Digital ID

Digitale ID: Durchbruch im Gesundheitswesen

Die Digi­tali­sie­rung der Gesell­schaft erfor­dert Sicher­heit, wer wer ist. Dafür braucht es digi­tale Iden­titäten, und daran wird gear­beitet.
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Überall, wo man heute etwas bean­tragt oder für eine größere Summe kauft, wo es um Gesund­heit, Krank­heit oder um Zahlungen des Staates an den Bürger oder umge­kehrt geht, ist wichtig, wer da handelt. Es braucht also einen klaren Nach­weis, mit wem man es tun hat, eine Iden­tität. Iden­titäten sind einmal für lebende Personen, können aber auch Firmen, Orga­nisa­tionen oder den Staat in Form von Behörden, Ämtern etc. sein.

Der Ausweis ist der Anker

Der Bürger soll die Souveränität über seine Daten zurückbekommen. Der Bürger soll die Souveränität über seine Daten zurückbekommen.
Grafik: Deutsche Telekom
Fast jeder Mensch hat einen Ausweis, beispiels­weise den Perso­nal­aus­weis. Der "gehört" in Deutsch­land der Bundes­dru­ckerei und bestä­tigt, dass Matthias Muster­mann, geb. dann und dort, auch wirk­lich Matthias Muster­mann ist.

Viele Menschen haben längst den elek­tro­nisch lesbaren Perso­nal­aus­weis, wissen aber gar nicht, was man damit anfangen kann. Es gibt bislang so gut wie kaum Gele­gen­heiten, den elek­tro­nischen Ausweis auch sinn­voll zu nutzen. Statt­dessen müssen weiter Ämter besucht, Formu­lare ausge­füllt, unter­schrieben, gescannt, gefaxt oder sonst wie trans­por­tiert werden, bevor sie irgend­wann in digi­talen System landen.

Digi­tale ID soll die Souve­ränität zurück­geben

Mit der digi­talen ID, so erklärt es Dirk Back­ofen, bei der Telekom genau für dieses Thema zuständig, soll dem Bürger die Souve­ränität über seine Daten zurück­gegeben werden: Der elek­tro­nische Perso­nal­aus­weis als Schlüssel zu den Daten des Bürgers, die im Netz verschlüs­selt gespei­chert werden sollen, aber (idea­ler­weise) nur mit dem Schlüssel des Bürgers lesbar sind.

Neue selek­tive Funk­tionen möglich

Dabei sind neue Funk­tionen denkbar, die man bisher so nicht kannte. Wenn ein Auto­fahrer in eine Poli­zei­kon­trolle gerät, reicht es ja, zu beweisen, dass man einen gültigen Führer­schein besitzt. Weitere Infor­mationen gehen den Verkehrs­poli­zisten nichts an.

Wenn man im Internet etwas anschauen oder kaufen möchte, was erst ab 18 Jahren oder einer anderen Alters­stufe zulässig ist, soll man seinen Pass "selektiv" einsetzen können: Das bedeutet, die Gegen­stelle erfährt, dass ein Mensch mit einem Alter von über 18 am Computer sitzt. Wie der heißt, wo der wohnt, welche Schuh­größe oder monat­liches Einkommen der hat, wird aber nicht über­tragen.

Ein Anwoh­ner­park­aus­weis braucht nur die Bestä­tigung, dass der Antrag­steller in der in Frage kommenden Straße oder dem Stadt­teil wohnt, mehr Infor­mationen müssen gar nicht über­mit­telt werden und können damit auch nicht in falsche Hände geraten.

Akzep­tanz wichtig

Dirk Back­ofen ist sich bewusst, dass digi­tale Iden­titäten nur funk­tio­nieren können, wenn es eine große Akzep­tanz der Systeme gibt, wenn der Bürger mit seinem elek­tro­nisch lesbaren Pass auch etwas anfangen kann. Und gerade der Gesund­heits­bereich ist gerade dabei, einen wich­tigen Schritt zu tun.

Die Gesund­heits­karte

Die elek­tro­nisch lesbare Versi­che­rungs­karte (Gesund­heits­karte) ist bereits bei vielen Pati­enten vorhanden und einige haben auch schon die dazu­gehö­rende PIN bekommen. Um diese Karte zu bekommen, muss der Pass/Perso­nal­aus­weis vorge­zeigt werden. Das ist derzeit ein umständ­liches Verfahren, das mögli­cher­weise das persön­liche Vorspre­chen in einer Geschäfts­stelle der eigenen Kran­ken­kasse erfor­dert. Dort wird der Perso­nal­aus­weis händisch geprüft und dann die Gesund­heits­karte frei­geschaltet.

