WLAN

So verändert das Smartphone das Reisen

Erholung suchen die Menschen im Urlaub, sie wollen den Alltag hinter sich lassen. Doch auch auf Reisen sind viele dauernd online - WLAN gibt es mittlerweile fast überall. Kann man da überhaupt noch abschalten?
Von dpa / Marleen Frontzeck-Hornke

Die Smartphone-Nutzung im Urlaub Die Smartphone-Nutzung im Urlaub
Bild: dpa
Ob im Allgäu, in Spanien oder auf der kleinen Tropeninsel vor Kambodscha: Überall auf der Welt sitzen mittlerweile Touristen in Hotels, Restaurants und Cafés und starren auf ihre Smartphones - "free wifi" sei Dank! Drahtloses Internet hat sich in den vergangenen fünf Jahren rasend schnell über den Globus verbreitet. Und alle machen mit.

Feriendestinationen und Veranstalter entwickeln Apps und Social-Media-Kanäle, um ihre Kunden rund um die Uhr im Netz erreichen zu können. In vielen Touristenorten ist es ein klarer Wettbewerbsnachteil, wenn zum Beispiel ein Lokal kein kostenloses Internet anbietet - die Besucher gehen dann lieber woanders hin. "WLAN ist mittlerweile das Nonplusultra, ein handfestes Bedürfnis der Gäste", sagt Prof. Renate Freericks vom Bremer Institut für Tourismuswirtschaft und Freizeitforschung (BITF).

Doch die ständige Verfügbarkeit des Internets verändert das Reisen. Wie kann der Mensch im Urlaub noch abschalten, wenn er seine Geräte eingeschaltet lässt und dauernd online sein kann?

Erholung im Urlaub durch Internet-Verbindung?

Die Smartphone-Nutzung im Urlaub Die Smartphone-Nutzung im Urlaub
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Prof. Peter Zellmann warnt vor pauschalem Kulturpessimismus: "Es gibt Menschen, die im Urlaub gerade durch die Verbindung mit der Familie oder dem Büro durchaus zufrieden sind", sagt der Leiter des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung in Wien. Für diese Menschen trage es zur Erholung bei, eben wenn sie nicht abgeschnitten sind. "Besonders jüngere Menschen wollen diese Nabelschnur. Sie fühlen sich dadurch nicht beeinträchtigt."

Zellmann unterscheidet in diesem Zusammenhang zwischen Kontrast- und Komplementärurlaubern. Komplementär, das heißt ergänzend - dieser Urlauber holt sich auf seiner Reise das hinzu, was ihm zu Hause fehlt. Oft sind das einfach Sonne und Meer, aber sonst läuft der Tag ähnlich ab wie daheim. Er ist also auch häufig online. Der Kontrasturlauber will möglichst das Gegenteil dessen, was er kennt. Damit gehen auch andere Routinen und Gewohnheiten einher - zum Beispiel ein Abschalten der Geräte.

Informationsfunktion des Netzes

Aber wann ist das Smartphone im Urlaub nun störend für den Erholungseffekt oder sogar - ungesund? Prof. Freericks plädiert dafür, sich die Motive für die Internetnutzung anzuschauen. Und da rückt zunächst einmal die Informationsfunktion des Netzes ins Blickfeld. So hilft zum Beispiel Google Maps bei der Wegsuche in der fremden Stadt. "Ich bekomme eine schnelle Orientierung vor Ort und kann mich leichter zurecht finden. Das ist sehr nützlich", findet die Professorin, die sich in ihrer Forschung viel mit der Zeitnutzung des Menschen beschäftigt.

Hotelbewertungen, die Adresse des Restaurants und Empfehlungen für Sehenswürdigkeiten sind heute nur noch wenige Klicks entfernt. Es gibt Apps, die öffentliche Toiletten finden, fremde Schriftzeichen übersetzen oder in verschiedenen Währungen die Reisekasse verwalten. Das Smartphone macht das Reisen um einiges leichter als in früheren Zeiten. Die Suche nach praktischen Informationen ist aber nur ein Motiv für die Nutzung des Handys - und wahrscheinlich frisst es noch am wenigsten Zeit.

