LTE World Summit

Der LTE-Aufbau beginnt - wichtige Fragen sind noch offen

LTE ist für mobile Datendienste, Sprachtelefonie ungeklärt
Von Marie-Anne Winter

Auf dem heute bis Mittwoch stattfinden LTE World Summit in Berlin ließen die Redner der heutigen Keynotes keinen Zweifel daran, dass LTE das kommende Erfolgsmodell für den Mobilfunk ist. Sowohl Marc Fossier von France Télécom, als auch Klaus-Jürgen Krath von T-Mobile betonten, dass die Evolution der Mobilfunknetze zu LTE notwendig ist, um zum einen die steigende Nachfrage im Datenbereich zu bedienen und zum anderen die Kosten zu senken. Dabei sei es wichtig, einfach zu bleiben, die Kunden wünschten leicht handhabbare Lösungen. Überhaupt sollen die Nutzer und ihre Bedürfnisse bei der Entwicklung neuer Dienste stärker in den Mittelpunkt rücken. Dies schlage sich auch im Bereich der Endgeräte nieder, in kurzer Zeit werden wir ganz neue Geräteklassen sehen. Das Stichwort ist inzwischen nicht mehr nur Konvergenz, sondern auch nutzerbezogene Dienste. Diese sollen den Kunden immer und überall zur Verfügung stehen.

Laut Fossier liegt in Frankreich der Anteil der über IP-Lösungen abgewickelten Sprachtelefonie bereits bei 40 Prozent. Allerdings räumte Fossier sein, dass derzeit noch nicht geklärt sei, wie man bei LTE mit Sprache verfahre. Es sei beispielsweise der Rückgriff auf UMTS/GSM möglich, was nicht besonders elegant, aber durchaus möglich sei.

Klaus-Jürgen Krath belegte anhand einer Übersicht ebenfalls, dass es auf die Endgeräte ankäme - wenn man das erste iPhone-Modell bei 100 Prozent Zunahme der Datennutzung beim jeweiligen Nutzer ansetze, kämen Geräte wie das Nokia N95 auf ganze 20 Prozent mehr Datentraffic, das iPhone 3G aber auf 200 Prozent mehr Datennutzung. Dabei konnte das iPhone 2G gerade mal EDGE.

Zunehmender Traffic, aber sinkende Preise

Das Problem für die Netzbetreiber allerdings sei, dass der rasant steigende Datenverkehr mit fast ebenso rasant sinkenden Preisen einhergehe. Die Lösung des Problems sei die Einführung von LTE, weil man damit die vorhandenen Ressourcen sehr viel effektiver nutzen könne, etwa könnten bestehende Basisstationen weiter betrieben werden. Der Aufbau neuer Standorte für Netztechnik sei nun mal teuer. Weil LTE aber auf der vorhandenen Netztechnologie aufsetze, könne der neue Standard nach und nach neben den bestehenden Lösungen aufgebaut werden. LTE werde in der ersten Zeit zusätzlich zu den HSPA-Netzen in den Ballungsgebieten ausgebaut. In der Fläche (hier ist der Blick aber nicht nur auf Europa, sondern durchaus auch auf andere Kontinente gerichtet, in denen gerade erst GSM-Netze aufgebaut werden) werde GSM sicherlich noch bis 2020 seinen Dienst tun. Das habe auch mit den für die jeweiligen Standards benutzten Frequenzen zu tun. Eine Funkzelle habe mit 2,6 GHz durchschnittlich einen Radius von 300 Metern, mit 800 MHz werde dagegen ein Radius von drei Kilometern erreicht. Krath appellierte in diesem Zusammenhang mehrfach an die zuständigen Stellen, hierzulande schnell entsprechende Frequenzen für den weiteren Ausbau mobiler Breitbandnetze bereitzustellen.

Ulf Ewaldsson von Ericsson stellte in seinem Vortrag heraus, dass LTE für den Hersteller bereits Fakt sei, man habe im vergangenen Jahr bereits angefangen, LTE-Technik an die Netzbetreiber auszuliefern. Dennoch sprang er in seiner Präsentation zu den Anfängen des Mobilfunks zurück, wie wir ihn heute kennen. Ewaldsson betonte, dass zu der Zeit, in der man GSM standardisiert hatte und mit dem Aufbau erster GSM-Netze begann, kaum vorstellbar gewesen wäre, dass das mobile Telefonieren binnen weniger Jahre einen solchen Boom erleben würde. Bei der Vorstellung, dass irgendwann jeder Mensch ein Handy haben würde, hätten die Experten abgewinkt, weil sie erwarteten, dass die Kapazitäten in den Mobilfunknetzen dafür niemals ausreichen würden. Und dann sei bekanntlich alles anders gekommen.

Noch viele Fragen offen

Derzeit tue HSPA im Datenbereich das, was GSM für die Sprache getan hätte. Die Nachfrage nach mobilen Datendiensten werde weiterhin rasant steigen. Derzeit würden neue Geräte entwickelt, die für neue Datenanwendungen optimiert sind. Ewaldsson betonte, dass sich auch im Netztechnik-Bereich sehr viel getan hätte, so würden mittlerweile Basisstationen als frei konfigurierbare Module ausgeliefert, Ericsson liefere inzwischen auch pure Mobilfunk-Antennen aus, die wahlweise mit verschiedenen Modulen für GSM, UMTS/HSDPA und LTE bestückt werden können. Auch Ewaldsson betonte, dass Konvergenz für Netzbetreiber extrem wichtig sei, weil nur so die Kosten nachhaltig gesenkt werden könnten.

Über die bevorzugte Anwendung von LTE-Diensten gab es allerdings verschiedene Vorstellungen. Alex Sinclair von der GSMA betonte, der Focus von LTE läge eindeutig auf mobilen Breitbandlösungen. Ed Candy von 3 UK dagegen sagte, dass es angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise geradezu verrückt sei, eine neue Technologie zu implementieren, die noch fundamentale Lücken aufweise, etwa den nicht geklärten Umgang mit Sprachtelefonie.

In verschiedenen Vorträgen wurde gleichzeitig aber immer wieder herausgestellt, dass LTE komplett rückwärtskompatibel sein müsse, schon wegen des weltweiten Roamings. Insgesamt zeigte die an die Vorträge anschließende Diskussion der Experten vor allem eins: Bei LTE scheinen doch noch mehr Fragen offen zu sein, als die selbstbewussten und werbewirksamen Präsentationen für den neuen Standard auf den ersten Blick vermuten lassen - wobei sowohl Technologiehersteller, als auch Netzbetreiber betonen, dass man aus dem mehrjährigen Desaster bei der Einführung von UMTS gelernt habe.

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