Währungen (u.a. Schweizer Franken und Russi­sche Rubel) kann man als Guthaben (jedoch ohne Konto­ver­bin­dung für direkte Einzah­lungen und Last­schriften) führen.

Andere Online­banken und Finanz­dienst­leister haben andere Schwer­punkte: N26 legt Wert darauf, wie eine möglichst voll­wer­tige Bank zu erscheinen. Auch Bunq hat eine voll­stän­dige Bank­lizenz und zudem eine Prepaid-Karte im Angebot, die nach außen aussieht wie eine voll­wer­tige Kredit­karte. Revolut, die bisher vor allem in Groß­bri­tan­nien stark waren, drängt mit einem ähnli­chen, recht umfang­rei­chen Angebot nun eben­falls auf den EU-Markt.

Das Karten­unter­nehmen Wirex gehörte wohl zu den wenigen seriösen Part­nern der nach einem großen Betrugs­skandal insol­vent gegan­genen Wire­card. Jeden­falls über­lebten sie die Wire­card-Pleite und haben sich danach mit einer inter­natio­nalen Debit­karte neu aufge­stellt. Bei dieser kann man gleich mehrere Währungs­konten hinter­legen. Bei Zahlungen wird immer das Konto mit der Währung belastet wird, in der man die Karte gerade verwendet hat. Aber auch inter­natio­nale Karten­ein­sätze in Währungen, die man nicht vorrätig hält, kosten bei Wirex keine Umtausch­gebühren. Es gibt auch kein monat­liches Karten­ent­gelt und die Karte zahlt sogar noch ein kleines Kick­back auf Umsätze im Laden und Online. Geld­ein­zah­lungen sind auch in zahl­rei­chen Kryp­towäh­rungen möglich. Klas­sische Über­wei­sungen (sowohl zur Einzah­lung als auch Auszah­lung) waren bei Wirex schonmal möglich, sind aber schon seit Monaten gesperrt. Ob und wann sie wieder­kommen, ist unge­wiss. Wer nicht per Krypto einzahlen will, braucht daher eine zweite Karte, die er bei Einzah­lungen auf Wirex belasten kann. Immer mehr Bankkunden wechseln zu Fintechs Immer mehr Bankkunden wechseln zu Fintechs
Bild: teltarif.de

Nicht alles ist Gold, was glänzt

Beim briti­schen Zahlungs­dienst­leister Monese, der eben­falls Konten in briti­schen Pfund und Euro anbietet, fällt eine starke Diskre­panz zwischen der Bewer­tung im App-Store (4,8 von 5 Sternen) und im Play-Store (nur 3,8 von 5 Sternen) auf. Der Abstand zur Best­note 5 von 5 ist bei Google also sechsmal so hoch wie bei Apple! Auf unab­hän­gigen Bewer­tungs-Websites, insbe­son­dere Reviews.io und Trustpilot.com finden sich zahl­reiche Erleb­nisse von nach eigenen Angaben geprellten Kunden. Auch ein teltarif-Leser erlebte es, dass ein monat­licher Dauer­auf­trag inner­halb des EU-Raums bei Monese zunächst mehrere Jahre lang problemlos funk­tio­nierte, dann aber plötz­lich und ohne Angabe von Gründen aus der App verschwunden war. Aufge­fallen war es erst, als der Zahlungs­emp­fänger das fehlende Geld annahm. Eine statt­dessen ausge­löste manu­elle Über­wei­sung kam nach Auskunft des Zahlungs­emp­fän­gers nie bei diesem an, obwohl das Geld vom Konto abge­bucht worden war. Auf eine Rück­frage beim Support, was mit der Über­wei­sung ist, kam erst nach zwei Wochen eine Formu­lar­ant­wort: "Wenn die Trans­aktion immer noch nicht an die spen­den­begüns­tigte Person gesendet wird, gib bitte einen Konto­auszug von der spen­den­begüns­tigten Person an, damit ich dieses Problem an die zustän­dige Abtei­lung weiter­leiten kann."

Ange­sichts der langen Antwort­dauer des Supports, die die verlinkten schlechten User­erfah­rungen bestä­tigt, der Formu­lar­ant­wort voller Über­set­zungs­fehler und mit einer unmög­lichen Forde­rung (vom Gewer­bekonto des Empfän­gers wird man kaum einen Konto­auszug erhalten!) und der über­schau­baren verlo­renen Summe gab der Leser auf und schloss sein Konto bei Monese.

