Fragwürdig

User-Feedback: Nokia, Samsung & Co. lassen sich "unterstützen"

Marketing-Community trnd nutzt die Macht der Masse aus
Von Marie-Anne Winter / Steffen Herget

Dooyoo, Ciao.de, Yopi, idealo.de und viele ähnliche Plattformen für Produkt-Erfahrungen haben großen Zulauf. Sie sind bei vielen Internet-Nutzern hochgradig beliebt, denn auf solchen Webseiten finden sich Tests und Erfahrungsberichte zu den verschiedensten Produkten, und das nicht etwa von bezahlten Experten oder Firmenangehörigen, sondern von privaten Nutzern, den berühmten Otto-Normalverbrauchern. So sollte es zumindest sein, doch immer stärker nehmen auch professionelle Werbe-Agenturen und Unternehmen Einfluss auf diese Plattformen. Eine davon ist die Marketing-Community trnd.

Datenblätter

Marketing-Community trnd Marketing-Community trnd
Screenshot: teltarif.de
Aufmerksam geworden sind wir auf trnd durch einen Eintrag im teltarif.de-Forum. Unter einem Testbericht zu einem aktuellen Smartphone wurde ein - mittlerweile gelöschter - langer Post mit eigenen Erfahrungen hinterlassen, in dem auf die trnd-Homepage gelinkt wurde. Dort beschreibt sich das Unternehmen selbst unter dem Motto "Marketing zum Mitmachen". Es handelt sich hier um eine Community, zu der sich die Nutzer - inzwischen in sechsstelliger Zahl - kostenlos anmelden und ihre Interessen angeben können. Bei passenden Werbe-Projekten, die aus verschiedensten Produktbereichen stammen können, werden dann ausgewählte Mitglieder der Community kontaktiert und eingeladen, an der Aktion mitzuwirken. Die Firmen stellen Test-Exemplare des jeweiligen Produktes, die Nutzer haben verschiedene Aufgaben zu erfüllen und ihre Meinung unter das Volk zu bringen. Darüber hinaus dürften die Unternehmen allerdings auch trnd selbst entlohnen müssen, schließlich möchte die Community auch finanziert werden. Im Regelfall dürfen alle oder ausgewählte Testpersonen das Produkt am Ende des Tests behalten. Auch wenn dies nicht immer im Vorfeld angekündigt wird, dürfte doch die Mehrheit der Testpersonen davon ausgehen. In der Vergangenheit gab es bei trnd mehrere Kampagnen zu Handys und Smartphones, etwa von Sony Ericsson, dem Blackberry-Hersteller Research In Motion (RIM), Samsung und Nokia. Zuletzt wurde im März ein Projekt zum Lumia 800 und Lumia 710 durchgeführt, im vergangenen Jahr war das Samsung Galaxy S II an der Reihe. Diese beiden Aktionen haben wir näher betrachtet.

Phänomen von Hotel-Bewertungen bekannt

Nun sind Erfahrungsberichte, die eine spezielle Motivation mitbringen, nicht wirklich neu. Besonders die Vergleichsportale für Hotels leiden bereits seit einiger Zeit darunter, dass in großem Maße Fake-Bewertungen abgegeben werden. Deren Ziel ist es entweder, ein Hotel besonders gut aussehen zu lassen, oder der Konkurrenz mit negativen Kritiken Schaden zuzufügen - mit der Konsequenz, dass die Testberichte auf Portalen wie etwa Trip Advisor oder Holiday Check immer weniger glaubwürdig erscheinen. Gerade letzteres Verhalten konnten wir bei unserer Recherche zu trnd immerhin nicht feststellen, die Erfahrungsberichte, Kommentare und Reviews sind im Regelfall positiv und betreffen nur das zu bewerbende Produkt. Die Konkurrenz wird hier nicht an die Wand genagelt.

Eines muss man trnd in jedem Falle lassen: Das Unternehmen geht äußerst transparent mit den Vorgängen um. So findet sich auf der trnd-Homepage eine lange Liste mit Projekten aus der Vergangenheit, in denen trnd mit Firmen aus verschiedensten Bereichen zusammengearbeitet hat. Zu jedem dieser Projekte gibt es ausführliche Beschreibungen, Ergebnisse und Diskussionen. Auch Unternehmensvertreter melden sich zu Wort, so beispielsweise ein Mitarbeiter von Samsung, der in einem Video die Durchführung und Ergebnisse der Kampagne in höchsten Tönen lobt.

Im Zuge der Nokia-Lumia-Aktion haben die 100 ausgewählten Online-Reporter vielfältige Aufgaben zu erledigen: Sie sollen das Handy ausführlich testen, drei Online-Fragebögen ausfüllen, die Meinungen ihrer Freunde und Kollegen mitteilen und fünf bis zehn "Reportagen" im Internet veröffentlichen. Diese können aus Texten, Videos oder Fotos bestehen. trnd empfiehlt explizit, diese unter anderem bei Produkt­bewertungs­plattformen und Online-Shops wie ciao.de und Amazon unterzubringen. Wer sich durch diese Beiträge, die häufig ebenfalls auf trnd.com verlinkt sind, durchklickt, sieht nahezu ausnahmslos positive Bewertungen und Lobeshymnen auf die Smartphones - ein Schelm, wer Böses dabei denkt. So ganz unberechtigt ist das zwar nicht, schließlich kassierten die aktuellen Lumia-Smartphones etwa auch in den Testberichten auf teltarif.de gute Noten. Es stellt sich allerdings die Frage nach der Objektivität der Tester, die bereits das kostenlose Smartphone im Hinterkopf haben könnten. Auch das technische Hintergrundwissen, um die Smartphones seriös bewerten zu können, dürften nicht alle Testpersonen aufweisen. Bei 100 Testern, die jeweils eine Vielzahl an Berichten auf verschiedenen Portalen posten, kommen so schnell Ergebnisse zustande, die eventuell nicht neutraler Natur und daher auch nicht unbedingt für den unbedarften Nutzer verlässlich sind. Das widerspricht der Grundidee von Nutzerbewertungen, egal ob bei Online-Shops oder anderen Portalen.

Auf der zweiten Seite erfahren Sie, wie die beteiligten Handy-Hersteller dieses Marketing-Instrument beurteilen.

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