Editorial: Huawei - Technik vs. Politik
Der Technologie-Lieferant Huawei ist aktuell auf Welt-Tournee, zuletzt unter anderem in Paris. In Gesprächen mit TK-Industrie-Vertretern, Netzbetreibern und Verantwortlichen des Gastgebers wird klar: Huawei hat für fast alle Probleme der digitalen Kommunikation und Vernetzung eine Lösung. Doch es gibt eine politische Komponente, die Sorgen bereitet.
Wie "sicher" ist Huawei?
Huawei skizziert die Zukunft mit 5,5G und hat für jedes Detail eine Lösung. Doch welche Rolle spielt die Politik?
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
In Europa gilt Huawei bei der Politik mindestens als "problematisch". Australien schließt sämtliche Technik aus China kategorisch aus. Für 4G/5G-Netze darf Huawei - je nach Land - noch Sendeanlagen (RAN) liefern, aus dem Core (Vermittlungskern mit Kundendatenbanken) müssen sie draußen bleiben. Die Deutsche Telekom setzt neuerdings im 5G-Kern auf den Amerikaner Mavenir, andere auf die Europäer wie Ericsson oder Nokia beispielsweise.
Ist Open RAN eine Lösung?
Westliche Netzbetreiber hoffen auf Open RAN. Die Idee ist, viele Netzfunktionen auf altbewährten X86-Prozessoren laufen zu lassen und möglichst viel mit Software zu "erschlagen", aber das erfordert penible Tests, ob die Komponenten zusammenpassen, das tun, was sie sollen und ob sie sicher gegen Angriffe von außen sind.
Huawei setzt hingegen auf Single-RAN, mit speziell dafür entwickelten sehr schnellen Signal-Prozessoren, und "schmunzelt" über das Open-RAN-Konzept, das noch lange nicht marktreif zu sein scheint. Single-RAN funktioniert sehr gut, nur der Netzbetreiber muss dann die Signal-Aufbereitung und die Sendeendstufen beim gleichen Lieferanten kaufen.
Und das Klima?
Politik hin, Sicherheit her: Die Themen Klima, Umwelt, Nachhaltigkeit und so weiter können nur mit allerneuster hochleistungsfähiger Technik gelöst werden. Die Datenmengen steigen ins Unermessliche. Mit der heute schon verbauten Technik würde der Stromverbrauch in untragbare Dimensionen steigen. Die Kunst der Ingenieure ist es also, den Stromverbrauch trotz größerer Datenmengen wenigstens gleich zu belassen oder noch besser insgesamt zu senken.
Huawei zeigt Lösungen und Vorschläge auf, die so oder ähnlich früher oder später auch bei den Mitbewerbern lieferbar sein sollten, vielleicht aber auch nicht.
Hohe Qualität - günstiger Preis
Spricht man mit europäischen Netzbetreibern, so wird einem klar gesagt, dass die Produkte von Huawei eine hohe Qualität zu einem enorm günstigen Preis bieten. Man möchte darauf ungern verzichten, hat aber neben Huawei auch bereits andere Lieferanten einbezogen, um im Falle eines Falles flexibler und sicherer sein zu können.
Huawei-Vertreter sind stolz darauf, als privates Unternehmen in China erfolgreicher als die teil- oder ganzstaatliche Konkurrenzunternehmen aus dem Reich der Mitte zu sein. Aus der aktuellen Politik halte man sich raus und die chinesische Politik mische sich auch nicht in die eigenen Geschäfte ein, wird beteuert.
Die politische Komponente
Chinas Staatsführung leidet unter dem Trauma, dass in der früheren Geschichte verschiedene ausländische Mächte die Geschicke des Landes bestimmen wollten. Das möchte man auf gar keinen Fall wieder haben. Und zu Gesamt-China gehöre nach dort herrschender Lehrmeinung auch die Insel Taiwan. Im Übrigen verbittet sich das politische China überhaupt jegliche Einmischung in "innere Angelegenheiten".
