Handy mit Vertrag: 5760 Euro zu viel bezahlt?
Das aktuelle Nokia 8110 kann 4G und ist so günstig, dass sich eine Vertragsfinanzierung nicht mehr lohnt
Bild: HMD Global
Vielleicht haben Sie es schon gesehen: In einem YouTube-Video beschreibt ein vermeintlicher Mobilfunk-Kunde namens Ernst ziemlich aufgeregt und verärgert, wie teuer ein "vergessener" Vertrag werden kann. Satte 5760 Euro verlangte Ernst auf eBay für sein 24 Jahre altes Kult-Handy Nokia 8110 (das originale). So viel habe er die ganze Zeit "mehr" bezahlt, weil er seinen Handyvertrag von damals nie revidiert habe: 24 Jahre à 12 Monate x 20 Euro = 5760 Euro. Verärgert ist er auch darüber, dass sich sein Mobilfunk-Anbieter nie bei ihm gemeldet habe, um ihn auf diesen Umstand hinzuweisen oder ihm ein neues Gerät anzubieten.
Das aktuelle Nokia 8110 kann 4G und ist so günstig, dass sich eine Vertragsfinanzierung nicht mehr lohnt
Bild: HMD Global
Bevor sich jemand wundert: Der Fall in diesem Video ist ein Werbespot von o2 und natürlich nicht real passiert. Der Protagonist "Ernst" heißt im wahren Leben ganz anders und wurde für eine Social-Media-Kampagne von o2 "gecastet", um den Problemkern allgemein verständlich zu machen.
Übertriebenes Beispiel
Nun sind wir es gewohnt, dass in Werbespots übertrieben und selten die Realität widergespiegelt wird. Bei einem ähnlichen Werbespot wurde damals beispielsweise eine Mini-Krimi-Serie an Original-Schauplätzen in New York gedreht, wo vor der blutverschmierten Badewanne zerrissene Handyrechnungen lagen und Dan, der (gecastete) President of simyo Industries sich vor Gericht "schuldig" bekannte.
o2 greift im aktuellen Werbespot allerdings zwei Fakten auf, mit denen sich viele Handynutzer tatsächlich beschäftigen müssen. Das ist einerseits das vermeintliche 1-Euro-Handy und anderseits die monatliche Zuzahlung zum bestehenden Handyvertrag fürs Handy. Das 1-Euro-Handy gibt es nämlich nicht und die Zuzahlung kann zur Kostenfalle werden bzw. das vermeintliche Schnäppchen letztlich zu einem überteuerten Handy werden lassen.
Eine Beispielrechnung
Ist das Handy abbezahlt, ist es gut. o2 bietet das seit 2009 an. Andere aber nicht
Foto: Telefónica / o2
Schauen wir uns ein aktuelles Angebot der Telekom an. Das iPhone 12 Mini mit 64 GB-Speicher kostet hier 1 Euro. Hinzu kommt aber ein Mobilfunk-Laufzeitvertrag, der monatlich 79,95 Euro im Tarif Magenta Mobil L kostet. Alternativ ist dieser Tarif ohne Handy für monatliche 59,95 Euro zu bekommen. Das bedeutet, der Kunde zahlt monatlich 20 Euro nur für das Handy. Macht nach 24 Monaten insgesamt 481 Euro.
Würde man das Handy über eine Preissuchmaschine (z.B. Idealo) im Internet einkaufen, wären ab 659 Euro auf einmal zu bezahlen. Nun wird die Telekom sicher einen günstigen Einkaufspreis bekommen, dennoch sind 179 Euro Preis-Unterschied für den Kunden natürlich attraktiv - vorausgesetzt, der Kunde nutzt die Leistungen des gleichzeitig abgeschlossenen Vertrags auch halbwegs aus. Wird nämlich der teure Handy-Vertrag gar nicht benötigt, verändert sich das Preis-Leistungs-Verhältnis für das Handy natürlich zum Negativen für den Kunden.
