Telekom, Vodafone und o2 wegen Kundenservice abgemahnt
Bevor man einen Fuß in einen Handyshop setzt, sollte man sich daheim überlegen, welches Volumen an Daten und Telefonminuten man monatlich überhaupt benötigt. Nur wer den eigenen Bedarf kennt, könne Angebote und Preise realistisch einschätzen, erklärt die Verbraucherzentrale (VZ) Nordrhein-Westfalen. Bei der Einschätzung und beim Vergleich verschiedener Angebote helfen Produktinformationsblätter, die Shops aushändigen müssen. Sie dürfen aber auch bei Online-Offerten im Internet nicht fehlen. Das Infoblatt zu einem Tarif enthält alle wichtigen Daten und Kosten eines Tarifs, allerdings keine Rabatte und Zusatzoptionen.
Nicht ohne Zusammenfassung
Der Abschluss oder die Verlängerung eines Handyvertrages will gut überlegt und vorbereitet sein. Es gelten neue Vorschriften
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Bevor der Vertrag unterschrieben wird, müssen Kunden deshalb eine Vertragszusammenfassung (Jargon: VVI = Vorvertragsinformationen) erhalten, entweder digital (also per E-Mail) oder in Papierform. So ist es seit dem 1. Dezember 2021 gesetzlich geregelt. Darin müssen nicht nur die Kontaktdaten des Mobilfunkanbieters und wesentliche Merkmale der einzelnen zu erbringenden Dienste stehen.
Auch etwaige Aktivierungsgebühren und die Laufzeit sowie Bedingungen für Verlängerung und Kündigung müssen darin zu finden sein. An dieser Stelle sollte man auch genau prüfen, ob mündliche Zusagen aus dem Verkaufsgespräch exakt in der Zusammenfassung wiederzufinden sind.
Kaum ein Shop rückt sie raus
Doch diese Zusammenfassung ist gar nicht so leicht zu bekommen. Zum Weltverbrauchertag (15. März) hat die Verbraucherzentrale stichprobenartig 198 Mobilfunkgeschäfte in Nordrhein-Westfalen besucht. Ernüchterndes Ergebnis: In nur 6 Shops wurde die gesetzlich geforderte Vertragszusammenfassung ausgehändigt. Mehrere Telekommunikationsunternehmen seien danach abgemahnt worden.
Vor der Unterschrift alles genau durchlesen und verstehen
Die Zusammenfassung ist aber nicht alles. Vor der Zustimmung zu einem Vertrag sollten Interessenten alle für den Kontrakt wichtigen Unterlagen zur Kenntnis nehmen können, raten die Verbraucherschützer. Dazu gehörten neben der Vertragszusammenfassung und dem Vertragsformular auch noch die Leistungsbeschreibung, das Preisverzeichnis, die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie das bereits erwähnte Produktinformationsblatt.
Verbraucherzentrale mahnt Telekomanbieter wegen mangelhafter Beratung ab
Wegen schlechter Beratung und Verstößen gegen Informationspflichten in Telefonläden hat die Verbraucherzentrale NRW die drei großen Anbieter Telekom, Vodafone und Telefónica (o2) abgemahnt. Die Unternehmen müssten zusichern, ihre Praxis beziehungsweise die ihrer Franchise-Nehmer zu ändern. Sonst könnten die Verbraucherschützer vor Gericht hohe Strafen erstreiten, sagte der NRW-Landesvorsitzende der Verbraucherzentrale, Wolfgang Schuldzinski. Sprecher von Vodafone und Telefónica (o2) wiesen die Vorwürfe zurück. Die Deutsche Telekom reagierte nach Angaben der Deutschen Presseagentur (dpa) zunächst nicht auf die Kritik.
Konkret geht es unter anderem um die im Dezember eingeführte Verpflichtung der Telefonberater, ihr Angebot dem Kunden vor der Unterschrift vollständig schriftlich zusammengefasst vorzulegen. Damit soll verhindert werden, dass Kunden im Tarifwirrwarr den Überblick verlieren und ihnen unnötige oder zu teure Leistungen verkauft werden. Ein ausführliches schriftliches Angebot erleichtere auch den Preisvergleich, sagte Schuldzinski.
Berater lustlos und überfordert
Bisher halte sich aber so gut wie kein Berater an diese Dokumentationspflicht: Bei einer Stichprobe in 198 Telefonläden in ganz NRW im Januar habe ein einziger von sich aus die gesetzlich vorgeschriebene Zusammenfassung des Angebots vorgelegt, fünf weitere noch auf ausdrückliche Nachfrage - die anderen nicht, beklagte der Verbraucherschützer.
o2: Mitarbeiter sind geschult
Ein Telefónica-Sprecher widerspricht: Die Mitarbeiter in den o2- und Partner-Telefonläden seien auf die neue Rechtslage geschult worden. Kunden bekämen vor einer Bestellung die vorgeschriebene Vertragszusammenfassung. Das Unternehmen nehme die Kritik aber zum Anlass, "nochmals die eigenen Vertriebsteams und insbesondere Vertriebspartner auf die Abläufe hinzuweisen."
Vodafone: "Legen Wert auf nachhaltiges Geschäft"
„Vodafone legt großen Wert auf ein nachhaltiges Geschäft und eine kompetente Beratung“, erklärte das Unternehmen gegenüber der dpa. Verträge sollten nur dann abgeschlossen werden, wenn der Kunde das Produkt bewusst haben und nutzen wolle.
