Enttäuschend: James-Bond-Handy Nokia 8.3 5G im Kurztest
Kürzlich ist der Schauspieler Sean Connery verstorben. Er gilt unter Film-Fans als "bester James Bond Darsteller aller Zeiten". Bereits im März 2020 sollte der neueste, der 25. James Bond Streifen "Keine Zeit zu Sterben (No Time to die)" mit seinem Nach-Nach-Nachfolger Daniel Craig in die Kinos kommen. Doch es kam anders.
Warum erzählen wir das hier? Der britische Schauspieler Daniel Craig, der den Geheimagenten 007 im Dienste ihrer Majestät verkörpert und seine Kollegen/innen sollte in dem Streifen mit dem "neuen" Nokia Top-Modell 8.3 5G telefonieren, das passend dazu auf den Markt kommen sollte - soweit der ursprüngliche Plan.
Doch dann kam ein Virus, der den Labors eines verrückten James-Bond-Weltherrscher-Gegners entsprungen sein könnte und brachte alles durcheinander. Der Kino-Film wurde erst mal verschoben, auf den Herbst. Ob und wann er nun wirklich gezeigt werden kann, bleibt weiter unklar.
Nokia in Termin-Nöten
Das Nokia 8.3 5G bietet reines Android One, aktuell ist es die Version 10
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Für Nokia wurde es langsam zeitlich eng. Auf der Berliner Messe IFA wurde das Gerät schließlich der Presse offiziell vorgestellt und ist seit kurzem auch im Handel käuflich zu erwerben. Es handelt sich um das erste 5G-Modell unter dem Marken-Namen "Nokia", das HMD Global mit Genehmigung des finnischen Weltkonzerns anbieten und vertreiben darf.
Nur dieses Gerät steht unter keinem guten Stern. Als Nokia das Gerät entwickeln ließ, bedeutete 5G in erster Linie schnelleres Internet auf 3,5-3,8 GHz (Band n78), andere Frequenzen waren da noch nicht vorgesehen. Da aber ein reiner Netzausbau nur auf 3,5 GHz eine Unmenge an Sendetürmen und Standorten erforderlich gemacht hätte, haben die Netzbetreiber begonnen, auch auf niedrigeren Frequenzen mit 5G erfolgreich zu experimentieren.
Da 5G im Moment in Europa und anderswo zunächst nur im sogenannten "NSA-Modus" ausgerollt wird, braucht man eine bereits vorhandene 4G (LTE) Anlage, welche man "Ankerzelle" nennt. Telekom (und Vodafone) verwenden dazu DSS, was bedeutet, dass auf einer Frequenz 4G und 5G parallel gefahren werden kann. Das bedeutet aber auch, dass es unterschiedliche Konfigurationen von Ankerzellen und 5G-Frequenzen gibt und - jetzt kommt der Knackpunkt - damit kommen viele Geräte bislang überhaupt nicht klar.
Chip von Qualcomm
Für das Nokia-Modell 8.3 5G wurde ein Snapdragon 765 von Qualcomm engagiert, der auch mit 5G-DSS klarkommen könnte, dafür wären (vermutlich) noch einige Updates notwendig. Ob der Rest des Nokia 8.3 dafür vorbereitet oder geeignet ist, wissen wir jedoch nicht. Wir haben während des Tests immer und immer wieder nach Updates geschaut, aber bis hinein in den November blieb es bei Android 10 und Patch-Update vom September. Und damit funktioniert 5G - nur eingeschränkt.
5G funktioniert, aber...
Die Rückseite des Nokia 8.3 5G ist rutschig und zieht Staub an
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Wir haben verschiedene SIM-Karten probiert und festgestellt: 5G funktioniert mit dem Nokia 8.3 5G nur in von 3500 MHz versorgten Funkzellen. Die unmittelbar vor Ort verfügbare Netzversorgung der Telekom auf Band n1 (2100 MHz) mit einer Ankerzelle auf Band 3 (1800 MHz) mochte das Nokia gar nicht, wie auch das neue iPhone 12 damit sehr stark fremdelt.
