Nur jeder zehnte Neuwagen in Deutschland wird mit DAB+-Option verkauft
Display eines DAB+-Werks-Empfängers im Auto
Bild: BMW
Der Schlüssel zum Erfolg des terrestrischen Digitalradios (DAB+) liegt vor allem im mobilen Bereich, und hier insbesondere in den Fahrzeugen. Jetzt hat der Verband der Automobilindustrie (VDA) erstmals
Zahlen veröffentlicht
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, die jedoch wieder eine kontroverse Diskussion um Erfolg oder Misserfolg von DAB+ auslösen dürften.
Laut VDA steige die Kundennachfrage nach Digitalradio im Auto zwar stetig an. Aktuell würden aber lediglich zehn Prozent aller Neuwagen mit DAB+ ausgeliefert. Geht man von rund drei Millionen verkaufter Neuwagen pro Jahr aus, werden also rund 300 000 mit der Digitalradio-Option bestellt. Ein Manko: DAB/DAB+ gibt es aktuell - mit Ausnahme von wenigen Modellen - nur als Extra-Ausstattung, für die der Kunde zahlen muss. Neun von zehn Autoneukäufer zeigen aktuell kein Interesse daran, ihnen reicht das analoge UKW aus.
DAB+ wird in in der Oberklasse mehr gefragt
Display eines DAB+-Werks-Empfängers im Auto
Bild: BMW
Auf einer länderübergreifenden Fachtagung in Zürich verständigten sich Vertreter der Rundfunkbranche sowie Automobil- und Geräteindustrie daher darauf, nun gemeinsame Strategien zu entwickeln, um die Markteinführung von DAB+ im Auto zu beschleunigen. Dr. Kay Lindemann, Geschäftsführer des VDA, machte dabei deutlich, dass die derzeitige Ausstattungsquote von zehn Prozent aller Neuwagen mit Digitalradio erst ein Anfang sei. "Noch höher ist sie bei Premiumautos. Das ist die typische Migration, die wir auch aus der Sicherheitstechnik kennen, sie beginnt bei der oberen Mittelklasse und bei den Oberklassefahrzeugen und wandert dann in das Volumensegment durch." Lindemann weiter: "Auch die Autohändler berichten, dass die Kunden immer stärker nach Digitalradio fragen."
"Für uns gehört in ein modernes Auto auch die modernste Technik", sagte Peter Blum, Leiter Infotainment bei der Audi AG. "Analoges Radio kann die Kriterien eines modernen Mediums nicht mehr erfüllen und muss von DAB+ abgelöst werden." Audi setze heute auf das Miteinander von IP-basierten Diensten ("Connected Car") und Broadcast-Diensten, wie etwa DAB+. Blum sagte weiter: "Wir brauchen den Paradigmenwechsel, denn wir sind jetzt nicht mehr in der Phase der Einführung, sondern im Rollout in der Breite. Wir müssen nunmehr auf europäischer Ebene den Umzug aller Radioprogramme und die durchgängige Verfügbarkeit der programmbegleitenden Zusatzdienste sicherstellen."
Deutschlandradio will Sendernetz massiv ausbauen lassen
Dr. Willi Steul, Intendant von Deutschlandradio, wies auf den sicherheitsrelevanten Aspekt von Digitalradio hin: "Digitalradio ist mehr als nur knitter- und störungsfreier Empfang von Radioprogrammen, die frei verfügbar und jederzeit verlässlich zu empfangen sind. Insbesondere für sicherheitsrelevante Meldungen wie Falschfahrer- oder Katastrophenschutzmeldungen wird Digitalradio immer wichtiger." Auf dem Meeting stellte das Deutschlandradio sein Wunschszenario beim Ausbau des bundesweiten Multiplexes vor. Demnach würde man gerne bis Ende 2015 rund 70 weitere Sendeanlagen ans Netz nehmen lassen. Bis Ende 2020 sollen es 186, bis Ende 2023 sogar 223 Sendeanlagen werden. Dann würde DAB+ auch in jedem abgelegenen Tal in Deutschland funktionieren. Der weitere Netzausbau hängt allerdings von Verhandlungen mit dem Netzbetreiber Media Broadcast und von dem finanziellen Beitrag der privaten bundesweiten Programmanbieter im Multiplex ab.
Außerdem will das Deutschlandradio den Fehlerschutz seiner Programme im bundesweiten Multiplex erhöhen, so dass selbst in Empfangs-Randgebieten noch ein störungsfreier Empfang gewährleistet ist. Dafür bräuchte der Kölner Sender aber mehr Kapazität, die man medienrechtlich beantragen wolle (etwa die bisherigen CUs des Privatsenders KissFM).
"Ohne DAB+ wird Radio keine Zukunft haben"
Nancy Wayland Bigler, Vizedirektorin des Schweizer Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM), appellierte an die Automobilindustrie, den Migrationsprozess von UKW zu DAB+ aktiv mit zu unterstützen. "Es stellt sich nicht die Frage, ob DAB+ durchstarten wird, sondern wann. Wenn wir die Digitalisierung der Radioverbreitung nicht schaffen, wird das Medium Radio in der heutigen Form keine Zukunft haben." Marco Derighetti von der Geschäftsführung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG SSR) forderte die Autobauer auf, beim Prozess aktiv mitzuwirken um die Menschen von der Nachhaltigkeit von Digitalradio zu überzeugen sowie das Nutzerverhalten der Hörer zu verändern.
Die Signale, die von den Vertretern der Automobilindustrie im Hinblick auf Digitalradio ausgesandt wurden, nehmen die Organisatoren der Fachtagung zum Anlass, einen "Think Tank" zu bilden. Hierdurch würden die Erkenntnisse der Veranstaltung kurzfristig aufgearbeitet, um Grundlagen für ein noch besseres Verständnis der gegenseitigen Positionen zu schaffen. Ziel sei es, dadurch die Digitalradio-Einführung im Fahrzeug künftig noch kundenfreundlicher und marktgerechter zu gestalten.