Aus dieser "Angst" heraus wurde dort z.B. eine "goldene Firewall" installiert, in der verzweifelten Hoffnung, gewisse Informationen aus China "fern" halten zu können. Das soziale Verhalten der Bürger wird mit Apps überwacht. Der Schwerpunkt liegt dort auf dem Kollektiv, weniger auf dem Individuum, das widerspricht westlichen Werten enorm.
Komplette Abkopplung?
Nun könnte der Westen sagen, „Good bye, China“, und konsequent alle Beziehungen dorthin einstellen. Das würde bedeuten, günstige Smartphones, Handys, Laptops, Computer, Küchengeräte, Spielzeuge, Bekleidung, Autos und so weiter wären zunächst Geschichte. Nur: Vergleichbare Produktionen in Europa gibt es entweder nicht oder sie wären empfindlich teurer.
Und Amerika?
Amerika ist frustriert, dass die Chinesen so erfolgreich sind. Amerika ist vielleicht auch frustriert, weil es dem Vernehmen nach bei der chinesischen Technik keine Hintertüren gibt, wo neugierige US-Geheimdienste mitlesen oder mithören könnten.
Süffisant weisen chinesische Gesprächspartner darauf hin, dass die Amerikaner Kanzlerin Merkel abgehört hätten, sie jedoch nicht.
US-Regierung schadet Google?
Das Verbot der Nutzung bestimmter Google-Dienste hat Huawei einen schweren Schlag versetzt. Doch langfristig schadet Amerika mit dem Verbot von Google-Diensten in Huawei-Telefonen wohl auch sich selbst. Denn Huawei hat als Reaktion das Betriebssystem Harmony OS entwickelt, das sich noch „in der Startphase“ befindet.
Es sei, so Eingeweihte, durchaus denkbar, dass Harmony OS nicht nur auf Geräten von Huawei, sondern später auch von anderen chinesischen Herstellern ausgeliefert werden könnte. Ist es denkbar, dass die westlichen Kunden Spaß an diesem System finden und schließlich komplett auf Google verzichten, falls Harmony OS günstiger und besser sein sollte? Im Gegenzug würde China mehr „Einblick" in die westliche Nutzerwelt bekommen, was sicher auch nicht jedem Kunden recht sein dürfte.
Es soll einfach nur funktionieren
Viele Kunden möchten heute funktionierende Technik, sich aber mit dem Einrichten, dem Betrieb oder der Fehlersuche nicht beschäftigen. Ergo haben die Systeme Wartungszugänge. Die Techniker des Herstellers müssen die Netze und Systeme des Kunden gut kennen, um helfen zu können. Das ist ja eigentlich normal. Bleibt bei Produkten aus China die drohende Ungewissheit, ob und inwieweit die politische Führung Chinas tatsächlich bereits „mitlauscht“ oder sich diese Option noch offen hält.
Es ist wie mit dem Küchenmesser. Man kann damit Brot schneiden oder schlimmere Dinge tun.
Was tun?
Wir sollten wachsam bleiben, einen Plan B haben und uns nicht alleine auf Technik und Produkte aus China verlassen. Das politische China hat klare Vorstellungen, die mit unseren Werten und Vorstellungen kollidieren. Unsere Politik hat die Aufgabe, das der chinesischen Politik im permanenten Dialog zu vermitteln.
Was können wir an der Basis tun? Wir können uns gründlich informieren und selbst entscheiden, welche Produkte wir wirklich brauchen und kaufen und nutzen. Wir sollten einen Plan B in der Tasche haben. Als leuchtendes Beispiel zeigen, wie eine bessere Welt aussehen kann. Ohne Krieg und Gewalt. Nur, die gibt es nicht zum Nulltarif. Und beim Geld hört für viele der Spaß schnell auf.
Netzbetreiber haben es nicht einfach. Kaum ist neue Technik verbaut, ist sie schon völlig veraltet. Die Datenmengen steigen, die Stromrechnungen auch. Was tun? Ericsson hat ein Konzept für nachhaltige 5G-Netze.