Zum Glück steht in etwa nur 50 km Entfernung von der Wohnung des Autors eine reine 3500-MHz-Station von Vodafone, die für Tests bestens geeignet ist, da sie nur ein kleines Gewerbegebiet an der Autobahn versorgt. Sobald diese 5G-Antenne außer Sichtweite gerät, ist es bei Vodafone mit 5G aus und vorbei. Zum Vergleich, die Telekom versorgt dort mit 5G-DSS, o2 ist noch lange nicht soweit.
Damit fällt ein wesentliches Hauptkaufargument für das Nokia 8.3 5G weg, denn die 5G-Verwendbarkeit ist stark einschränkt. Entweder weil der eigene Netzanbieter noch kaum passende Stationen auf- oder vorhandene umgebaut hat (etwa o2) oder in der "falschen" Technik sendet, die das Nokia nicht versteht.
Pluspunkt: Ein Fingerabdrucksensor
Was uns gut am Nokia 8.3 5G gefallen hat, ist der Fingerabdrucksensor im Ein-/Ausschalter, den hätten wir uns dringend beim brandneuen iPhone 12 gewünscht. Mit dem Fingerabdruck erspart man sich das regelmäßige Eintippen des selbst wählbaren Freigabecodes (4-6 Stellen).
Oberhalb der geriffelten und gut erreichbaren Finger-Abdruck-Sensor-Ein-Aus-Taste finden wir die Wippe für Laut und Leise und links gegenüber die Taste für Googles Assistenten. Unten eine USB-C-Buchse für ein Datenkabel oder ein Ladegerät und erfreulicherweise noch eine separate 3,5-mm-Klinkenbuchse für ein Headset oder Kopfhörer, der auch dem Gerät beigepackt ist. Weiter liegt ein 15-Watt-Ladegerät mit USB-A-Buchse und ein Kabel von USB-A auf USB-C dem Gerät bei, bei Apple gibts neuerdings gerade noch ein Kabel dazu.
Das Nokia 8.3 5G sollte man fest in der Hand halten, denn das Gehäuse könnte beim Ablegen auf kritischen Oberflächen wegrutschen. Der Kameradom auf der Rückseite ist wenigstens mittig angebracht, erlaubt es aber nicht mehr, das Gerät "gerade" hinzulegen. Hier wäre eine passende Tasche zu empfehlen. Eine Schutzhülle packt Nokia seinen Geräten leider nicht bei, viele wesentlich günstigeren chinesischen Kollegen aber schon.
Android One - Version 10
Nokia setzt voll auf Android One, ein möglichst unverbasteltes Android ohne eigene Oberfläche oder Konkurrenzprogramme und mit dem Versprechen, dass es ausreichend und regelmäßig Updates gibt. Nicht nur Sicherheitspatches, sondern auch neue Versionen. Geliefert wird das 8.3 5G mit Android Version 10, somit darf man bald mit Version 11 und sicher auch mit Version 12 rechnen.
Weiter gibt Google allen Käufern eines Nokia 8.3 5G 6 Monate lang kostenlosen 100 GB Speicherplatz in seiner Google One Cloud. Danach kostet es Geld, sofern nicht rechtzeitig vorher gekündigt wird. In der Cloud können beliebige Dateien gespeichert werden, die von Google nicht angefasst (z.B. komprimiert) werden.
Innere Werte
Technisch bekommt man beim 8.3 5G, das beim Original-Hersteller unter dem Codewort "BabyGroot" geführt wird folgendes: 8 GB Arbeitsspeicher und 98 GB interner Datenspeicher, von denen im Betrieb rund 91 GB zur Verfügung stehen. Die reichen in den allermeisten Fällen aus. Wie schon erwähnt, läuft Android 10 mit Sicherheitspatch September, der Linux Kernel hat die Version 4.19.81 und der Prozessor ist ein 64-Bit-ARM von Qualcomm. In ihm schuften acht Kerne mit Takt-Frequenzen zwischen 300 MHz und 2,4 GHz.
