Medienanstalt warnt vor Ausspähung von SmartTV-Zuschauern
Screenshot des SmartTV/HbbTV-Portals von RTL
Bild: teltarif.de
Obwohl inzwischen fast jedes vierte Fernsehgerät in deutschen Haushalten ein Smart-TV ist, sind 80 Prozent der internettauglichen
Fernseher nicht mit dem Web verbunden. Zum einen mangelt es an den technischen Kenntnissen, zum anderen wollen viele Fernsehzuschauer gar nicht,
dass ihr Fernseher mit dem Internet verknüpft wird. Grund: Bei der Anwendung des Fernsehstandards HbbTV (Hybrid Broadcasting Broadband TV) bestehen erhebliche Schwachstellen beim Daten- und damit beim Nutzerschutz. Der Nutzer kann ausgespäht werden.
Durch die Kombination von digitalem Fernsehempfang und Internetverbindung können Zuschauer neben dem TV-Programm zusätzliche Webinhalte aufrufen. Doch das ganze ist mit einem Nachteil verknüpft: Das individuelle Nutzungsverhalten wird über den Rückkanal erfasst und kann ausgewertet werden. Darauf hat neben vielen weiteren Organisationen jetzt auch die Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW (LfM) aufmerksam gemacht. Gleichzeitig schlägt das Gremium konkrete Maßnahmen vor, um Sicherheitslecks zu verhindern.
Big Brother is watching you
Screenshot des SmartTV/HbbTV-Portals von RTL
Bild: teltarif.de
Besonders kritisch sehen die Gremienmitglieder der LfM bei SmartTVs nach dem HbbTV-Standard den
Datenstrom über den so genannten "Red Button". Mittels dieser Funktion würden die Zuschauer
aufgefordert, die rote Taste auf der Fernbedienung zu betätigen. Damit werde
unmittelbar eine Webseite vom Server des Veranstalters aufgerufen, und der Sender erfährt, dass auf ihn umgeschaltet wurde und wie lange Zuschauer welche Webseiten parallel nutzen. Somit können detaillierte Nutzerprofile erstellt werden, mit denen künftige Informationsangebote und
Werbung steuerbar sind. Das ganze löst sogar einen Schneeballeffekt aus und andere Unternehmen erhalten für sie interessante Daten über den einzelnen Fernsehzuschauer: Da alle großen Privatsender die Abrufe von "Google Analytics" nachverfolgen lassen, erhält beispielsweise Google Informationen über das Seh- und Nutzungsverhalten.
Zuschauer muss Erfassung seiner Daten widersprechen können
Der Vorsitzende der Medienkommission, Werner Schwaderlapp, fordert, das Fernsehgerät dürfe den Zuschauer nicht ausspähen, Fernsehen müsse anonym bleiben. "Der Zuschauer ahnt nicht, dass das Einschalten eines Senders vom Sender schon registriert wird, bevor er den Red Button drückt." Wenn der Zuschauer im Internet surfe, müsse er der Erfassung seiner Nutzung widersprechen können. Dazu benötige es einer datenschutzgerechten Ausstattung der Smart-TV-Geräte - auch jenseits von HbbTV -, einer klaren und transparenten Nutzerinformation sowie der ausdrücklichen vorherigen Zustimmung der Nutzer, dass ihre Daten gespeichert werden, so Schwaderlapp.
Die LfM wolle laut eigenen Angaben TV-Veranstalter, Geräteindustrie und Datenschutzbehörden zu Gesprächen über konkrete Lösungsmöglichkeiten einladen und sich mit anderen Medienanstalten zu diesem Thema austauschen. Da es keine medienkonvergente Regulierung gibt, sei eine abgestimmte Vorgehensweise erforderlich. Die LfM begrüßt zugleich, dass sich die Datenschutzbeauftragten der Länder unter Vorsitz des Landesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit NRW (LDI) sowie die Datenschutzbeauftragten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ebenfalls mit dem Thema beschäftigen wollen.
Ob der Diskussionsprozess jedoch von Erfolg gekrönt sein wird, darf bezweifelt werden. Denn: Mit jedem Aufruf einer Internet-Verbindung, mit jedem Aufruf eines Live-Streams oder sonstiger webbasierten Anwendungen gibt der User zumindest seine IP preis. Die Daten werden von Rechnern gespeichert, egal ob der Zuschauer es wünscht oder nicht. Lediglich ein Verbot der Weiterleitung von Daten an Dritte ohne Zustimmung der Nutzer könnte ein Ansatz der Medienpolitik sein, wobei es fraglich ist, wie stark hier Kontrollgremien funktionieren würden. Alles in allem offenbart sich aber erneut der Nachteil von Internetanwendungen im Vergleich zu klassischen Broadcast-Verfahren (DVB-T, DVB-S, DVB-C), bei der Nutzer definitiv anonym bleiben, da es hier keinen Rückkanal gibt - zumindest so lange, wie der Fernseher nicht mit dem Internet verbunden ist.