Ansatz Wallet

Die Telekom hat einen anderen Ansatz. Sie richtet in einer verschlüs­selten und abge­sicherten Cloud (die Rechner stehen u.a. in Biere bei Magde­burg und in Frank­furt/Main) eine Wallet ein, die eine Art von veri­fizierter "Kopie" des Perso­nal­aus­weises spei­chert. Genauer, die Wallet weiß, dass es den Perso­nal­aus­weis gibt, was drin steht und dass er bis zum Ablauf­datum gültig ist.

Dazu wird in einem ersten Schritt eine E-Mail-Adresse des Kunden erfasst, die mit einer Bestä­tigungs­mail mit Link geprüft wird, ferner wird eine Einmal-TAN an eine Handy­nummer geschickt. Dann muss der Perso­nal­aus­weis an ein Lese­gerät (z.B. Smart­phone) gehalten und die geheime Ausweis-PIN des Nutzers einge­geben werden, womit ein Abruf der Daten bei der Bundes­dru­ckerei erfolgt.

Alle weiteren Dinge, werden dann vom Perso­nal­aus­weis abge­leitet, also Kran­ken­ver­siche­rung, Führer­schein etc.

Verliert der Kunde seine Zugangs­daten oder sein Handy, womit er die Daten verwalten kann, muss dieser "Onboar­ding Prozess" komplett wieder­holt werden. Die Schlüssel/Pass­worte sind dem Wallet-Betreiber unbe­kannt. Er kann auch nicht mitlesen oder sehen, was da im Einzelnen abge­spei­chert ist.

Eine Wallet in der euro­päi­schen Cloud

In der modernen digitalen Welt sind Identitäten notwendig, wenn Rechtsgeschäfte erledigt werden sollen. In der modernen digitalen Welt sind Identitäten notwendig, wenn Rechtsgeschäfte erledigt werden sollen.
Grafik: Deutsche Telekom
Telekom/T-Systems liefert die ID-Wallet für die Gaia-X Fede­ration Services (die föde­rierte "Europa Cloud"). Diese Dienste sind Basis und Werk­zeug­kasten für Aufbau und Betrieb eines von den Teil­neh­mern selbst­ver­wal­teten Cloud-Ökosys­tems. Auftrag­geber ist der eco-Verband, der wiederum im Auftrag des Bundes­minis­teriums für Wirt­schaft tätig ist.

T-Systems und der ID-Provider Verimi haben für den Steu­erbe­rater-Dienst­leister "DATEV" einen "Proof-of-Concept" (Beweis, dass es funk­tio­niert) einer ID-Wallet für Steu­erbe­rater gestartet.

Wer zahlt was?

Für den Bürger sollen diese Dienste kostenlos nutzbar sein. Der Veri­fier, also das Unter­nehmen, das eine bestä­tigte Infor­mation benö­tigt, soll für den Daten­abruf zur Kasse gebeten werden.

Barmer Versi­che­rung arbeitet mit T-Systems

Die Telekom hat im Gesund­heits­wesen mit den digi­talen Iden­titäten einen Groß­auf­trag an Land gezogen: 8,7 Millionen Versi­cherte der "Barmer"-Versi­che­rung nutzen künftig die digi­tale Brief­tasche von T-Systems und Verimi.

Das gemein­same Angebot für die Barmer hatte erst kürz­lich die soge­nannte Gematik-Zulas­sung erhalten. Es ist die bisher erste Zulas­sung einer digi­talen Iden­tität für das Gesund­heits­wesen in Deutsch­land. Die Gematik kümmert sich um die Digi­tali­sie­rung der Gesund­heit im Lande.

Al-Saleh: Bürger sollen souverän entscheiden

Der schei­dende T-Systems-Chef Adel Al-Saleh betonte, dass EU-Bürger nach dem Willen der EU künftig souverän entscheiden sollen, mit wem sie Daten teilen. "Digi­tale, sichere Iden­titäten sind hierfür der Schlüssel. Sie ermög­lichen künftig in vielen Bran­chen neue digi­tale Anwen­dungen. Jeder von uns wird im Alltag davon profi­tieren."

Beim Austausch digi­taler ID-Nach­weise sollen die Nutzer die Fäden in der Hand behalten. Mangelndes Vertrauen gilt in der Branche unver­ändert als Hemm­schuh der Digi­tali­sie­rung. Sichere digi­tale Iden­titäten von Sender und Empfänger sollen dies künftig ändern. Gleich­zeitig sollen sie für den Internet-Nutzer den längst unüber­sicht­lich gewor­denen "Pass­wort­dschungel" abschaffen.

