Verbraucher

Gegen Dark Patterns: Manipulation im Netz erkennen

Viele Webseiten mani­pulieren gezielt Nutzer. Manche sammeln so möglichst viele Daten, andere jubeln Ahnungs­losen ein Bezahlabo unter. Die Tricks sind kreativ, der Rechts­rahmen ist löchrig.
Von dpa /

Zum Verkauf stand ein E-Book, wahl­weise mit Tipps zu Ernäh­rung, Diäten oder Hunde­erzie­hung. Das Angebot klang verlo­ckend: Preis ein Euro plus Versand­kosten. Spätes­tens beim Blick auf den nächsten Konto­auszug kam die Erkenntnis: Hier stimmt etwas nicht. Auf der Abrech­nung war der Preis für ein monat­liches Abo aufge­führt. Ein Abo, das der Kunde nie wollte, beim Kauf aber unwis­sent­lich abge­schlossen hatte.

Der Weg in die Abofalle führte in diesem Fall über das Klein­gedruckte der Webseite, gut versteckt zwischen großen, bunten Flächen und Buttons, die für Ablen­kung sorgten. Der Fall ist ein Beispiel für das, was in der Fach­sprache Dark Patterns genannt wird: Der Versuch, die Entschei­dung eines Verbrau­chers durch psycho­logi­sche Tricks oder mani­pula­tive Desi­gnele­mente zu beein­flussen.

"Es fing an mit Cookie-Bannern."

Beispiele für Dark Patterns Beispiele für Dark Patterns
Bild: picture alliance/dpa/dpa-infografik GmbH/dpa-Themendienst | dpa-infografik GmbH
Bei der Verbrau­cher­zen­trale Rhein­land-Pfalz (VZ RP) gehen immer öfter Beschwerden zu Dark Patterns ein, erzählt Jennifer Kaiser, Refe­rentin für Digi­tales und Verbrau­cher­recht: "Es fing an mit Cookie-Bannern." Nutzer beschwerten sich über die pene­tranten und oft unüber­sicht­lichen Fenster, über die beim Besuch einer neuen Inter­net­seite Daten­schutz­ein­stel­lungen getroffen werden müssen.

Jetzt melden sich vor allem Menschen, die keinen Weg mehr aus der Abofalle finden, sagt Verbrau­cher­schüt­zerin Kaiser. Denn auch nach dem unge­wollten Vertrags­abschluss "helfen" Dark Patterns, Verbrau­cher zu verwirren. Zum Beispiel, indem Unter­nehmen oder Händler den Kontakt zum Kunden­ser­vice oder Infor­mationen zur Kündi­gung in den Untiefen von Menüs verste­cken.

Klar ist: Dark Patterns sind allge­gen­wärtig. "Jedes zweite Cookie-Banner in Deutsch­land enthält Dark Patterns", sagt Peter Hense, Rechts­anwalt für IT und Daten­schutz. Zwar ist seit Dezember 2021 gesetz­lich gere­gelt, dass Cookies nur gesetzt werden dürfen, wenn der Nutzer "auf der Grund­lage von klaren und umfas­senden Infor­mationen einge­wil­ligt hat". Was das genau heißt, ist aller­dings Ausle­gungs­sache. Im Zweifel bleibt oft nur der Weg zu den Verbrau­cher­zen­tralen, die regel­mäßig klagen.

Bloß nicht drängen oder einschüch­tern lassen

Wichtig ist, sich nicht drängen oder einschüch­tern zu lassen. "Manche Unter­nehmen behaupten frech, man habe zuge­stimmt", sagt Anwalt Hense - nur weil der Verbrau­cher verse­hent­lich eine bestimmte Option ange­klickt hat. Das hat vor Gericht aber nicht unbe­dingt Bestand.

Andere versu­chen Kunden weis zu machen, dass kein Widerruf möglich sei, berichtet Verbrau­cher­schüt­zerin Kaiser. Bei Inter­net­käufen seien aber 14 Tage Wider­rufs­recht die Regel.

Um Kunden zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen, nutzen Anbieter von Webseiten verschie­dene Tricks. Beispiel Cookie-Banner: "Die privacy-freund­lichere Alter­native wird eher peri­pher und optisch unauf­fällig plat­ziert", erklärt Professor Frank Kargl von der Univer­sität Ulm. Und wer seine Nutzungs­daten beim Surfen auf einer Seite nicht teilen will, muss sich durch zig Check­boxen und Unter­seiten kämpfen, um alle Frei­gaben manuell abzu­wählen.

Viele kapi­tulieren da und akzep­tieren genervt doch alle Cookies. Die Banner sind also so designt, dass sie mensch­liche Auto­matismen ausnutzen. Wer schnell auf eine Seite gelangen will, um etwas zu erle­digen, klickt bei einem scheinbar irrele­vanten Dialog eher auf die vorge­wählte Option, um sich nicht aufhalten zu lassen, erklärt Kargl.

Das, was kostet, wurde bereits ausge­wählt

Weitere beliebte Tricks: Kurz vor dem Bezahl­vor­gang taucht plötz­lich ein Artikel im Waren­korb auf, den der Käufer gar nicht hinein­gelegt hat. Oder bestimmte Optionen, etwa zum Abschluss einer Reise­ver­siche­rung bei der Buchung eines Fluges, sind schon vorausge­wählt.

"Manchmal wird der Eindruck von Dring­lich­keit erweckt", sagt Prof. Kargl, etwa indem ein Count­down abläuft oder ein Buchungs­portal in roter Schrift darauf hinweist, dass "nur noch 1 Zimmer" verfügbar sei. Oder Nutzern wird ein schlechtes Gewissen gemacht: "Wenn Sie nicht alle Felder ausfüllen, kann Ihnen unser Dienst nicht das opti­male Ergebnis anzeigen".

Das Problem: Viele dieser Prak­tiken sind legal. Wenn Buchungs­por­tale angeben, dass nur noch wenige Flüge oder eine begrenzte Anzahl an Ange­boten verfügbar ist, sei das "ein Marke­ting-Instru­ment" und damit recht­lich erlaubt, erklärt Verbrau­cher­schüt­zerin Jennifer Kaiser. Die Politik greife bisher nur bedingt regu­lie­rend ein.

Die EU-Kommis­sion schal­tete sich ein

Ein Eingriff der EU-Kommis­sion wie im Dezember 2019 bei "Booking.com" ist eher die Ausnahme: Das Buchungs­portal wurde ange­wiesen, seinen Inter­net­auf­tritt trans­parenter zu gestalten: Ange­bote dürften nur dann als begrenzt beworben werden, wenn sie zu einem späteren Zeit­punkt tatsäch­lich nicht mehr verfügbar seien.

Um nicht auf die Tricks der Anbieter herein­zufallen, müssen Verbrau­cher sie vor allem kennen. Beispiele für Dark Patterns und Seiten, die sie verwenden, finden sich über Such­maschinen. Es gibt mehrere Netz­samm­lungen oder Fall­stu­dien von Wissen­schaft­lern, auch die Verbrau­cher­zen­tralen klären auf.

Ansonsten hilft vor allem: aufmerksam sein, nicht vorschnell auf Buttons klicken, Formu­lie­rungen genau über­prüfen und vor dem Kauf eines Produkts noch einmal den Waren­korb und die Endsumme checken. Denn Dark Pattern funk­tio­nieren nur, wenn sie wirk­lich im Dunklen bleiben.

In einem Ratgeber geben wir Tipps, wie Sie Ihr Recht als Verbrau­cher einfor­dern.

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