Editorial: Wer zahlt?
Streamingdienste verstopfen die Netze
Fotos: Amazon, Screenshot: teltarif.de
Die Diskussion ist so alt wie das Internet: Wer zahlt dafür, dass
Inhalte vom Server zum Nutzer kommen? Nun, die Antwort lautet eigentlich
seit Anbeginn: Die schwächsten - und das sind nun mal die Endnutzer -
zahlen in Summe gesehen am meisten. Die Inhalteanbieter zahlen nur
Miete und Strom für die von ihnen verwendeten Server, aber
vergleichsweise geringe Traffic-Kosten. Zwar verlangen einige
Cloud-Anbieter, allen voran der weltweit führende Anbieter AWS (Amazon
Web Services), sehr hohe Entgelte für Daten-Traffic. Diese landen
jedoch überwiegend in den Taschen der Cloud-Anbieter. Nur ein kleiner
Teil davon wird tatsächlich an die Telekommunikationsanbieter
weitergereicht.
Es ist aber nicht nur das kapitalistische Prinzip, sich das Geld dort zu holen, wo man den geringsten Widerstand spürt, warum die Endnutzer in Summe am meisten zahlen. Es gibt auch ein wirtschaftliches Argument dafür: In modernen Telekommunikationsnetzen entstehen die meisten Kosten auf der letzten Meile. Das Backbone, an das die Server der Inhalteanbieter angeschlossen sind, ist zwar ebenfalls alles andere als billig, aber in Summe eben doch deutlich günstiger als der Betrieb von Abermillionen Hausanschlüssen oder Zehntausenden von Mobilfunk-Basisstationen.
Andererseits gilt aber auch: Ein erheblicher Teil der Kosten im Verteilnetz ist proportional zum Traffic. Je mehr Netflix oder Youtube die User schauen oder je mehr Daten sie in die Cloud synchronisieren, desto stärker werden die Netze belastet. Da jedoch die User zumindest im Festnetz meist per Flatrate abgerechnet werden, gilt faktisch: Die Normal- und Wenignutzer subventionieren indirekt die Poweruser. Wäre es daher nicht gerecht, Netflix, Youtube und die Cloudanbieter an den Transferkosten zu beteiligen? Die Netzbetreiber fordern es aktuell erneut.
Schwierige Abrechnung
Streamingdienste verstopfen die Netze
Fotos: Amazon, Screenshot: teltarif.de
Nun, das Problem ist, dass die Traffic-Kosten stark vom Typ und
der konkreten Struktur des jeweiligen Endkundennetzes abhängen. Traffic
im Festnetz ist immer noch viel günstiger als im Mobilnetz. Legt man die
von den Inhalteanbietern zu zahlenden
Traffic-Entgelte auf Festnetz-Niveau fest, dann
reicht es für die Mobilnutzer weiterhin vorne und hinten nicht. Legt man
die Traffic-Entgelte auf Mobilfunk-Niveau fest, werden damit die
Festnetze subventioniert. Bestimmen sich die Entgelte in Abhängigkeit
vom Netz des jeweiligen Nutzers, müssten die Inhalteanbieter die Kosten
netzabhängig weiterreichen. Netflix für die Nutzung am Smartphone wäre
dann deutlich teurer als Netflix für den DSL- oder Glasfaseranschluss.
Und für besondere Situationen - beispielsweise Netflix auf dem
Roaming-Handy innerhalb oder außerhalb der EU - müsste es eigentlich
noch viele weitere "Netflix-Tarife" geben. Und das Premium-Abo von
Netflix, das von bis zu vier Familienmitgliedern gleichzeitig genutzt
werden kann, würden endgültig ad absurdum führen.
Ja, es ist schade für die Netzbetreiber, dass sie von den traumhaften Renditen, die Google, Facebook, Netflix und Co. mit den Inhalten bzw. der Vermittlung des Zugangs zu denselben verdienen, nichts abbekommen. Nur: Die Vermieter, in deren Räumen die tollen Inhalte (überwiegend) genossen werden, bekommen auch kein Geld von den Inhalteanbietern. Dabei steigt ja die Abnutzung der Wohnung, wenn die Leute zu Hause bleiben und Netflix schauen, statt ins Kino zu gehen. Und auch die Hersteller von Fernsehern haben das Problem, dass sie ihre Geräte umso mehr auf Dauerbetrieb auslegen müssen, je mehr gute Inhalte Netflix und Co. für diese bereitstellen. Insbesondere OLED-Fernseher wären viel günstiger, wenn diese nicht auf eine so hohe Betriebsstundenzahl ausgelegt wären. Warum sollte also Netflix nicht auch für OLED-Fernseher zahlen? Dieselbe Logik könnte man wahrscheinlich am Ende sogar für Fernsehsessel anwenden.
Dabei gilt zweifellos auch die umgekehrte Beziehung: Je mehr Zeit die Leute in der Wohnung mit Netflix und Youtube verbringen, desto mehr sind sie bereit, auch für den Internetanschluss, die Miete, neue Fernseher oder Fernsehsessel auszugeben. Die Nutzer verstehen schon, dass man mit dem Netflix-Abo nur die Inhalte bezahlt, und sie die Übertragung derselben extra kostet, ebenso, wie die Einrichtung eines schönen Ambientes zu Hause zum Filmeschauen. Und das spricht dafür, die bestehende Kostenteilung beizubehalten: Die Verbraucher zahlen direkt an die Inhalteanbieter für die Inhalte, direkt an die Netzbetreiber für den Zugang zu den Inhalten und direkt an die Möbelhersteller für die Fernsehsessel. Mit einem billigen Mobilfunktarif kann man Netflix und Youtube nur mit zeitlicher Einschränkung und limitierter Auflösung schauen. Wer mehr will, muss einen besseren Tarif wählen. Auf diesem Weg partizipieren auch die Netzbetreiber am Netflix-Boom.