Souve­ränität über die eigenen Daten

In allen Berei­chen des gesell­schaft­lichen Lebens wächst der Bedarf an Iden­titäts-Lösungen. Dabei spielt der Begriff "Self Sover­eign Iden­tity-Tech­nologie (SSI)" eine wich­tige Rolle. Die Technik soll den sicheren und daten­spar­samen Austausch digi­taler ID-Nach­weise erlauben.

Die Europa Wallet

Damit Inter­essierte auch sehen können, was da genau passiert, entwi­ckelt die Telekom ihre ID-Lösung als Open-Source-Soft­ware, die zur euro­päi­schen digi­talen Iden­tität (EUDI-Wallet) kompa­tibel sein soll. Diese Lösung steht Anfang kommenden Jahres den Gaia-X Initia­tiven als Open Source zur Verfü­gung.

Andreas Weiss, Geschäfts­führer des eco-Verbandes sagt: “Wir freuen uns, dass wir über die T-Systems den Gaia-X Fede­ration Services eine hoch­wer­tige und an den Markt­anfor­derungen ausge­rich­tete Lösung einer inte­grierten ID-Wallet für Orga­nisa­tionen und Personen mit gleich­zei­tiger Kompa­tibi­lität zur kommenden EUDI-Wallet anbieten können. Und das als Lösung für Smart­phones und Cloud-Dienste zugleich.“

Dr. Lars-Meyer-Pries von DATEV braucht "für eine Viel­zahl von Anwen­dungs­fällen unserer Steu­erbe­rater und Steu­erbe­ratungs-Kanz­leien eine einein­deu­tige Iden­tifi­kation und Authen­tifi­kation der Personen im Bera­tungs­pro­zess".

T-Systems-Cloud aus Deutsch­land - der Betreiber kann keine Daten einsehen

Für die Telekom sind die digi­talen Iden­titäten ein sehr wich­tiges Thema. Die tech­nische Lösung dafür hat T-Systems gemeinsam mit Verimi entwi­ckelt. Alle Daten liegen auch während der Verar­bei­tung verschlüs­selt auf einer sicheren und souve­ränen T-Systems-Cloud in Deutsch­land. Die Telekom verfolgt dabei den soge­nannten „Confi­den­tial Compu­ting“-Ansatz. Das bedeutet: Daten sind für außen­ste­hende Dritte und sogar die Betreiber der Lösung nicht einsehbar. Die Telekom will so speziell für Kunden in kriti­schen Berei­chen und der öffent­lichen Hand ein beson­ders hohes Vertrau­ens­niveau schaffen.

Wer ist Verimi?

Verimi ist ein Anbieter von ID-Wallet-Lösungen und bietet KYC (Know your Customer/kenne Deinen Kunden)- und AML (Anit Money Laun­dering/Geld­wäsche)-konforme Dienste für das digi­tale Iden­tifi­zieren. An Verimi sind die Allianz-Versi­che­rungs­gruppe, Axel Springer, Bundes­dru­ckerei, Daimler, Deut­sche Bank, Deut­sche Telekom, Volks­wagen, Mercedes-Benz und Luft­hansa betei­ligt.

Wer ist DATEV?

Die DATEV eG ist der dritt­größte Anbieter für Busi­ness-Soft­ware in Deutsch­land (Quelle: IDC) und einer der großen euro­päi­schen IT-Dienst­leister. Sie wurde schon 1966 als Genos­sen­schaft der Steu­erbe­rater gegründet und hat über 40.000 Mitglieder. DATEV betreut insge­samt 2,8 Millionen Unter­nehmen, Selbst­stän­dige, Kommunen, Vereine und Insti­tutionen. Etwa 8800 Mitar­beiter betreuen rund 585.000 Kunden.

Wer ist eco?

Der eco Verband sieht sich mit etwa 1000 Mitglieds­unter­nehmen als "führender Verband der Inter­net­wirt­schaft in Europa". Seit 1995 gestaltet eco das Internet, fördert neue Tech­nolo­gien und vertritt die Inter­essen seiner Mitglieder gegen­über der Politik und in inter­natio­nalen Gremien.

Was ist GAIA-X?