Soziale Funktion des Internets

Motiv zwei ist die soziale Funktion des Internets: die Kommunikation und der Austausch mit den Daheimgebliebenen. Prof. Freericks spricht von "demonstrativem Konsum": "Ich mache eine Erfahrung, die ich gleich wieder mitteile." Man will seine Freude teilen, vielleicht auch etwas angeben. "Früher haben die Leute Postkarten verschickt, heute schicken sie Live-Bilder." Und so werden fleißig Fotos vom Traumstrand, Kamelreiten oder Sundowner auf Facebook hochgeladen und die Freunde per Whatsapp über den wunderbaren Urlaub auf dem Laufenden gehalten.

Amadeus Germany, IT-Dienstleister für die Reisebranche, hat kürzlich in einer Studie die globalen Reisetypen der nahen Zukunft identifiziert. Ein Typ ist der Selbstdarsteller, der die Anerkennung seines sozialen Umfelds sucht und deshalb besonders stark soziale Medien nutzt. Er möchte ein Publikum für seine Abenteuer haben. Für diesen Urlauber ist freies WLAN am Urlaubsort schon fast Pflicht, er will seine Geräte gar nicht abschalten - sonst verliert das Reisen seinen Sinn und Zweck.

Das ziellose Surfen

Nützliche Infos finden, ab und zu ein Bild hochladen, ein wenig mit Freunden schreiben - sind das schon alle Gründe, weshalb Touristen an den schönsten Orten der Welt über ihren Smartphones sitzen? Aus Sicht von Prof. Freericks kommt noch ein drittes Motiv hinzu, das man mit Zerstreuungsfunktion umschreiben könnte. Die Nachrichtenseiten verfolgen, im Lieblingsforum vorbeischauen, Facebook durchstöbern: Es ist das ziellose Surfen, das oft unbewusst beginnt, weil man gerade nichts zu tun hat. Für viele ist das im Alltag schon ein Automatismus. "Und diese Gewohnheit nimmt man in den Urlaub mit und legt sie dort auch nicht so schnell ab", sagt Freericks. Und das ist ein Problem.

Der Erholungseffekt des Urlaubs stelle sich auch durch den räumlichen Abstand von Zuhause ein, erläutert Julia Scharnhorst, Präsidiumsmitglied im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. "Man ist an einem Ort, wo es anders aussieht, wo ganz andere Dinge passieren, und plötzlich denkt man auch andere Dinge." Durch das Smartphone aber ist sozusagen die "bekannte Welt" immer nur einen Handgriff entfernt. Jedes Mal, wenn der Urlauber online geht, reißt er sich aus der anderen Welt, die ihn umgibt, heraus.

Strand statt Smartphone

Viele Menschen sagen nach dem Urlaub: Es ist ja gar nicht viel passiert - und meistens stimmt das. Die Informationshappen, die das Smartphone unterwegs bietet, legen eher das Gegenteil nahe: Es lohnt sich, jetzt noch schnell auf diesen Link zu klicken! "Diesen angenehmen Effekt, dass die Welt auch ohne einen weiterläuft, den hat man nur, wenn man sich ausklinkt", sagt Scharnhorst. "Wie relativ unwichtig die Dinge sind, die einen sonst stressen, merkt man aber nicht, wenn kein Abstand da ist."

Doch was kann man tun, wenn diese latente Ungeduld aufkommt, die einen doch wieder zum Handy greifen lässt? Scharnhorst rät: "Ablenken statt aussitzen". Also lieber ab an den Strand als das Telefon anstarren und sich zu sagen: "Ich bin stärker!" Denn das Bedürfnis, sich dem Smartphone zu widmen, sei immer auch ein Zeichen von Langeweile, sagt die Gesundheitspsychologin.

Trotz der Vorteile des Internets rät Scharnhorst dazu, sich im Urlaub in seinem Onlinekonsum bewusst einzuschränken - auch wenn die Gewohnheit nur schwer abzulegen ist. "Morgens auf unser Smartphone zu gucken: So eine Routine müssen wir ganz bewusst brechen." Der Tipp, den die Psychologin geben kann, ist ebenso einfach wie schwierig: das Gerät einfach auslassen.

"Der Urlaub ist nach Weihnachten die emotionalste Zeit im Jahr", sagt Freizeitforscher Prof. Zellmann aus Wien. Und wer will da am Ende schon sagen, dass er die ganze Zeit nur auf sein Handy geschaut hat?

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