Neuer Vodafone-Chef: Zeit für echten Wandel?
Über einen Machtwechsel bei Vodafone wurde zwar unter Insidern immer wieder einmal spekuliert, aber die heutige Meldung kam dann doch ziemlich überraschend. Philippe Rogge, bislang Ost-Europa-Manager bei Microsoft mit Erfahrungen beim belgischen Netzbetreiber Belgacom/Proxiumus übernimmt ab dem 1. Juli 2022 den Posten des Vodafone Deutschland CEO von Hannes Ametsreiter, der sich nach sieben Jahren neuen Herausforderungen in der Finanzwelt stellen will.
Auf den neuen Chef kommen eine Menge herausfordernder Themen und Aufgaben zu, die sich in den letzten Jahren angestaut haben und dringend einer Lösung bedürfen.
Probleme seit der Mannesmann-Vodafone-Fusion
Wenn man so will, ist seit der spektakulären Übernahme der Mannesmann Mobilfunk durch Vodafone beim deutschen Ableger der Wurm drin. Zwar ist die deutsche Filiale eine der finanziell wichtigsten Teile im weltweiten Vodafone-Imperium. Wenn man aber auf internationalen Messen wie dem Mobile World Congress nach Vodafone Germany fragte, erntete man oft Achselzucken und Ratlosigkeit. Nein, Vertreter aus Deutschland, davon seien keine da.
Viele Probleme: Festnetz-Mobilfunk-Shops
Die Vodafone-Zentrale in Düsseldorf bekommt einen neuen Chef. Was wird sich ändern?
Foto: Vodafone Deutschland
Vodafone Deutschland hat noch eine Menge ungelöster Probleme: Ein Koaxkabel-TV-Netz, das erst nach aufwendigen Umbauarbeiten für die gestiegene Kundennachfrage halbwegs in Frage kam und trotzdem reißen die Klagen nicht ab, wenn das Internet zur Hauptsendezeit fürs Fernsehen zu ruckeln beginnt. Und das neue TKG erlaubt bald vielen Mietern, aus ihrem Zwangskabel-TV-Vertrag auszusteigen und den Anbieter zu wechseln. Das wird Vodafone sicher spüren.
Zu viele weiße Flecken im Mobilfunk
Im Mobilfunk leidet Vodafone an einem regional mehr als lückenhaften Netzausbau. Es müssten viel mehr weiße Flecken (wo absolut kein Netz ist) gestopft werden. Doch das würde wohl empfindlich viel Geld kosten, was die englische Zentrale dringend selbst braucht, um Finanzlöcher in Indien, Spanien, Italien oder anderswo zu stopfen - und die Shareholder zu befriedigen.
Wer traut sich noch in einen Shop?
Dann ist das Problem der Vodafone-Partner-Agentur-Shops nicht gelöst, die unter extremen Druck nach "Wachstum-Wachstum" kreative Energien entwickelt haben, um ahnungslose Kunden "überzuberaten" und mit zig Mobilfunkverträgen, Kabel-TV-Angeboten, Internet-TV und vielem mehr zu "versorgen", was die gar nicht brauchen, wollen oder gar verstehen. Das fand und findet teilweise "am Rande des guten Geschmacks" statt. Gut informierte Kritiker rechnen schon länger detailliert vor, wie viel Geld dabei verbrannt wurde, was in der Bilanz eigentlich dringend gebraucht würde.
Händlerprovision: Generalreform erforderlich
Eine wirksame Lösung würde eine Generalreform des langjährigen Provisions- und Abrechnungsmodells erfordern, was zumindest kurzfristig zu Umsatzrückgängen führen könnte. Viele Mono-Marken-Shops haben schon für immer geschlossen, weil der Markt eigentlich mehr als gesättigt ist, bzw. weniger echte Neukunden bietet, sondern viele Altkunden, die Hilfe bei bereits verkauften Produkten suchen. Nur wer zahlt die reine Beratung dem Shop-Inhaber?
Verträge und Tarife entrümpeln
Eigentlich wäre dringend eine Tarifreform angesagt, um die durch zig Rabatte und Sonderkonditionen völlig überlasteten Computer-Systeme (“KIAS“) wieder frisch aufzubauen oder zu modernisieren. Von einer durchgängig einmonatigen Kündigungsfrist für alle Verträge, womit verlorenes Vertrauen wieder aufgebaut werden könnte, will ich gar nicht reden.
Hakelige Kunden-Schnittstellen und Apps
Triviale Dinge, wie die Kunden-Online-Tools oder Apps, womit Kunden ihren Tarif oder Vertrag eigentlich selbständig verwalten könnten, enthalten immer wieder Bugs, die dann die nach Ost-Europa oder nach Kairo (in Ägypten, Afrika) ausgelagerten Hotlines beschäftigen und für erneuten Kundenfrust sorgen.
Rückkehr der Technik-Hoheit?
Die ursprünglich für Deutschland zuständige Technik-Abteilung wurde im Laufe der Zeit immer mehr nach England und in ferne Länder ausgelagert. Der letzte, in der Branche geschätzte Technik-Chef ist geflüchtet. Auch seine Vorgänger bekamen unter wenig schönen Umständen ihre Hüte gereicht. Interessiert die Netzplaner in Newbury, wenn in Falken-Gesäß (ein winzig kleiner Ort im Bundesland Hessen) absolut gar kein Vodafone-Empfang ist? Sicher nicht, denn auch im heimatlichen England soll es wohl noch weitaus mehr und großflächigere Funklöcher geben.
Bleibt also die Frage, ob der neue Vodafone-Deutschland-Chef diese Probleme angreifen und lösen kann und darf. Hannes Ametsreiter oder seine Vorgänger Jens Schulte-Bockum oder Friedrich Joussen wüssten dazu sicher einiges zu berichten.
Trotzdem: Ich wünsche dem neuen CEO Philipp Rogge für diese Herkules-Aufgabe viel Glück.