Sparen

Vodafone Deutschland: 10 Prozent Jobs weniger?

Bei Voda­fone Deutsch­land läuft es auch nicht mehr rund. Der neue Chef muss wohl 1600 Stel­len­inhaber verab­schieden.
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Seit Juli 2022 ist der ehema­lige Micro­soft Manager Phil­ippe Rogge neuer Chef von Voda­fone Deutsch­land und bisher in der Öffent­lich­keit kaum aufge­treten. Rogge hat keinen einfa­chen Job: Er soll bei Voda­fone Deutsch­land "aufräumen" und möglichst sofort die Geschäfts-Zahlen verbes­sern. Wenn es nicht gelingt, die Anzahl und die monat­liche Spen­dier­freu­dig­keit der Kunden zu stei­gern, muss am Personal gespart werden.

Zeitung: Jeder 10. Job in Gefahr?

Wie die gewöhn­lich gut infor­mierte Tages­zei­tung Rhei­nische Post meldet, könnte es in Düssel­dorf jetzt ziem­lich "eng" werden. Jeder zehnte Job könnte gestri­chen werden, in Zahlen betreffe das etwa 1600 Menschen. Das Unter­nehmen habe diese Über­legungen nicht demen­tiert.

Sozial verträg­liche Lösungen

Der neue Voda­fone-Deutsch­land CEO und seine Perso­nal­chefin Feli­citas von Kyaw sollen gegen­über Voda­fone-Mitar­bei­tern schon münd­lich ange­kün­digt haben, was sie vorhaben. Man habe schon „vor knapp einem Jahr damit begonnen, unsere Kosten­struktur genauer anzu­schauen“, berichtet die Zeitung weiter. Es solle Geld einge­spart werden, "wo es nicht unbe­dingt nötig" ist.

Die Orga­nisa­tion solle "zukunfts­fähig" aufge­stellt werden, aber: "Abschlie­ßende Planungen hierfür liegen derzeit noch nicht vor.“ Ein Voda­fone-Spre­cher bestä­tigte auf Nach­frage, dass "sozi­alver­träg­liche Lösungen" gefunden werden sollen.

Spar­maß­nahmen nicht neu

Die massiven Spar­maß­nahmen im gesamten Voda­fone-Konzern sind nicht neu. Neu hingegen ist das speziell bei Voda­fone Deutsch­land, wo das lang­jäh­rige Stamm­geschäft mit Mobil­funk und insbe­son­dere den für mehr als 20 Milli­arden Euro teuer einge­kauften Kabel-TV-Netzen nicht mehr so erfolg­reich läuft, wie erhofft. Die Rhei­nische Post hat dazu den teltarif.de-Gast­autor Torsten J. Gerpott, Wirt­schafts­pro­fessor aus Duis­burg, befragt: „Der Gegen­wind ist gewaltig“.

Dass Voda­fone sparen muss, ist in der Branche kein Geheimnis: Dienst­reisen seien nur noch mit Zustim­mung der Geschäfts­füh­rung erlaubt. Rogge habe auf einer Betriebs­ver­samm­lung vorge­rechnet, dass Kugel­schreiber für 30 Cent völlig ausreichten. Dabei sieht sich Voda­fone in Pres­semit­tei­lungen gerne als "Digi­tali­sie­rungs­kon­zern". Auch Mitbe­werber, die beispiels­weise Voda­fone einen Anten­nen­standort anbieten wollten, oder Lokal­poli­tiker, die Voda­fone zum dich­teren Netz­ausbau aufge­for­dert hatten, seien mit dem Argu­ment "Wir haben kein Geld" beschieden worden.

Daneben gibt es Kurio­sitäten: In Düssel­dorf arbeiten 70 Beschäf­tigte, die formal zur Voda­fone-Group in London gehören. Man wolle möglichst Kollegen davon über­nehmen. Denn in der Londoner Zentrale von Voda­fone sollen rund 500 Plätze (einschließ­lich der 70 Stellen in Düssel­dorf) gestri­chen werden.

