Joyn: Warum es bei der "Super-Plattform" hakt
In Aktiengesellschaften ist es Usus, Aussagen des Managements mit einem Zukunftsvorbehalt zu versehen. Mit anderen Worten: Es gibt zwar konkrete Pläne, diese könnten aber letztendlich wieder umgeworfen werden, wenn sich die Rahmenbedingungen im Unternehmen ändern. In so einer Situation befindet sich derzeit ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets. Der ehemalige RTL-Manager will ProSiebenSat.1 digital und im Streaming für die Zukunft fit machen.
Mehr noch, Joyn soll die führende nationale Streaming-Plattform werden und es mit Netflix, Amazon und Disney aufnehmen. Der Plan ist allerdings nicht wirklich neu, und an den bestehenden Hürden hat sich im Grundsatz wenig geändert. Tatsächlich sind die Rahmenbedingungen jetzt sogar noch komplexer.
Zu viele Partikularinteressen
Wird die nationale Streaming-Plattform von Joyn Realität?
Bild: Joyn
Auf den ersten Blick hört es sich simpel und schlüssig an, alle deutschen Medienmarken auf einer gemeinsamen Streaming-Plattform zu vereinen. Die Realität sieht allerdings ganz anders aus. So schaffen es derzeit nicht einmal die öffentlich-rechtlichen Sendergruppen ARD und ZDF ihren Content auf einer gemeinsamen Plattform zusammenzuführen. Wenn ein solches Projekt jemals Realität wird, dann eher mittel- bis langfristig
und auch nur unter erheblichem organisatorischen und technischen Aufwand. Kurzfristig hat sich die Lage sogar verschlechtert, denn mit ARD Plus existiert derzeit ein zusätzliches SVoD-Produkt. Hinzu kommt: Bei den eigenen Ambitionen zurückzufahren steht für die ARD nicht auf der Agenda, so forderte deren Chef Kai Gniffke sogar deutlich mehr Geld für eigene Streaming-Projekte.
RTL ist mit sich selbst beschäftigt
Bertelsmann-Chef Thomas Rabe steht derzeit buchstäblich vor den Trümmern seiner Strategie. In Gütersloh sind die eigenen Herausforderungen bereits immens, man denke an das Fiasko im Verlagsgeschäft von Gruner + Jahr. Außerdem wollte Rabe mit RTL+ eine konzerneigene "Super-Plattform" aus Video, Audio und Print erschaffen. Wirklich funktioniert hat auch dieses Konzept nicht.
Das ist einigermaßen bemerkenswert, denn Bertelsmann hat in Sachen Content deutlichen Vorsprung gegenüber ProSiebenSat.1. Zum Konzern gehören neben RTL auch starke Marken wie BMG und Penguin Random House. Auf der anderen Seite steht ProSiebenSat.1 vor signifikanten Sparmaßnahmen, Entertainment-Vorstand Wolfgang Link geht, und auch das Produktionsgeschäft von Red Arrow Studios in den USA ist bereits Geschichte.
Sich vor diesem Hintergrund in einen direkten Wettbewerb mit Netflix und Disney stürzen zu wollen, wirkt vorsichtig formuliert schon einigermaßen ambitioniert. Dazu müsste ProSiebenSat.1 zunächst sehr viel mehr Geld in Content investieren, und diesbezüglich bleibt die Frage offen, woher dieses Geld überhaupt kommen soll. Das aktuelle Zahlenwerk in Unterföhring lässt jedenfalls nicht viel Interpretationsspielraum in eine solche Richtung zu.
Eigentümer mit konkreten Plänen
Abgesehen von allen bestehenden Herausforderungen müssen am Ende ohnehin die Eigentümer entscheiden, in welche Richtung es strategisch für ProSiebenSat.1 geht. Ein großer Teil der Aktien befindet sich zwar immer noch im Streubesitz, doch mit MFE und PPF/CME sind zwei strategische Investoren mit signifikanten Beteiligungen in Unterföhring an Bord. Beide Medienkonzerne haben durchaus unterschiedliche Vorstellungen, wie sich das Streaming-Geschäft für sie selbst entwickeln wird, dennoch eint sie die europäische TV-Vision.
MFE und CME konstruieren keinen nationalen, sondern einen europäischen Champion. Rein auf Deutschland fokussierte Projekte wie Joyn passen dabei nicht wirklich ins Konzept, so hat CME seinen Streaming-Dienst Voyo bereits in fünf Märkten gelauncht. Allein schon aus Kostengründen gäbe es für CME keinen Grund, verschiedene Streaming-Marken in einzelnen Ländern zu führen.
Am Ende muss der ProSiebenSat.1-CEO seine nationale Streaming-Vision womöglich wieder in der Schublade verschwinden lassen. Ganz unschuldig wäre er daran allerdings auch selbst nicht, denn entsprechende Avancen von ProSiebenSat.1 scheiterten schon früher ausgerechnet an RTL. Damals trug übrigens Habets dort noch Verantwortung.
In einer weiteren Meldung geht es um: Joyn: Darum ist Streaming für ProSiebenSat.1 alternativlos.