Landläufiger Irrtum
Handyshop
Foto: Picture Alliance / dpa
Läuft der Handyvertrag über 24 Monate, könnte man annehmen, dass damit auch das Handy abbezahlt ist und der Aufschlag automatisch entfällt - oder etwa nicht? Nicht unbedingt. Es kommt auf den Anbieter an. Wenn der Kunde oder die Kundin den Vertrag unterschreibt und sich danach nicht mehr darum kümmert, läuft dieser Vertrag bis "zum St. Nimmerleinstag" weiter.
Ein Handyvertrag endet nicht nach zwei Jahren automatisch, sondern läuft immer weiter - genau zu den Konditionen, die man beim Abschluss unterschrieben hat, bis der Kunde um eine Änderung bittet oder den Vertrag kündigt. In vielen Fällen wird die Grundgebühr nach den ersten zwei Jahren sogar teurer. Und die Zeiten, in denen sich auch alle bestehenden Alt-Tarife bei Tarifreformen automatisch mit vergünstigt haben, sind lange her. Dass der Anbieter von sich aus die Konditionen auch für Bestandskunden verbessert ist möglich, aber eher selten.
Kündigung nicht verpassen!
Nehmen wir also an, unser Musterkunde aus obiger Beispielrechnung hat den korrekten Kündigungszeitpunkt „verpasst“, dann verlängert sich sein Vertrag nach aktueller Rechtslage um mindestens zwölf Monate - und zwar inklusive der Handyzuzahlung. Statt den oben ausgerechneten 481 Euro hätte er oder sie dann schon 721 Euro bezahlt. Zwölf Monate lang 20 Euro zu viel bezahlt, sind 240 Euro mehr. Der Vertragspartner des Kunden freut sich, denn nun hat er dran verdient. Und jedes weitere unveränderte Jahr verbessert die Kalkulation für den Anbieter weiter.
Bewährtes Prinzip - oder strikte Trennung?
Dieses Prinzip Handyzuzahlung zum Vertrag wird seit vielen Jahren von (fast) allen Anbietern angewendet. In der Regel ist diese Zuzahlung aber so lange zu zahlen, wie auch der Tarifvertrag läuft. Wer also nicht den Vertrag nach zwei Jahren kündigt, zahlt auch die Handyzuzahlung immer weiter. Soll der Vertrag aufgrund der noch immer guten Konditionen weiter bestehen bleiben, dann sollte also zumindest die Zuzahlung im Blick behalten werden. In der Regel hat man bei vielen Anbietern nach 18 Monaten den Anspruch auf ein neues Handy - dann natürlich bei gleichzeitiger Verlängerung des Vertrags.
Wenn das Handy abbezahlt ist, ist es abbezahlt - bei o2
Foto: Telefónica / o2
Es geht aber auch anders: Bei o2 hat man schon früh den Kauf eines Handys vom Mobilfunkvertrag "entkoppelt". Das heißt, man kann einen Mobilfunktarifvertrag mit oder ohne Handy buchen. Falls ein Handy dazu kommt, wird das im Rahmen eines zinslosen Ratenzahlungsvertrags "o2-My-Handy" über 24 Monate abbezahlt. Wohlgemerkt: Wenn diese 24 Monate vorüber sind, ist das Handy bezahlt und es werden keine weiteren Monatsraten für das Handy abgebucht.
Handy bei o2 und Vertrag woanders
Ja, man könnte sein neues Handy bei o2 auf Raten kaufen, ohne einen o2-Mobilfunk-Vertrag abzuschließen, und das Handy mit einem Vertrag oder einer Prepaidkarte eines anderen Anbieters verwenden. Unter dem Slogan „Tag NiX – Faires Kombi-Angebot für Tarif und Smartphone“ hat o2 angekündigt, dieses Angebot auch 2021 fortzusetzen. o2 verspricht seinen Kunden, dass sie auch 2021 von „fairen Kombi-Angeboten für Tarif und Smartphone mit einem Ratenzahlungsplan sowie einem Vertrag über den Mobilfunktarif profitieren“ würden.
Ist eine Ratenzahlung nur bei o2 möglich?
o2 nimmt für sich in Anspruch, der erste deutsche Mobilfunknetzbetreiber zu sein, bei dem Kunden direkt von einer längeren Nutzung ihrer Smartphones profitieren können, denn je länger sie ihr Smartphone nutzen und dabei den laufenden Tarif nicht ändern, sparen sie durch das klar abgegrenzte Ratenzahlungsmodell, betont man bei Telefónica in München. o2 stellt seinen Kunden einen Konfigurator zur Verfügung: Der Kunde kann Höhe der Anzahlung, Ratenlaufzeit und Datenvolumen konfigurieren. Und sie sind derzeit noch ziemlich alleine, fast.