Auch für das Thema Vertragszusammenfassung gebe es „klare Prozesse und Richtlinien“ in den Vodafone-Läden. „Wir werden uns die Hinweise der Verbraucherzentrale NRW zum Thema Zusammenfassung der Vertragsbestimmungen jedoch noch einmal genau anschauen und gegebenenfalls lokal nachschulen“, erklärte ein Sprecher des in der letzten Zeit wegen mangelhafter Beratung öfters kritisierten Unternehmens.
Verbraucherschützer kritisieren Überberatung
Immer wieder kämen Kunden mit viel zu umfangreichen Verträgen und Zusatzleistungen, die sie gar nicht benötigten, aus den Läden, berichtete die Leiterin der Essener Beratungsstelle, Manuela Duda, aus ihrer Praxis.
Bei monatlichen Vertrags-Kosten von 40 bis 70 Euro und meist 24 Monaten Laufzeit der Verträge stelle das eine echte Armutsfalle dar. Dabei gebe es für Abschlüsse im Laden - anders als bei Verkaufsgesprächen am Telefon - kein Widerrufsrecht.
Widerrufsrecht für Laden-Verträge gefordert
Ein solches Widerrufsrecht müsse auch für Abschlüsse im Laden eingeführt werden, forderte Schuldzinski. Duda und Schuldzinski rieten den Verbrauchern, Verträge in den Filialen auf keinen Fall auf den Tablet-PCs der Vertreter zu unterschreiben. Dann verliere man den Überblick über die Regelungen. Kunden sollten sich das Angebot komplett ausdrucken lassen und zu Hause in Ruhe studieren.
Vertrag im Laden: Späterer Widerruf ist schwer bis unmöglich
Aktuell haben in einem Shop abgeschlossene Telekommunikationsverträge einen schwerwiegenden Nachteil: Sie können in der Regel nicht im Nachhinein widerrufen werden. Dies ist binnen 14 Tagen nur bei Verträgen möglich, die im Internet oder am Telefon abgeschlossen worden sind.
Theoretisch Anfechtung möglich
Zwar können Verbraucher einen Shop-Vertrag anfechten, außerordentlich kündigen oder Schadenersatz fordern, wenn sie begründete Zweifel daran haben, dass er rechtmäßig zustande gekommen ist. Ein Beispiel wäre, weil arglistig getäuscht wurde. Auch wer im Nachhinein feststellt, dass versprochene Leistungen nicht erbracht werden, sollte rechtliche Möglichkeiten prüfen lassen. Das muss aber beweisbar sein, also am besten einen Zeugen mit in den Laden mitnehmen und sich notfalls anwaltlicher Hilfe versichern.
Neue Freiheit nach Mindestlaufzeit
Aber auch bei grundsätzlicher Unzufriedenheit mit den regulären Tarifkonditionen, haben Verbraucher seit Dezember 2021 bessere Karten, sprich verbesserte Kündigungsbedingungen. Neuverträge dürfen zwar nach wie vor für bis zu 24 Monate abgeschlossen werden. Nach Ablauf der Mindestvertragslaufzeit können sie jedoch jederzeit mit einer einmonatigen Frist gekündigt werden, erklärt die Verbraucherzentrale.
Die automatische Verlängerung um ein weiteres Jahr, wie sie bis Ende 2021 gang und gäbe war, ist nicht mehr zulässig. Diese Regelung gilt übrigens auch für Altverträge, also für Verträge, die vor dem 1. Dezember 2021 abgeschlossen worden sind.
Vorsicht bei Vertragsverlängerung
Doch was sich einfach anhört, ist es in der Praxis nicht unbedingt. Die Verkaufsabteilungen der Service-Provider und Netzbetreiber bieten ihren Kunden gerne ein neues günstiges Handy oder eine Vertragsverlängerung an. Und die ist dann wie der Abschluss eines Neuvertrages: Der Kunde ist erneut 24 Monate daran gebunden. Wo die Konditionen stimmen, muss das kein Nachteil sein. Man sollte es aber vorher wissen und berücksichtigen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Eine VVI kann leicht 50 oder mehr Seiten umfassen. Die Shopbetreiber müssen Drucker und Papier selbst stellen (und bezahlen) und die Abschlussquote pro Beratung dürfte niedrig sein. Kein Wunder, dass die Berater so zurückhaltend sind. Es muss aber gar kein Ausdruck sein, es geht auch viel umweltschonender per E-Mail. Diese E-Mail kann man zu Hause in Ruhe durchlesen und sich Notizen machen, wenn etwas unklar ist.
Denkbar wäre auch, dass der Shop-Betreiber künftig einen QR-Code oder Internetlink dem Kunden mitgibt, worin das individuelle Angebot hinterlegt ist. Erst wenn es dann wirklich zum "Schwur" kommen sollte, könnte ein Ausdruck, den auch der Händler auch richtig altmodisch abstempeln und unterschreiben sollte, sinnvoll sein. All diese Unterlagen unbedingt zu Hause aufheben.
Eins wird immer klarer: Die von der Branche damals heftig bekämpfte generelle Kündigungsfrist bereits 1 Monat nach Vertragsabschluss hätte es beiden Seiten wesentlich einfacher gemacht. Vielleicht kommt sie am Ende doch noch. Denn: Zufriedene Kunden kündigen gar nicht, sondern sind zufrieden. Unzufriedene Kunden machen ihrem Ärger überall Luft und kosten am Ende mehr.
Das neue Gesetz wurde aufgrund dieser und ähnlicher Vorfälle verschärft.