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Überraschender Abgang: Unsichere Zukunft für Joyn?

Es ist eine über­raschende Perso­nalie kurz vor Weih­nachten. Geschäfts­füh­rerin Katja Hofem verlässt Joyn Anfang 2021, ab Februar über­nimmt eine Doppel­spitze. Nun kommen Fragen zur Zukunft des Strea­mers auf.
Von Björn König

Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig
Foto: Joyn GmbH
Wenn Mitar­beiter ein Unter­nehmen verlassen, ist das meis­tens eher eine persön­liche Ange­legen­heit und nicht sonder­lich berich­tens­wert. Eine Perso­nalie im Hause ProSiebenSat.1/Disco­very lässt nun aber doch aufhor­chen: Katja Hofem verlässt Joyn kurz­fristig bereits im Januar. Wer sich häufiger mit den Themen Strea­ming und Medien ausein­ander­setzt, hat den Namen ganz sicher schon gehört. Katja Hofem zählt zu den profi­lier­testen Topma­nage­rinnen der Medi­enbranche und stand auch unserer Redak­tion in Inter­views zu Joyn schon häufiger Rede und Antwort. Sie kann auf Führungs­posi­tionen bei der Medi­engruppe RTL, Disco­very Networks und ProSiebenSat.1 zurück­bli­cken. Zuletzt war Hofem maßgeb­lich am Aufbau des Strea­ming-Dienstes Joyn betei­ligt. Dass ausge­rechnet sie nun von Bord geht, lässt zumin­dest nichts Gutes für Joyn erahnen, welches einst das Herzens­pro­jekt des dama­ligen ProSiebenSat.1-CEO Max Conze war.

Bislang viel erreicht

Zum Abschied fand Katja Hofem warme Worte für die gemein­samen Erfolge: "Ich bin sehr dankbar, dass ich mit einem tollen Team eine erfolg­reiche Marke für den deut­schen Strea­ming­markt aufbauen konnte. Die Zeit bei Joyn war eine Erfah­rung, die ich in meiner beruf­lichen Lauf­bahn nicht missen wollte und ich bin stolz darauf, welche Dynamik das Unter­nehmen im Hinblick auf Nutzer­zahlen und Beliebt­heit entwi­ckelt hat. Nun ist die Zeit für mich gekommen, mich neuen Aben­teuern in meinem Leben zu widmen und ich freue mich auf alles, was da so kommen wird. Ich danke den Gesell­schaf­tern von ProSiebenSat.1 und Disco­very Networks für das Vertrauen und die Chance, die sie mir gegeben haben. Dem Joyn-Team wünsche ich von Herzen weiterhin viel Erfolg und den tollen Spirit, der es trägt."

Den Dank erwi­derte auch Wolf­gang Link, ProSiebenSat.1-Vorstand und CEO der Seven.One Enter­tain­ment Group: "Joyn hat sich im ersten Jahr auf dem Markt mit knapp vier Millionen Unique Usern im Monat erfolg­reich entwi­ckelt und als beliebte Aggre­gator-Platt­form etabliert. Für diese hervor­ragende Umset­zung bedanke ich mich herz­lich bei Katja Hofem. Katja zählt zu den versier­testen Medi­enma­che­rinnen in unserem Busi­ness. Sie hat es mit ihrer lang­jäh­rigen Exper­tise geschafft, aus Joyn in kürzester Zeit eine Erfolgs­geschichte zu machen. Danke für Deinen unglaub­lichen Einsatz. Danke für Deinen Drive - und alles Gute für Deinen weiteren beruf­lichen Weg, liebe Katja."

Susanne Aigner, Geschäfts­füh­rerin Disco­very GSA & Benelux, ergänzt: "Ich kenne Katja seit 14 Jahren - zuerst aus ihrer Zeit bei Disco­very, dann als Führungs­kraft in verschie­denen Funk­tionen bei ProSiebenSat.1 und zuletzt als Geschäfts­füh­rerin bei unserer Joint Venture-Platt­form Joyn. Ihre Erfah­rung und Profes­sio­nalität sowie ihre Leiden­schaft für die Branche und das Bewegt­bild, haben sie zu einer der profi­lier­testen Medi­enma­nage­rinnen in Deutsch­land gemacht. Es war mir immer eine Freude und Anre­gung, mich mit ihr auszu­tau­schen und mit ihr zusam­men­zuar­beiten." Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig Katja Hofem verlässt Joyn kurzfristig
Foto: Joyn GmbH

Unglück­liche Umstände

Für Joyn kamen in diesem Jahr einige mehr als unglück­liche Umstände zusammen. Da wäre einer­seits der unfrei­wil­lige Abgang von ProSiebenSat.1-CEO Max Conze im März dieses Jahres. Er musste das Unter­nehmen unter anderem aufgrund nega­tiver Kritik an seiner Arbeits­weise mit sofor­tiger Wirkung verlassen, galt aber wie gesagt als großer Befür­worter des Strea­ming-Projekts. Im glei­chen Monat star­tete außerdem Disney+ in Deutsch­land und wurde zur ernsten Konkur­renz für Joyn.