Solche Technik und die Grafik-Einheit Adreno 620 findet man auch in vielen anderen Smartphones, also nichts auffälliges. Das Display ist mit 6,8 Zoll angenehm groß und löst mit 1080 mal 2400 Pixel, was ok ist.
Die Kamera - kein Highlight
Indoor-Schnappschuss mit dem Nokia 8.3 5G mit Zeiss-Objektiv
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
Die Hauptkamera wird mit 16-MP-Auflösung angegeben, sie hat eine Blendenöffnung von f/1,9 und eine Brennweite von 5,42 mm. Sie unterstützt Autofokus, Makro, kontinuierliches Video und kontinuierliches Bild.
Schwächer ist die Frontkamera, die man meist für Selfies nutzt, sie hat 6 MP bei einer Blende von f/2.0 und 3,54 mm Brennweite.
Ein paar Schnappschüsse im schlecht beleuchteten Raum im Vergleich zu einem iPhone SE (2020) zeigen klar, die Nokia-Kamera hat bei schlechter Beleuchtung ihre Schwächen. Bilder bei guter Beleuchtung sind kein Problem.
Zum Vergleich das gleiche Motiv als Schnappschuss mit dem iPhone SE 2020
Foto: Henning Gajek / teltarif.de
QR-Codes erkennt die Kamera im Kameramodus nicht. Wer diese anwenden möchte, muss eine extra App dafür installieren. Kurioserweise kann aber die WLAN-Einrichtungsroutine ohne weiteres Zutun QR-Codes zur vereinfachten Einrichtung ohne Eingabe kryptischer Passworte erkennen.
Ein Fazit
Ziehen wir ein Fazit: Kein Wunder, dass James Bond 007 in den Ruhestand gegangen ist. Seine Gagdets waren früher auch irgendwie mehr der Zeit voraus, man denke nur an das Ericsson-Smartphone, mit dem James Bond Pierce Brosnan sein Auto fernsteuern konnte.
Nokia von HMDGlobal muss wieder viel näher an seine Technik heran. Die Vertreter von HMD Global kommen größtenteils aus dem Marketing und Vertriebs-Bereich und weniger aus der Technik. Das bedeutet, dass viele Fragen zu den Möglichkeiten der verbauten Technik nicht schlüssig beantwortet werden können. Lange hat es gedauert, bis Nokia/HMD Global verstanden hat, dass nicht nur LTE/4G, sondern auch VoLTE existenziell wichtig ist. Warum es bei bestimmten Modellen funktioniert oder auch nicht, konnte uns niemand beantworten. Die Menschen die es wissen müssten, bleiben unerreichbar. Viele Kunden sind enttäuscht und wenden sich ab.
Auf das Nokia 8.3 5G bezogen, bedeutet das: Dieses Modell braucht dringend ein Update, um die aktuellen 5G-DSS-Funktionen, wie sie Telekom oder Vodafone im Netz verwenden und o2 in Kürze fest vorhat, seinen Kunden zu ermöglichen.
Der empfohlene Kaufpreis von 649 Euro ist längst aus der Zeit gefallen. Gerade von Herstellern wie Xiaomi oder Oppo und anderen gibt es ähnliche bis bessere Technik - beinahe zur Hälfte des geforderten Preises. Oder der Kunde greift gleich zu einem Modell, wie dem Oppo Reno4 5G, das für empfohlene 699 Euro ab Werk alle gebotenen 5G-DSS-Kombinationen, beispielsweise im Telekom-Netz, beherrscht. Selbst zu aktuellen Straßen-Preisen deutlich unter 600 Euro wäre das Nokia 8.3 5G keine Empfehlung wert, ein Versender aus HongKong ist bereits mit unter 500 Euro dabei. Und der Preis könnte noch fallen.
Eigentlich schade. Die Marke Nokia hat nach wie vor einen guten Klang. Aber die Kunden von damals erwarten einfach mehr "Kult" und mehr Besonderheiten, die andere Hersteller gerade nicht bieten. Und sie erwarten Technik, die "up to date" ist.