Crypto.com bietet eine Visa-Karte mit bis zu 8 Prozent Cash­back. Doch muss man haus­eigene Crypto.com-Coins CRO im Wert von 350 000 Euro kaufen und mindes­tens 6 Monate lang halten, um die vollen 8 Prozent zu erhalten. Wer beim übli­chen Auf und Ab der Kryp­towäh­rungen zum falschen Zeit­punkt in diese Karte einsteigt, kann also richtig viel Geld verlieren.

Ein anderer teltarif-Leser schaffte es jüngst, sich beim Wechsel des Smart­phones von seinem Konto bei N26 auszu­sperren. Voll­ends verzwei­felte er dann beim Dialog mit dem auto­mati­sierten Chatbot, der sein Anliegen nicht verstand. Nach langen Mühen erreichte er schließ­lich doch noch eine mensch­liche Hotline, die ihm aber außer sich noch einmal komplett neu anzu­melden, auch nicht weiter­helfen konnte. Seine Lösung war es schließ­lich, zur Spar­kasse zu gehen, die ihm ein neues Konto eröff­neten und einen Konto­wech­sel­auf­trag an N26 schickten - so kommt er nun auch wieder an sein Geld.

Probleme im Klein­gedruckten und im beschränkten Port­folio

Ein großer Teil der Probleme der Kunden mit Fintech-Unter­nehmen kommen aus dem Klein­gedruckten. Da wird in der Werbung beispiels­weise groß die Möglich­keit beworben, Spar­gut­haben in verschie­denen Fiat- und Kryp­towäh­rungen vorzu­halten. Im Klein­gedruckten steht dann, dass bei mehr als sechs­mona­tiger Nicht­nut­zung von jedem Guthaben jeden Monat 5 Euro abge­zogen werden.

Hat man die Mindest­nut­zungs-Rege­lung erfolg­reich umschifft und über die Jahre ein erkleck­liches Sümm­chen ange­sam­melt und möchte dieses für eine größere Anschaf­fung einsetzen, kommt das nächste Problem, nämlich die oft recht eng gestrickten tägli­chen und monat­lichen Nutzungs­limits. Die dienen dazu, groß ange­legten Miss­brauch und Geld­wäsche mit den ohne Kontakt zum Kunden heraus­gege­benen Karten und Konten zu verhin­dern.

Ein tägli­ches Limit von Bargeld­abhe­bungen am Auto­maten von wenigen hundert Euro ist natür­lich nütz­lich, wenn Betrüger mit gestoh­lenen Karten­daten versu­chen, das Konto leer­zuräumen, weil sie nicht viel ergat­tern können. Aber es ist eben auch hinder­lich, wenn man einen Gebraucht­wagen­kauf von privat bar bezahlen will und das nötige Bargeld dafür dann über Wochen ansam­meln muss. Aber auch die unbaren Limits können lästig sein, wenn man einen Neuwa­gen­kauf in 40 tägli­chen "Raten" zu je 1000 Euro über­weisen muss oder man mit dem Chatbot nicht verein­baren kann, dass er die Last­schrift eines Online-Händ­lers über 5 000 Euro für eine neue DSLR samt Objek­tiven und weiterem Zubehör frei­gibt. Bei Fili­albanken kann man unge­wöhn­liche und höhere Trans­aktionen hingegen jeder­zeit mit einem Mitar­beiter der Filiale bespre­chen. Und es tut insge­samt gesehen auch nicht weh, wenn die eine höhere Trans­aktion, die man alle zwei Jahre macht, dann 10 oder 20 Euro kostet.

Auch auf so manchen Service, den man von den Fili­albanken kennt, muss man bei den Fintechs verzichten. Bei regel­mäßigem Geld­ein­gang bekommt man von der Bank vor Ort meist auto­matisch einen Dispo einge­räumt. Damit ist es dann halb so wild, wenn man sich bei der neuen Küche verkal­kuliert und diese am Ende 500 Euro teurer wird als geplant oder man im Urlaub etwas mehr Geld ausgibt, als man hat. Dann geht das Konto vorüber­gehend ins Minus und bei einer der kommenden Gehalts­zah­lungen gleicht es sich wieder aus. Fintechs kennen hingegen meist keinen Dispo. Im Worst Case fehlen einem dann 2,50 US-Dollar für die Uber-Fahrt zum Flug­hafen für den Rück­flug. Wenn man dann auch kein Bargeld fürs Taxi hat, wird das Errei­chen des Rück­flugs echt schwer. Der öffent­liche Nahver­kehr ist in vielen Orten der USA kaum zu gebrau­chen.

