Bedenken

Handelsblatt: Sorgen um die Zukunft der Telekom

Laufend gute Zahlen, das macht Bran­chen­beob­achter nervös. Wedelt der Schwanz (T-Mobile US) mit dem Hund (Telekom Europa)? So sieht es das "Handels­blatt".
Von

Seit vielen Quar­talen meldet die Deut­sche Telekom immer bessere Zahlen. Das macht manche Bran­chen­beob­achter "miss­trau­isch". Die renom­mierte Wirt­schafts­zei­tung "Handels­blatt" vergleicht die Deut­sche Telekom mit dem "Schein­riesen" (Tur Tur) aus dem Kinder­buch "Jim Knopf und Lukas, der Loko­motiv­führer". Der Riese Tur Tur ist ein Wesen, das aus der Entfer­nung riesig wirkt und immer kleiner wird, je näher man kommt. Dabei sei der Riese freund­lich und hilfs­bereit. Passt der Vergleich?

Sorgen um Entwick­lung

Die Telekom eilt von Erfolg zu Erfolg, das macht Branchenbeobachter misstrauisch. Die Telekom eilt von Erfolg zu Erfolg, das macht Branchenbeobachter misstrauisch.
Foto: Picture Alliance/dpa
Nun will das Handels­blatt heraus­gefunden haben, dass das Telekom-Manage­ment in Sorge wegen Geschäfts­ent­wick­lung auf dem US-Markt sei. Insi­dern zufolge wachse die Sorge vor Schwie­rig­keiten im wich­tigen US-Geschäft. Die Tochter T-Mobile US, die mehr als zwei Drittel des berei­nigten Konzern­gewinns erwirt­schaftet, gehört zu den wich­tigsten Anbie­tern. Teile des Manage­ments, so die Wirt­schafts­zei­tung seien „alar­miert", da wesent­liche Stränge der Konzern­stra­tegie von einer weiterhin posi­tiven Geschäfts­ent­wick­lung von T-Mobile US abhängen.

Besser als der Markt

Zum Bericht des Handels­blatts äußerte sich ein Telekom-Spre­cher auf Anfrage nicht konkret. T-Mobile US „performt besser als der Markt“, hieß es in Bonn. Die Wett­bewerbs­inten­sität auf dem US-Mobil­funk­markt hatte sich jüngst aber­mals verschärft; manche Experten halten ihn für gesät­tigt. Gleich­zeitig kämpfen in den USA nun etwa auch (TV-)Kabel­anbieter verstärkt mit Kombi­pro­dukten (FMC = Fixed Mobile Conver­gence) um Mobil­funk­kunden. T-Mobile US bietet statt­dessen FWA (Fixed Wire­less Access = Internet im Haus über Funk) an, mit zuneh­mendem Erfolg, gerade tief in der Provinz.

Die zuletzt meist wach­senden Umsätze und Gewinne von T-Mobile, an der die Telekom sich im April eine knappe Aktien-Mehr­heit sicherte, waren die wich­tigsten Treiber für die gute Geschäfts­ent­wick­lung der letzten Jahre.

Erfolg in den USA - wichtig für den Konzern

Der Erfolg von T-Mobile US gilt als ein wesent­licher Faktor für die in Aussicht gestellte Anhe­bung der Divi­dende sowie den geplanten Schul­den­abbau der Telekom. Kein anderer deut­scher Konzern ist derzeit ähnlich hoch verschuldet. Für das abge­lau­fene Quartal vermel­dete die Telekom Netto­ver­bind­lich­keiten in Höhe von rund 133,5 Milli­arden Euro. Aller­dings hat die Telekom z.B. durch ihren "Teil­ver­kauf" der Funk­turm-Stand­orte oder den Verkauf von T-Mobile NL wieder etwas Geld in die Kasse einge­nommen.

Wenig Inter­esse an Glas­faser?

In großen deut­schen Städten fällt es der Telekom offenbar schwer, ihre neuen Glas­faser­tarife zu verkaufen, berichtet das Handels­blatt weiter. Insi­dern zufolge komme sie hier bislang im Durch­schnitt auf eine Abschluss­quote von weniger als zehn Prozent der poten­ziell versorg­baren Haus­halte.