Das Projekt Gaia-X ist, stark verein­facht gesagt, eine "euro­päi­sche Cloud", die sicher und vertrau­ens­würdig sein soll. Sie wurde im Herbst 2019 von Deutsch­land und Frank­reich ins Leben gerufen, und daran sind viele euro­päi­sche Partner aus Wirt­schaft, Wissen­schaft und Politik betei­ligt.

Die Gaia-X Fede­ration Services (GXFS) sollen ein Ökosystem sein, wo Daten in einer vertrau­ens­wür­digen Umge­bung zur Verfü­gung gestellt, gesam­melt und geteilt werden, wobei Nutzer stets die Hoheit über ihre Daten behalten können. Es entsteht dabei keine Einheits-Cloud bei einem privaten oder staat­lichen Anbieter, sondern das ist ein föde­riertes System, das viele Anbieter und Nutzer von Daten- und Cloud-Diensten mitein­ander verbindet.

Auf der Grund­lage der tech­nischen Spezi­fika­tionen werden Dienste entwi­ckelt, die auf Open-Source-Code basieren. Sie stehen der Gaia-X Commu­nity frei zugäng­lich zur Verfü­gung.

Wer ist Gematik?

Gematik ist die natio­nale Agentur für digi­tale Medizin, ursprüng­lich als "Gesell­schaft für Tele­matik­anwen­dungen der Gesund­heits­karte" im Jahre 2005 gegründet. Dabei sind das Bundes­minis­terium für Gesund­heit (BMG), die Bundes­ärz­tekammer (BÄK), die Bundes­zahn­ärz­tekammer (BZÄK), der Deut­sche Apothe­ker­ver­band (DAV), die Deut­sche Kran­ken­haus­gesell­schaft (DKG), der Spit­zen­ver­band der Gesetz­lichen Kran­ken­ver­siche­rungen (GKV-SV), der Verband der Privaten Kran­ken­ver­siche­rung (PKV), die Kassen­ärzt­liche Bundes­ver­eini­gung (KBV) und die Kassen­zahn­ärzt­liche Bundes­ver­eini­gung (KZBV).

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

Das Thema ist sperrig, beson­ders, wenn man sich mit Computer-Technik und Netz­werken nicht so wirk­lich auskennt und glaubt, dass alle Daten, die dort draußen gespei­chert werden, von dunklen Mächten und ihren Helfers­hel­fern jeder­zeit abge­rufen und ausge­wertet und gegen den Nutzer verwendet werden können.

So einfach ist es zum Glück nicht. Man kann einfach der Geschichte "vertrauen" oder besser sich infor­mieren, und wenn genü­gend Fach­kennt­nisse vorhanden sind, kann man auch die Open Source Proto­kolle lesen oder in einer Commu­nity mitar­beiten, die sich damit beschäf­tigt.

Inter­essan­ter­weise arbeiten an dem Thema nicht nur die Unter­nehmen mit, die sich davon neue Umsatz­quellen verspre­chen, sondern auch Kritiker und Kriti­kerinnen wie Lilith Witt­mann oder der Chaos Computer Club (CCC) - und wie Einge­weihte berichten, durchaus konstruktiv. So wurde der daten­schutz­tech­nisch stark gelobte Ansatz bei der Corona Warn App gemeinsam entwi­ckelt.

Der Bürger kann aber auch mithelfen, indem er zum einen daten­sparsam unter­wegs ist, oder auch gezielt Infor­mationen im Netz bekannt gibt, anhand derer später sich heraus­finden lässt, ob Daten weiter­gegeben wurden, wo man es nicht erwartet hätte. Hilf­reich können z. B. mehrere getrennte E-Mail-Adressen sein, eine für die Firma oder Behörden, eine rein private, eine für Einkäufe oder Bestel­lungen oder eine für Social-Media etc. Eine möglichst voll­stän­dige Über­sicht über digi­tale Konten, einen Tresor mit den Pass­worten, das alles gehört heute dazu.

Das Gesund­heits­wesen muss drin­gend digi­tali­siert werden. Die teil­weise chao­tische Zettel­wirt­schaft bei den Pati­enten und verschie­denen Ärzten, die viele Unter­suchungen doppelt und drei­fach erfor­dern, weil keine Infor­mationen mehr vorliegen, das ist auf die Dauer nicht machbar. Dazu braucht es klare digi­tale Iden­titäten, auf die sich der Mensch verlassen kann. Und es braucht Wach­sam­keit, weil es viele da draußen gibt, die alle gespei­cherten Daten gerne einsehen und am Ende in Geld verwan­deln wollen.

Wie schon berichtet, machte die digi­tale Iden­tifi­kation kaum Fort­schritte.

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