Live-TV ohne Satellit, Kabel oder DVB-T2: Was geht?
Wer heute Fernsehen ganz ohne Satellitenanlage, Kabelanschluss oder Antenne schauen will, kann auf das Internet zurückgreifen. Dabei muss der Nutzer jedoch zwischen IPTV und Online-TV-Streaming unterscheiden. In diesem Ratgeber zeigen wir Ihnen, wie Sie Live-TV abseits der klassischen Verbreitungswege verfolgen können.
IPTV: Größte Anbieter Telekom und Vodafone
Mit IPTV wird die Übertragung von Fernsehinhalten über ein "geschlossenes Netz" eines Anbieters bezeichnet, bei dem dann dank Quality-of-Service-(QoS)-Mechanismen - dem Namen entsprechend - der TV-Empfang in einer höherwertigen Qualität möglich ist. Hier können die Inhalte auch nur von den Kunden des jeweiligen Providers genutzt werden. Das IPTV-Angebot wird via Breitband-Leitung, also zum Beispiel klassischem DSL oder VDSL, realisiert. Dabei wird das Signal, anders als beim klassischen Streaming, nur einmal an beliebig viele TV-Zuschauer gesendet (Point-to-Multipoint).
Magenta-TV von der Telekom
Screenshot: Michael Fuhr
Größte Anbieter im IPTV-Bereich sind die Telekom (Magenta TV) und Vodafone (Giga TV), gefolgt von 1 & 1. Mehr zu den Angeboten der drei großen Anbieter gibt es in unserer umfangreichen IPTV-Übersicht.
Stadtwerke und Co. liefern IPTV
Inzwischen bieten jedoch auch viele kleinere Netzbetreiber IPTV-Bouquets. Dazu gehören etwa Stadtwerke, die ihren Kunden alles aus einer Hand liefern (Strom, Telefonie, Internet und Fernsehen). Vor allem dank des boomenden Glasfaser-Geschäfts sprießen solche Angebote derzeit wie Pilze aus dem Boden.
Häufig arbeiten die Netzbetreiber dabei mit "White Label"-Anbietern wie BrightBlue, M7 Deutschland oder Ocilion zusammen, die ihren Kunden schlüsselfertige Komplettangebote mit TV- und Video-on-Demand-Bouquets bieten und genau das liefern, was die Netzbetreiber wünschen. Als Kunde ist man dabei freilich vom Angebot des jeweiligen Grundversorgers abhängig. Vor allem in urbanen Zentren sind aber auch oft Angebote mehrerer Netzbetreiber verfügbar.
Alternativen Zattoo und waipu.tv
Als Alternative gibt es für Kunden Online-TV-Streaming-Angebote diverser Plattformen. Pionier auf diesem Gebiet ist Zattoo. Anlässlich der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 und mit zunächst vier frei empfangbaren Schweizer Fernsehkanälen startete das in der Schweiz gegründete Unternehmen seinen Service. Ende 2009 wurde das anfänglich auch von Tauschbörsen bekannte Peer-to-Peer-Prinzip aufgrund zu schmaler Uploadraten der DSL-Anschlüsse abgeschafft. Die Services wurden auf einen direkten Serverstream von Zattoo umgestellt.
Heute haben die Kunden die Wahl zwischen einem kostenfreien Paket mit über 100 TV-Sendern in Standard-Qualität. Dabei sind alle öffentlich-rechtlichen und viele privaten Kanäle, aber nicht die der großen Mediengruppen RTL und ProSiebenSat.1. Wer eine bessere Qualität, mehr Auswahl und auch die Sender der großen Mediengruppen möchte, kann die Pakete Premium und Ultimate abonnieren und bekommt auf diesem Weg über 120 weitere TV-Programme nach Hause geliefert. Darüber hinaus gibt es weitere Pakete, etwa mit internationalen Sendern.
Die Online-TV-Plattform Zattoo
Screenshot: Michael Fuhr
Zattoo ist inzwischen auf zahlreichen Plattformen vertreten: Klassisch am PC oder Notebook, mobil auf Smartphones oder Tablets sowie per App auf Smart-TVs, auf TV-Sticks wie dem Google Chromecast oder Spielkonsolen.
Neben dem Endkunden-Geschäft bietet Zattoo heutzutage White-Label-Lösungen für diverse Netzbetreiber an, welche die Zattoo-Bouquets mit ihrem eigenen Branding vermarkten. Mehr zu Zattoo gibt es in unserer Übersicht.
Noch nicht so lange im Geschäft, konkret erst seit 2016, ist waipu.tv. Hierbei handelt es sich um eine Marke der Exaring AG mit Sitz in München, an der die Freenet Group zu 50,01 Prozent beteiligt ist. Ähnlich wie Zattoo setzt auch waipu.tv auf klassisches TV-Streaming und ist ebenfalls sowohl über mobile als auch stationäre Endgeräte zu sehen. Und auch hier haben die Zuschauer die Wahl zwischen einem kostenlosen Basispaket (das allerdings nicht beworben wird) und zwei erweiterten, kostenpflichtigen Paketen (Komfort und Basis Plus). Hier geht es direkt zu den Angeboten des Online-TV-Streamers.
