Prognose

ITK-Dienste 2009: Der Tanz um das goldene Kalb

Mobilfunk- und Internet-Anbieter müssen sich von proprietären Welten lösen
Von Björn Brodersen

Vor etwa zehn Jahren bahnten sich zwei noch sehr junge technische Errungenschaften schnell den Weg in den Massenmarkt: das mobile Telefonieren per Handy sowie der schnelle Internetzugang über die Breitband-Leitung. Inzwischen wollen viele Verbraucher auf ihr Mobiltelefon und Highspeed-Internet nicht mehr verzichten. Allerdings ist den Telekommunikationsanbietern nach der erfolgreichen Einführung von Mobiltelefonie und Breitband-Internet kein weiterer vergleichbarer Coup gelungen, und die Nutzung dieser Dienste sieht im Großen und Ganzen eigentlich immer noch so wie vor zehn Jahren aus.

Zurzeit sind trotz aller technischen Möglichkeiten keine neuen Telekommunikationsdienste in Sicht, die der Mobiltelefonie, der SMS oder dem schnellen Internetzugang fürs Surfen im World Wide Web oder Downloads den Rang ablaufen könnten. Das liegt sowohl an der wenig ausgeprägten Kreativität der Produktmanager, die das passende Geschäftsmodell für die vielen Produktideen und neuen Dienste noch nicht gefunden haben, als auch an der mangelnden Bereitschaft der einzelnen Anbieter, einheitliche Standards zu schaffen und die Verbreitung neuer Dienste gemeinsam voranzutreiben, sowie an einer fragwürdigen Preisgestaltung.

Der Fairness halber muss man darauf hinweisen, dass die Ausgangssituation nicht dieselbe wie vor zehn Jahren ist. Statt zwei großer technischer Innovationen (Handy und Breitband) sollen jetzt viele einzelne Dienste zu neuen Umsatzquellen werden, die teilweise zwar im Kommen sind, bislang aber höchstens ein Nischendasein fristen: Dazu zählen etwa im Mobilfunkbereich Surfen, E-Mail, Instant Messaging, legale Musik-Downloads, Navigation, Fernsehen und Bezahldienste sowie im leitungsbasierten Breitband-Internetbereich Fernsehen bzw. Video on Demand, Videostreaming, die klassische Internet-Telefonie (VoIP) oder Videokonferenzen. Dieser Ausgangssituation aber müssen sich die Anbieter stellen, wenn sie diese Dienste möglichst bald in den Massenmarkt überführen und dann kräftig daran verdienen wollen.

Mobile E-Mail eignet sich noch nicht als SMS-Nachfolger

Beispiel mobile E-Mail: Trotz immer zahlreicher vorhandener und einfacher zu bedienender Synchronisations-Lösungen und geeigneter Datenpreise der Mobilfunk-Discounter und Datentarif-Optionen der Netzbetreiber versendet die Mehrzahl der Handy-Besitzer immer noch die beliebten SMS-Mitteilungen, obwohl die Kurznachricht inzwischen die teurere Alternative sein kann. Zum Beispiel kostet der Versand einer SMS im Inland bei simyo 9 Cent, der einer 5 kB großen E-Mail gerade mal 1 Cent.

Die fehlende Akzeptanz der Kunden für die mobile E-Mail hängt unter anderem mit den unterschiedlichen und verbesserungswürdigen Standards der verfügbaren Push- und Pull-Lösungen zusammen, die den Mail-Eingang direkt auf dem Handy signalisieren, wie es etwa bei dem kostenpflichtigen E-Mail-Push-Dienst Blackberry der Fall ist. Erschwerend kommt auch hinzu, dass viele Handys mehr Strom als bei einem Betrieb im GSM-Netz verbrauchen, wenn sie ins GPRS- oder UMTS-Netz eingebucht sind, und die Verwendung von mobiler E-Mail nicht so einfach ist wie die mit SMS.

Die Anbieter sollten hierbei nicht vergessen, dass die mobile E-Mail auch als Katalysator für die allgemeine mobile Internetnutzung per Handy dienen kann. Hilfreich für den Erfolg der mobilen E-Mail wäre es beispielsweise, wenn SMS und E-Mail näher zusammengeführt würden, so dass es für den Nutzer keinen Unterschied macht, ob er eine Kurznachricht oder eine Mail vom Handy versendet - auch in preislicher Hinsicht. Die Provider müssen sich hier auch Gedanken über das Billig machen, schließlich sind es die Nutzer gewöhnt, über Freemail-Dienste kostenlose Nachrichten zu verschicken. Für das Versenden einer mobilen E-Mail wird ein Kunde wahrscheinlich noch bereit sein zu zahlen - für den Empfang einer E-Mails auf dem Handy (durch den Datentraffic) eher nicht.

Die richtige Mischung aus Gratis- und kostenpflichtigen Diensten

Der Hersteller Nokia hat dies erkannt und will mit teilweise kostenlosen (sieht man einmal von den Kosten für den Datentraffic ab) Internet-Diensten wie lokale Suche, Landkarten, Social Network, Push-E-Mail dem Online-Portal Ovi zum Durchbruch verhelfen. Geht die Rechnung der Finnen auf, dann wird ein Teil der Gratisnutzer im Internet auch kostenpflichtige Ovi-Dienste nutzen oder auf Ovi ausgerichtete Nokia-Handys kaufen. Dieses Konzept verfolgen auch Handy-Hersteller wie Apple, Blackberry oder Google/Android in ihren AppStores.

Serviceprovider wie freenet und debitel dagegen berechnen ihren Kunden sogar Monatsentgelte für Instant-Messaging-Dienste, die die Nutzer an anderer Stelle auch gratis aufs Handy laden können. Ähnlich hinderlich auf die Akzeptanz von mobilen Internet-Diensten wirkt es sich aus, wenn die Mobilfunkanbieter in ihren Datentarifpaketen die Nutzung von einzelnen Diensten wie etwa Instant Messaging ausschließen.

Markt für mobile Dienste befindet sich in der Startphase

Der Markt für mobile Dienste befindet sich zumindest in einer Startphase. Leistungsfähigere Smartphones mit intuitiver Benutzerführung wie das Apple iPhone oder die Geräte der Nokia-N-Serie sowie der Ausbau der mobilen Breitband-Anbindungen via UMTS und HSPA sorgen dafür, dass nicht nur die Business- sondern auch die privaten Anwender die neuen Möglichkeiten auf dem Handy für sich entdecken und auch nutzen. Als Beweis dafür dient zum Beispiel die steigende Nutzerzahl des Micro-Blogging-Dienstes Twitter, des Videoportals YouTube und von sozialen Netzwerken. Das führt auch dazu, dass die Nutzer langsam auch mehr Medieninhalte über das Handy bereitstellen oder konsumieren. Spannend wird es zum Beispiel sein, wie sich die Android-Handys auf dem Handy-Markt schlagen und ob sie für neue Anwendungen aus der Entwicklergemeinde sorgen werden.

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