Mobil­funk und Fest­netz laufen nicht rund

Nicht erst seit gestern ist bekannt, dass es bei Voda­fone Deutsch­land im Mobil­funk wie auch beim Fest­netz nicht gut läuft. Deren Vorgänger Mannes­mann D2 "Privat" war bei Geschäfts­kunden deut­lich erfolg­rei­cher als der frühere Staats­kon­zern Deut­sche Bundes­post Telekom gewesen. Seitdem das Düssel­dorfer Unter­nehmen vom briti­schen Konzern Voda­fone über­nommen wurde, hat sich das Verhältnis gedreht. Aktuell macht Voda­fone Deutsch­land zu schaffen, dass der Erzri­vale Telekom viel inten­siver in den Netz­ausbau und insbe­son­dere die Funk­technik 5G inves­tiert.

Bei Voda­fone herrscht seit Jahren ein hoher Druck, mehr Umsatz und mehr Kunden­zahlen zu errei­chen, was in den teil­weise von Privat­unter­neh­mern betrieben Shops zu extremer "Über­bera­tung" geführt hat. Ahnungs­lose - oft ältere - Kunden oder Menschen mit geringen deut­schen Sprach­kennt­nissen haben die Läden mit vier bis fünf und mehr Verträgen verlassen. Sie konnten erst mit Hilfe von Verbrau­cher­bera­tungen oder Online­por­talen (wie teltarif.de) von über­zäh­ligen Verträgen "befreit" werden.

Gewis­sen­lose Händler?

Ein bestens infor­mierter Insider bemän­gelt seit Jahren, dass "gewis­sen­lose Händler" das Unter­nehmen Voda­fone mit ergau­nerten Provi­sionen "syste­matisch betrügen". Dies sei möglich, so der Insider, weil die Händler allen Daten­schutz­regeln zum Trotz vollen Zugriff auf die Voda­fone-Kunden­daten­bank hätten und darin ohne Zustim­mung oder Wissen der betrof­fenen Kunden nach Herzens­lust Geräte bestellen oder Optionen buchen könnten. Solche Provi­sionen würden auch nach berech­tigten Rekla­mationen der Kunden und Stor­nie­rung solcher Verträge durch Voda­fone von den betei­ligten Händ­lern nicht zurück­gefor­dert. Voda­fone habe es nach seiner Darstel­lung unter­lassen, dem trotz seiner Hinweise wirksam nach­zugehen.

Service-Umsatz stagniert

Der Service­umsatz von Voda­fone Deutsch­land stagniert bei Mobil­funk seit zwei Jahren bei etwa 1,279 Milli­arden Euro pro Quartal, bei der Telekom stieg dieser Wert in zwei Jahren hingegen um vier Prozent auf 1,624 Milli­arden Euro. Voda­fone begründet die schwa­chen Zahlen mit einer verän­derten Regu­lie­rung. Die Telekom inves­tiere derweil erfolg­reich viel Geld in den Aufbau ihres Images, stellt die Zeitung fest.

Beides hat Folgen. Voda­fone nennt pro Mobil­funk­kunde (Prepaid und Post­paid) einen höheren ARPU (durch­schnitt­licher Umsatz pro Kunde) von 12,40 Euro im Monat, bei der Telekom seien es nur etwa zehn Euro. Doch Voda­fone zählt nur etwa 19,03 Millionen Post­paid-Kunden, die Telekom hat hinge­gegen 23,5 Millionen Vertrags­kunden mit etwa 20 Euro ARPU im Bestand. Das bedeutet: „Die Telekom punktet bei den Vertrags­kunden mit höheren Umsätzen beson­ders gut“, stellt Wirt­schafts­pro­fessor Gerpott fest. „Es hat Voda­fone wenig gebracht, sich als Gigabit-Unter­nehmen und damit als beson­ders fort­schritt­lich zu präsen­tieren.“

Kabel­netze: Chancen verpasst

Läuft der Mobil­funk bei Voda­fone schon nicht optimal, sieht es bei den bundes­weiten aber nur regional verfüg­baren Kabel-TV-Netzen noch schlimmer aus. Voda­fone hatte die Chance verpasst, einen Groß­teil der ehema­ligen Bundes­post-Kabel-Netze für "nur" zwei Milli­arden Euro zu kaufen, wie es der dama­lige Deutsch­land-Chef Fritz Joussen vorge­schlagen hatte. Joussen bekam ein "No" von der Londonder Zentrale und wech­selte frus­triert zum Touris­mus­unter­nehmen TUI. Dort hat er seinen Vertrag nicht mehr verlän­gert und berät nebenher den neuen Mobil­funk-Wett­bewerber 1&1.

