Editorial: Wir brauchen eine neue Bundesnetzagentur
Die "Hüterin des Wettbewerbs" wurde die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post nach ihrer Gründung seinerzeit genannt. Inzwischen heißt die Staatsbehörde Bundesnetzagentur - und ihr Aufgabenbereich sowie ihr Kompetenzbereich wurden in den vergangenen Jahren stark erweitert.
Viele Verbraucher gehen - beispielsweise im Bereich der Telekommunikation - fest davon aus, dass die Behörde grundsätzlich auf ihrer Seite zu sein hat, sich immer für die Rechte der Bürger stark machen muss, und "bösen" TK-Firmen, die sich nicht an Recht und Gesetz halten oder die Gesetze "kreativ" auslegen, auf die Finger klopft.
Doch das ist ein Irrtum - in den vergangenen Wochen tut sich die BNetzA bei zahlreichen Verbraucherthemen zunehmend schwer damit, klar Stellung zu Gunsten der Verbraucher zu beziehen. Das darf so nicht bleiben.
Preisminderung bei lahmem Internet? Weggeduckt!
Mehr Verbraucherschutz bei der Bundesnetzagentur durch Klaus Müller?
Bild: BNetzA/Christian Nemitz
teltarif.de beobachtet nun schon zum wiederholten Mal, dass die Bundesnetzagentur bei Anfragen, in denen es um die klare Durchsetzung von verbrieften Verbraucherrechten geht, regelrecht herumeiert und sich juristisch nicht festlegen möchte.
Ein Beispiel ist - wie berichtet - das Thema Verbraucherrechte bei einem zu langsamem Internet-Anschluss. Seit der im Dezember wirksam gewordenen TKG-Neuregelung gibt es klare Vorgaben im Gesetz, nach denen ein betroffener Verbraucher bei einem zu lahmen Anschluss entweder sofort kündigen oder nach einem festgesetzten Schlüssel den Preis mindern kann. Doch die Bundesnetzagentur setzte die Hürden für eine gültige Messung fast unerreichbar hoch und verzichtet in den Messprotokollen auch noch darauf, einen klaren Wert für die Preisminderung anzugeben.
Gegenüber teltarif.de sagt die Behörde dazu lakonisch: Der Provider bestimmt eben Höhe der Minderung. Auf der Grundlage der unterschiedlichen Verhaltensweisen der einzelnen Unternehmen würden sich hier im Laufe der nächsten Zeit sicherlich "Mindeststandards herauskristallisieren" - doch weil genau das schon seit Jahren eben nicht geschehen ist, hatte der Gesetzgeber ja das TKG verschärft und eine klare Preisminderungsregel eingeführt. Doch die Behörde duckt sich weg.
Verträge mit drei Monaten Kündigungsfrist erlaubt? Weggeduckt!
Nach der Einführung der neuen TKG-Regeln insbesondere zur Kündigungsfrist von Verbraucherverträgen dauerte es nicht lange, bis es sich herausstellte, dass Provider ihren Kunden jetzt teilweise die Kündigung erschweren. Drillisch beispielsweise fiel durch eine "kreative" Auslegung der Rechtslage auf: Bei alten Verträgen ohne Mindestlaufzeit und mit dreimonatiger Kündigungsfrist pocht Drillisch entgegen der neuen TKG-Regelung auf diese dreimonatige Kündigungsfrist, obwohl das TKG nach Ablauf der Mindestlaufzeit eine maximal einmonatige Frist vorsieht.
Drillisch beruft sich dabei auf das BGB, nach dem eine dreimonatige Kündigungsfrist zulässig ist, wenn der Vertrag weder eine ablaufende anfängliche Mindestvertragslaufzeit noch eine stillschweigende Verlängerung im Falle der Nichtkündigung vorsieht. Daher falle dieser Vertrag auch nicht unter das TKG. Der Gesetzgeber habe im Rahmen der TKG-Novellierung "diese (Alt-)Vertragsform nicht berücksichtigt".
Und was sagt die BNetzA dazu? Sie duckt sich erneut weg, scheut eine klare juristische Stellungnahme und empfiehlt den Betroffenen allen Ernstes, in der Sache vor Gericht zu ziehen. Gehts noch?
Jochen Homanns Versuche
An Ambitionen, mehr im Bereich des Verbraucherschutzes tätig zu werden, hat es der Bundesnetzagentur während der Amtszeit von Jochen Homann übrigens nicht gemangelt. Gerade Jochen Homann hat sich bei dem Versuch, die BNetzA mehr als Verbraucherschutzbehörde zu etablieren, allerdings manch eine blutige Nase geholt.
Unter seiner Ägide ging die BNetzA vermehrt gegen illegale Telefonwerbung und Fax-Spam vor. Dabei scheute Homann zunächst nicht davor zurück, die betreffenden Firmen, die sich nicht an Recht und Gesetz gehalten hatten, öffentlich (wie bei einem Pranger) zu benennen. Doch die betroffenen Firmen schlugen zurück, zogen vor Gericht - und gewannen: Diese "Anprangerung" wurde in der Urteilsbegründung ausdrücklich als unzulässig erachtet, weil der BNetzA hierzu die gesetzliche Grundlage fehle. Außerdem befürchteten die Firmen dadurch natürlich eine "Geschäftsschädigung".
Die Bundesnetzagentur hatte behauptet, dass das Cellcenter Telefonwerbung im Auftrag zweier bestimmter Unternehmen betrieben und dabei auch Kunden angerufen hätten, die der Telefonwerbung nicht zugestimmt hätten oder ihre Zustimmung widerrufen haben. Zudem seien den Angerufenen nach dem Telefonat kostenpflichtige Zusatzdienstleistungen untergeschoben und berechnet worden. Doch das Gericht urteilte: Es gibt keine gesetzliche Grundlage für die Namensnennung.
Angesichts all dieser Vorkommnisse müssen wir uns fragen: Was hat diese letztgenannte Geschichte aus der Bundesnetzagentur gemacht? Einen zahnlosen Tiger, der vielleicht gerade noch die Bitstrom-Entgelte und die Höhe der Miete für die "letzte Meile" regulieren darf? Das wäre fatal.
Notfalls muss der Gesetzgeber ran
In so gut wie allen Statements seither nimmt sich die Bundesnetzagentur bei allen Fragen, die das Vertragsverhältnis zwischen Provider und Kunde betreffen, so stark zurück und verweist auf "zivilrechtliche Schritte" (was bedeutet: der Verbraucher muss sein Recht selbst einklagen!), dass es fast den Anschein hat, die Behörde würde die Verbraucher regelrecht im Regen stehen lassen.
Immerhin ist nun seit März mit Klaus Müller ein waschechter Verbraucherschützer neuer BNetzA-Chef geworden. Ob damit Missstände wie oben beschrieben sofort abgeschafft werden, bleibt aber zweifelhaft. Denn wenn es tatsächlich so ist, dass der BNetzA die gesetzliche Grundlage dazu fehlt, sich eindeutig auf der Seite des Verbrauchers zu positionieren und Firmen mit unseriösen Machenschaften das Handwerk zu legen und dies öffentlich zu benennen: Dann muss der Gesetzgeber ran und genau dafür die rechtliche Grundlage schaffen - und zwar schleunigst!