Vorteil der Angebote von Zattoo und waipu.tv ist, anders als bei den IPTV-Anbietern, die Verfügbarkeit für alle Internetnutzer.
Joyn, TV Now und die öffentlich-rechtlichen Mediatheken
Eine Konkurrenz zu waipu.tv und Zattoo stellt inzwischen die Sender-übergreifende Plattform Joyn dar. Mehr als 60 TV-Sender sind im kostenlosen Basis-Angebot per Livestream verfügbar, darunter neben den Angeboten der Gründungsunternehmen ProSiebenSat.1 und Discovery auch zahlreiche weitere Privat-TV-Sender und die öffentlich-rechtlichen Angebote von ARD und ZDF. Joyn legt allerdings weit mehr Wert auf sogenannte Over the Top (OTT)-Angebote: Prominent auf der Startseite verfügbar sind zahlreiche Sendungen, Serien und Filme zum Abruf.
Die Plattform Joyn
Screenshot: Michael Fuhr
Noch mehr Live-TV-Sender, darunter auch Pay-TV-Angebote sowie zahlreiche Originals und Exclusives zum Abruf bietet das Premium-Angebot Joyn Plus+, das 6,99 Euro im Monat kostet und monatlich kündbar ist. Auch Joyn ist inzwischen neben PC, Smartphones und Tablets auf vielen Smart-TVs und weiteren Plattformen wie dem Google Chromecast oder Amazon Fire TV verfügbar.
Nicht bei Joyn vertreten sind die Angebote der Mediengruppe RTL Deutschland, die mit TV Now (künftig RTL+) eine eigene Plattform betreibt, allerdings mit weitgehend gleichem Strickmuster, also einem kostenfreien Basis- und kostenpflichtigen Premium-Angeboten (Premium für 4,99 Euro und Premium+ für 7,99 Euro im Monat) sowie Live-TV und Video-on-Demand
Komplett "kostenfrei" bzw. durch dem Rundfunkbeitrag finanziert sind die Mediatheken der öffentlich-rechtlichen TV-Sender wie ARD, ZDF, den Dritten, 3sat oder arte. Auch hier gibt es Zugang zu Livestreaming-Angeboten und Video-on-Demand.
Weitere Internet-TV-Angebote
Das inzwischen üppige Angebot an Internet-TV-Angeboten vervollständigen weitere Fernseh-Portale, etwa das Lokal-TV-Portal, das Zugang zu vielen lokalen und regionalen Privatfernsehsendern aus Deutschland bietet.
TV.de von Couchfunk bietet in mehreren Paketen Zugang zu vielen deutschen und internationalen Sendern. Dieses Portal haben wir mit Zattoo, waipu.tv und Joyn direkt verglichen.
Auch über die Videoplattform YouTube gibt es inzwischen ein interessantes Live-TV-Angebot. Und last but not least ist auch das Angebot des Pay-TV-Senders Sky ohne die klassischen Rundfunkempfangswege Kabel und Satellit und rein internetbasiert zu bekommen, beispielsweise über Sky Q.
Technische Probleme werden seltener
In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Qualität des Internet-TVs dank immer leistungsfähigerer Breitband-Netze erheblich verbessert. Waren anfangs schlechte Bildqualität, Ruckelbilder oder längere Aussetzer noch an der Tagesordnung, liefern die Portalbetreiber heute - abgesehen von sporadischen technischen Problemen - einwandfreie Qualität, sogar mit zum Teil ultrahochauflösenden Bildern in UHD/4k. Somit ist Internet-TV kein Exot mehr, sondern ein Verbreitungsweg, der mit den Rundfunkverbreitungswegen Kabel, Satellit und Antenne nicht nur mithalten kann, sondern diese in puncto Qualität und Programmangebot zum Teil sogar überflügelt hat.
Vor allem in Mietwohnungen bietet Internet-TV inzwischen eine attraktive Alternative zum oft teureren Kabelanschluss. IPTV und Online-TV haben zudem, was Qualität und Angebot angeht, inzwischen zum bisher auf diesem Sektor führenden Satellitendirektempfang aufgeholt. Großer Vorteil hierbei ist, dass keine aufwändige Installation einer Antenne mehr nötig ist. Das Fernsehprogramm kommt per Router und Netzwerkkabel, beziehungsweise WLAN, auf die Mattscheibe.
Ein Manko ist allerdings, dass das Programmangebot je nach Anbieter variiert und nicht jeder alle Sender im Portfolio hat. Während es beim Satelliten-Direktempfang nach wie vor die größte kostenlose Free-TV-Auswahl gibt, sind bei den Online-TV-Portalen viele Programme, die über Satellit frei empfangbar sind, nur gegen Gebühr zu sehen. Wer an einem breiten Angebot interessiert ist, müsste beim Streaming unter Umständen mehrere Abos mit unterschiedlichen Plattformbetreibern abschließen. Und das könnte teuer werden.
Zur Zahlungsbereitschaft der Deutschen beim Streaming hat sich auch ein Panel auf der Fachmesse Anga Com beschäftigt.