Dann musste Voda­fone mehr als 20 Milli­arden Euro für die ehema­ligen Post-Unter­nehmen Kabel-Deutsch­land und Unity­media bezahlen, in der verzwei­felten Hoff­nung ein bundes­weites, eigenes Netz als Alter­native zum Netz der Telekom-Netz aufbauen zu können. Doch die zuge­kaufte Koax­kabel-Technik ist teil­weise alt und stör­anfällig, viele Kunden suchen nach Alter­nativen und kündigen bei Voda­fone. Hinzu­kommt das wegfal­lende Neben­kos­ten­pri­vileg, was Mietern die Kosten von TV-Kabel­anlagen über die Miete aufer­legte, auch wenn sie den Kabel-TV-Anschluss niemals nutzten oder es gar nicht wussten. Damit brechen Voda­fone in Zukunft wich­tige Einnahmen weg. Die Telekom freut sich darauf, ehema­lige Kabel-TV-Kunden künftig selbst zu belie­fern, sei es über das klas­sische Kupfer­kabel oder künftig über neu verlegte Glas­fasern.

Telekom vermarktet erfolg­rei­cher

Schon heute kann die Telekom auf ihren etwa 40 Millionen Fest­netz­anschlüssen zu mehr als 60 Prozent schnelle Online-Anschlüsse verkaufen, was in Summe 25,1 Millionen DSL-Anschlüsse bedeutet. Bei Voda­fone ließen sich auf den rund 25 Millionen Kabel-TV-Anschlüssen nur 9,2 Millionen schnelle Daten­anschlüsse vermarkten, in Zahlen nur knapp 37 Prozent.

Zukunft liegt in der Glas­faser ins Haus

Allen ist klar: Die Zukunft des Netz­aus­baus liegt in der Glas­faser bis in die Wohnung hinein (FTTH). Dort kommt Voda­fone auch nicht richtig weiter. Die Telekom hat bis zu drei Millionen neue Anschlüsse pro Jahr ange­kün­digt. Voda­fone musste sich erst mit einem Investor verbünden und die Haus­ver­wal­tungen über­reden, umbauen zu dürfen. „Die großen Wachs­tums­hoff­nungen von Voda­fone mit den Kabel-Netzen haben sich nicht erfüllt“, erklärt Prof. Gerpott. „Umso ärger­licher, wenn sie nun auch noch durch Glas­faser der Konkur­renten unter Druck kommen.“ Neben der Telekom sind die Deut­sche Glas­faser, EWE auch viele neue bislang kaum bekannt gewor­dene regio­nale Unter­nehmen im Markt aktiv.

Option: Shops schließen?

In Spanien hat Voda­fone die aller­meisten Shops geschlossen, geblieben sind oft nur noch private marken­unab­hän­gige Shops oder der Verkauf über das Internet. Wo es keine Shops mehr gibt, werden die Hotlines gut zu tun haben. In Deutsch­land wurde versucht, bestimmte Service-Funk­tionen auf Part­ner­shops zu über­tragen, um die Hotlines zu entlasten.

Aller­dings ist das zunächst ein Kosten­faktor, der sich nicht unmit­telbar im Betriebs­ergebnis nieder­schlägt und damit als erstes auf der Streich­liste stehen wird. Die Telekom hingegen macht ihre "Kunden zu Fans" und hat damit trotz höherer Preise wohl Erfolg.

Erst­malig können auch Service-Provider im Voda­fone-Netz eigene 5G-Tarife anbieten.

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