Oben­drein verlor ProSiebenSat.1 seine Topma­nagerin Eun-Kyung Park an den Micky-Mouse-Konzern. Ausge­rechnet dort wurde sie Senior Vice Presi­dent/General Manager Media und war damit auto­matisch auch für Disney+ zuständig.

Im August verließ schließ­lich Co-Geschäfts­führer Alex­andar Vassilev Joyn und die Corona-Pandemie bremste auch noch zahl­reiche Produk­tionen. Kurzum: Es läuft aktuell alles andere als rund. Doch was ist nun der Grund, warum eine so renom­mierte Medi­enma­nagerin wie Katja Hofem von Bord geht? Darüber kann man als Außen­ste­hender natür­lich nur speku­lieren, es gibt aber deut­liche Anzei­chen, dass ProSiebenSat.1 seine Pläne für den Streamer geän­dert hat.

CEO hat wenig Vertrauen in Strea­ming

Rainer Beau­jean über­nahm als Nach­folger von Max Conze den Chef­sessel bei ProSiebenSat.1. Er ist Finanz­vor­stand des Medi­enkon­zerns und gilt dort eher als Mann der trockenen Zahlen. Darüber hinaus hat er in einem Inter­view mit der Süddeut­schen Zeitung bereits seine Skepsis gegen­über Abo-Modellen im Strea­ming deut­lich gemacht. So glaubt er nicht, dass sich alle Ange­bote auf Dauer mone­tari­sieren lassen, auch wenn er diese zusätz­liche Option für ProSiebenSat.1 grund­sätz­lich begrüßt.

Es lässt sich zumin­dest heraus­hören, dass Joyn inner­halb von ProSiebenSat.1 unter Beau­jean nicht mehr die höchste Prio­rität genießt. Vermut­lich will der CEO ProSiebenSat.1 wieder zu seinen Wurzeln mit werbe­finan­zierten Live TV zurück­führen. Darauf deutet auch hin, dass man wieder ins Nach­rich­ten­geschäft einsteigen und alle News-Ange­bote der Sender­gruppe in den nächsten Jahren in Unter­föh­ring zusam­men­führen will. Deshalb zieht sich ProSiebenSat.1 auch aus der Koope­ration mit Axel Springer/WELT zurück. Mögli­cher­weise ist der Abgang von Katja Hofem also nur die letzte Konse­quenz einer längeren Entwick­lung.

Eine Einschät­zung (von Björn König)

Der Abschied von Katja Hofem ist auf jeden Fall ein Verlust für die deut­sche Strea­ming-Land­schaft, ganz beson­ders natür­lich für Joyn. Sie ist zwei­fellos eine versierte Medi­enma­nagerin mit großer Erfah­rung. Deshalb dürfte sie auch sehr schnell einen neuen Job inner­halb oder außer­halb der Medi­enbranche finden.

ProSiebenSat.1 steht nun jedoch vor der zentralen Frage: Weiter Geld in Strea­ming inves­tieren oder das Feld RTL und der US-Konkur­renz über­lassen? Letz­tere Entschei­dung würde zwar kurz­fristig Geld sparen, wäre aber lang­fristig ein Verlust für den Strea­ming-Markt. Außerdem würde dem Konzern eine wich­tige Option fehlen, seine Inhalte zu mone­tari­sieren.

Letzt­end­lich wäre die Entschei­dung wohl ein Fehler, so wie es seiner­zeit auch stra­tegisch unklug war, vorerst aus dem Nach­rich­ten­geschäft auszu­steigen. Spätes­tens im kommenden Jahr wird man sehen, wie die neue Doppel­spitze unter Tassilo Raesig und Jochen Cassel Joyn ausrichtet.

Noch im November spra­chen wir mit Katja Hofem über aktu­elle Pläne für Joyn.

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