Beson­ders leis­tungs­fähige, soge­nannte "Gigabit-Tarife" (1 GBit/s down bzw. 200 MBit/s up) laufen demnach aufgrund ihres hohen Preises (z.B. für 79,95 Euro im Monat) beson­ders schlecht. Vor allem in Groß­städten habe die Telekom „erheb­liche Probleme“, sagte Torsten Gerpott von der Univer­sität Duis­burg-Essen dem Handels­blatt. Vorläu­figen, von ihm erho­benen Daten zufolge schwä­chelt die so genannte Take-up-Rate (also die Quote von Glas­faser­anschlüssen, die dann auch wirk­lich gebucht und genutzt werden) „auch im laufenden Jahr“.

Ein Telekom-Spre­cher teilte auf Anfrage mit, dass er die schlechte Quote „nicht bestä­tigen könne“. Er betonte, dass der Konzern den Glas­faser­ausbau als „lang­fris­tiges Projekt“ sehe, das hatten auch Telekom-Chef Tim Höttges und sein Deutsch­land-Chef Srini Gopalan schon mehr­fach auf Nach­frage klar­gestellt.

Drei Millionen Haus­halte

Die Telekom will in diesem Jahr bis zu drei Millionen Haus­halte in Deutsch­land neu mit Glas­faser versorgen. Die Kabel liegen dann in der Regel jedoch zunächst bloß in der Straße und noch nicht bei den Kunden Zuhause oder enden schon im Keller des Hauses, sind aber u.U. noch nicht akti­viert. Von den bis Ende 2022 rund 5,4 Millionen von der Telekom poten­ziell versorgten Haus­halten hatten bis 31. März ledig­lich 769.000 Kunden einen Glas­faser­anschluss akti­vieren lassen.

Eine Einschät­zung (von Henning Gajek)

"Der Schwanz wedelt mit dem Hund", schreibt das Handels­blatt und verweist darauf, dass der Erfolg des Gesamt­kon­zerns Deut­sche Telekom im wesent­lichen auf den von T-Mobile USA zurück­zuführen sei. In Amerika hatten die fest etablierten Unter­nehmen AT&T und Verizon den Mobil­funk lange verschlafen. T-Mobile US krem­pelte unter ihrem charis­mati­schen Chef John Legere (den René Ober­mann noch einge­stellt hatte) als "Un-Carrier" lange den Markt um und machte alles anders. Das war erfolg­reich und Mobil­funk ist in den USA deut­lich teurer (und renta­bler) als hier­zulande.

Mobil­funk und Internet: Nice to have, aber bitte nicht so teuer.

In Deutsch­land und Europa haben wir das Problem, dass Mobil­funk als "Commo­dity" (haben wir, brau­chen wir, soll aber möglichst nichts kosten) und das Fest­netz - gerade bei jüngeren Nutzern - als eigent­lich unnötig oder über­flüssig gesehen wird. Dann haben wir aktuell starke Preis­stei­gerungen im Alltag. Da wird die Frage, ob es ein schnel­lerer Internet-Anschluss sein darf, der 80 oder noch mehr Euro im Monat kosten könnte, in den Hinter­grund gedrängt: Brau­chen wir nicht, wollen wir nicht, zu teuer.

In Städten liegt meis­tens schon relativ schnelles Fest­netz über Kupfer­tech­nologie. In der Provinz, wo das Fest­netz schlecht, fehlt oder veraltet ist, würden die Leute gerne schneller surfen, aber mehr bezahlen? Dann lieber doch nicht. Und in der Provinz sind die Erschlie­ßung­kosten pro Anschluss weitaus höher, ein Teufels­kreis.

Die Telekom ist dazu verur­teilt, weiter ihr Netz massiv auszu­bauen und dem Kunden zu vermit­teln, dass vernünf­tige Qualität auch Geld kostet. Im Moment gelingt das noch, weil der Rest­markt stark zersplit­tert ist und die Finanz­chefs der Konkur­renten oft nur auf den Preis und die Kosten schauen.

Mancher Kunde, der es bei der Konkur­renz "versucht" hat, kehrt später "reumütig" zur Telekom zurück. Aber auch bei der Telekom gibt es Kosten­rechner. Und dann besteht die Gefahr, dass der USP (Allein­stel­lungs­merkmal) der Telekom, das der besseren Qualität, drunter leiden könnte. Und dann würde es für die Telekom "richtig schwierig".

Das Netz­beob­ach­tungs­unter­nehmen Open­signal hat sich aktuell den deut­schen Markt ange­schaut: Die Telekom liegt weiter vorne.

Weitere News zum Thema Business & Geschäftskunden