Original Telekom und Vodafone: Keine Ratenzahlung im Angebot
In einem Telekom-Shop kann man ein Handy zum Vertrag kaufen und zahlt dann eine höhere Monatsgrundgebühr, bis man kündigt. Ratenzahlung ist derzeit nicht vorgesehen
Foto: Picture Alliance / dpa
Wir haben natürlich bei der Deutschen Telekom und bei Vodafone nachgefragt, ob auch dort Ratenzahlungsmodelle beim Kauf eines neuen Handys angeboten werden. Bei der Telekom gibt es das nicht. Dort räumt man aber ein, dass man sich den Markt genau anschaue und das für eine ferne Zukunft nicht ausschließen wolle. Zugegeben, das ist eine Formulierung, die alles und nichts bedeuten kann.
Auch Vodafone kennt in Deutschland keine Ratenzahlung. Günstiges Handy = höhere Monatsgrundgebühr, bis zur Kündigung
Foto: Picture Alliance / dpa
Bei Vodafone gibt es diese Möglichkeit ebenfalls nicht. Immerhin gibt es zusätzlich die Information, dass das auch nicht geplant sei.
Erfreuliche Ausnahme: congstar
Eher zufällig entdeckten wir ein Angebot bei congstar. Hier kann man ein neues Handy erwerben, beispielsweise das iPhone SE (2020, 2. Generation) für einmalig 49 Euro und für explizit 24 mal 15 Euro, danach ist das Handy bezahlt. Ein Beispiel, das Schule machen sollte.
Es geht um viel Geld
Kommen wir zurück auf den eingangs erwähnten Werbespot von o2. Auch wenn man sich natürlich ernsthaft fragen muss, warum jemand für einen Handyvertrag 24 Jahre lang zahlt, ohne zu prüfen, ob die Konditionen noch zeitgemäß sind, zeigt das von o2 für eine Social-Media Kampagne "gescriptete" Beispiel in der Einleitung doch sehr gut, dass aus dem vermeintlichen 1-Euro-Handy leicht ein teures Vergnügen werden kann.
Diejenigen, die sich nach 24 Monaten nicht direkt für ein neues Gerät entscheiden, würden ab dem 25. Monat im Schnitt 10 bis 30 Euro monatlich sparen, rechnet o2 vor. Dabei geht es um richtig viel Geld: „Gemessen an der durchschnittlichen Nutzungsdauer der Endgeräte von 40 Monaten werden rund eine Million der o2-Bundle-Kunden nach ihrer Mindestvertragslaufzeit über 16 Monate in Summe 330 Millionen Euro weniger zahlen.“
o2-Werbung auf YouTube zum "teuersten Handy der Welt"
Anhand von Marktstudien hat o2 herausgefunden, dass sich jährlich rund fünf Millionen Kunden in Deutschland für einen neuen gebündelten Postpaid-Vertrag bestehend aus Handy und Tarif entscheiden. Die wenigsten Kunden achten beim Kauf darauf, wie es nach Ablauf der Vertragslaufzeiten – in Deutschland üblicherweise nach 24 Monaten – mit der Zahlung weitergeht.
Dabei wird das angesichts einer deutlich verlängerten Nutzung der Endgeräte immer wichtiger. Die Strategic Insights Studie 2019/2020 der Marktforschungs-Unternehmens mm customer strategy hat herausgefunden, dass die Kunden in Deutschland im Schnitt ihr Handy heute rund 40 Monate nutzen. Das sei fast ein Jahr länger als noch vor zwei Jahren. Die Endgeräte seien wesentlich hochwertiger, und auch Nachhaltigkeitsaspekte spielen eine zunehmend größere Rolle.
Damit Sie nicht zu viel für Ihren Handyvertrag zahlen müssen, empfehlen wir regelmäßig einen Blick in unseren Handytarif-Vergleich.