Probleme durch Nutzungs­ände­rung

Wie bereits erwähnt, müssen Fintech-Unter­nehmen Geld­wäsche durch ihre Kunden unbe­dingt verhin­dern, weil andern­falls Strafen in empfind­licher Höhe drohen. Allein 2020 wurden von allen Banken zusammen Strafen in Höhe von 15 Milli­arden US-Dollar wegen Geld­wäsche durch Kunden und Mitar­beiter bezahlt. Entspre­chend ausge­feilte Algo­rithmen wachen über die Trans­aktionen der Nutzer und blockieren bei Verdacht dann Konten und Karten und verlangen Nach­weise über die vergan­genen Trans­aktionen. Schlecht, wenn einem das passiert, nachdem man mit dem Lotto­gewinn in die Wildnis am Amazonas geflogen ist, aber die Benach­rich­tigung über den Gewinn von der Lotto­gesell­schaft zu Hause liegt.

Mehrere Konten!

Am Ende werden die meisten Kunden zwei bis drei Fintechs benö­tigen, um alle Dienste zu ersetzen, die sie bei ihrer Haus­bank bisher hatten, und um ausrei­chend Sicher­heit vor plötz­lichen Sperren und Problemen zu haben. Dann kann man aber auch ganz ohne herkömm­liche Banken auskommen. Länger­lau­fende Raten­kre­dite gibt es oft recht günstig direkt beim Möbel- oder Auto­kauf, alter­nativ bei darauf spezia­lisierten Banken. Letz­tere bieten auch kurz­fris­tige Über­zie­hungs­kre­dite an, falls man nur ein paar Monate Geld benö­tigt. Doch Vorsicht: Bei schlechtem Schufa-Ranking können diese Kredite sehr teuer werden - und bei sehr gutem Schufa-Ranking wären sie zwar billig, aber man benö­tigt sie wahr­schein­lich gar nicht erst.

Der Tipp mit den mehreren Konten bzw. Karten verschie­dener Heraus­geber galt zudem auch schon bisher. Mit nur einer Kredit­karte im Ausland unter­wegs zu sein, war immer ein biss­chen riskant, falls die Karte gestohlen wird oder einfach kaputt­geht. Wenn Konten nichts kosten, dann ist es aber auch kein Problem, eine Notfall­karte mit einem Guthaben von 1000 bis 2000 Euro bereit­zulegen. Das ist auf Dauer defi­nitiv billiger, als immer wieder im Dispo zu landen und Zinsen zahlen zu müssen. Man muss die Daten der Notfall­karte dann aber auch verfügbar haben, und man muss es auch schaffen, die Daten der Notfall­karte in die Uber-App einzu­tragen, wenn gerade bereits die Abfahrt drän­gelt, um den Rück­flug noch recht­zeitig zu errei­chen. Am besten übt man so etwas in Ruhe vor der aufre­genden Reise.

Genauso muss man sich mit den diversen Konto- und Karten­bedin­gungen inklu­sive der verlangten Mindes­tum­sätze und Limits beschäf­tigen und ein offenes Auge dafür behalten, was sich gerade schon wieder geän­dert hat. Andern­falls droht einem Ärger und finan­zielle Knapp­heit zur Unzeit. Das ist wohl der größte Nach­teil der neuen Fintechs.

Auf der Posi­tiv­liste stehen hingegen die meisten Fintech-Apps. Man behält mit diesen den Über­blick übers Guthaben. Wenn ein Händler mal wieder unbe­rech­tig­ter­weise was von der Kredit­karte abbucht, sieht man das sofort und nicht erst mit der nächsten monat­lichen Kredit­kar­ten­abrech­nung. Manche Apps warnen früh­zeitig, wenn Ebbe am Monats­ende droht oder verlangen eine expli­zite Bestä­tigung, wenn Last­schriften höher ausfallen als normal.

Die wieder­holt erwähnten Karten­limits gibt es zudem auch in der klas­sischen Banken­welt. Je nach Anbieter dauert es zudem mehrere Tage, ein Limit zu erhöhen. Gerade bei Kredit­karten kann es dafür nötig sein, den gewünschten zusätz­lichen Betrag vorab auf ein spezi­elles Konto des Karten­her­aus­gebers zu über­weisen, der dann den Betrag manuell gutschreibt. Die meisten Fintechs haben diese Prozesse hingegen auto­mati­siert. Steht man dann am 24. Dezember mit den Weih­nachts­ein­käufen an der Kasse des Elek­tronik­markts und sagt das Karten­lese­gerät: "Zahlung verwei­gert", dann braucht man nur einige wenige Finger­tipps in der App, um das Limit passend zu erhöhen und die Zahlung beim zweiten Versuch abschließen zu können. Viele Apps klas­sischer Banken können das hingegen noch nicht so schnell und einfach. Oder der Prozess dazu ist zwar - wie im Online­ban­king der Post­bank - vorge­sehen, funk­tio­niert aber derzeit nicht auto­matisch.

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