Mobiles Internet

Erster Test: Das leistet 5G Standalone im Vodafone-Netz

Voda­fone startet sein vom LTE-Stan­dard unab­hän­giges 5G-Netz. Wir konnten 5G Stan­dalone bereits einem ersten Test in Frank­furt am Main unter­ziehen.
Aus Frankfurt am Main berichtet

Wie berichtet hat Voda­fone als nach eigenen Angaben erster Mobil­funk-Netz­betreiber in Europa sein 5G-Netz auf eigene Beine gestellt. Anstelle von 5G Non-Stan­dalone (NSA) kommt nun die 5G-SA-Technik (Stan­dalone) zum Einsatz. Anders als bisher ist 5G nicht mehr eine Erwei­terung des bestehenden LTE-Netzes, das für höhere Über­tra­gungs­geschwin­dig­keiten sorgen kann. Statt­dessen funk­tio­niert 5G ohne eine weitere Netz­tech­nologie.

Oppo Find X3 Pro 5G

Im ersten Schritt hat Voda­fone die knapp 1000 Antennen an mehr als 300 Stand­orten auf 5G SA aufge­rüstet, die im Frequenz­bereich um 3500 MHz arbeiten. Das bedeutet aber nicht, dass 5G NSA wegge­fallen ist. Den bishe­rigen Stan­dard gibt es an allen Stand­orten, an denen die neue Netz­tech­nologie einge­führt wird, auch länger­fristig weiterhin parallel. 5G NSA bietet sogar einen Vorteil, wie wir bei einem Test in Frank­furt am Main fest­gestellt haben.

Darum haben wir in Frank­furt am Main getestet

5G Standalone im Test mit dem Oppo Find X3 Pro 5G 5G Standalone im Test mit dem Oppo Find X3 Pro 5G
Foto: teltarif.de
Der Test-Standort in der Main-Metro­pole war nicht zufällig gewählt, denn hier hat der Düssel­dorfer Mobil­funk-Netz­betreiber auch sein erstes von insge­samt zehn geplanten 5G-Rechen­zen­tren in Betrieb genommen. Das heißt, hier sind die Wege von der Basis­sta­tion ins Internet beson­ders kurz. Damit kann 5G SA hier einen seiner Vorteile gegen­über 5G NSA ganz beson­ders ausspielen: nied­rige Latenz­zeiten.

Wir waren für den Test an einem Standort, denn wir bereits aus dem vergan­genen Jahr kennen: Die Basis­sta­tion in einem Indus­trie­gebiet in Frank­furt-Sossen­heim war seiner­zeit der erste 5G-Standort von Voda­fone im gesamten Rhein-Main-Gebiet. Funkte die Station seiner­zeit nur im 3500-MHz-Bereich, so gibt es mitt­ler­weile auch 5G im DSS-Betrieb auf 1800 MHz. Dazu kommen drei LTE-Träger.

Smart­phone zeigt 5G SA nur "versteckt" an

Vodafone-Basisstation in Frankfurt-Sossenheim Vodafone-Basisstation in Frankfurt-Sossenheim
Foto: teltarif.de
Für den 5G-SA-Test stand ein Oppo Find X3 Pro 5G zur Verfü­gung, auf dem bereits die Firm­ware zur Nutzung des neuen Netz­stan­dards instal­liert war. Noch im April will der Hersteller diese Firm­ware auch auf die Geräte von Endkunden verteilen. Auf den ersten Blick sichtbar ist die Nutzung von 5G SA nicht. Wie bei der bishe­rigen LTE/5G-Kombi­nation erscheint einfach der Schriftzug "5G" auf dem Smart­phone-Display.

Hier könnte Oppo als Hersteller für tech­nisch inter­essierte Kunden nach­bes­sern und die beiden 5G-Tech­nolo­gien unter­scheidbar machen. Nutzt man das bei einigen Android-Smart­phones verfüg­bare "versteckte" Menü, das über die Tasten­kom­bina­tion *#*#4636#*#* erreichbar ist, so ist ersicht­lich, dass der Stan­dalone-Modus verwendet wird. Im von Voda­fone beglei­teten Test wurde das Smart­phone auch mit einem Note­book verbunden, auf dem eine Mess-Soft­ware lief. Diese zeigte eben­falls an, dass 5G SA zum Einsatz kam.

So schnell konnten wir über 5G SA surfen

In einer Entfer­nung von rund 200 Metern zur Basis­sta­tion war der 5G-SA-Empfang mit dem Oppo Find X3 Pro erwar­tungs­gemäß sehr gut. Hier haben wir schon im Sommer 2019 über 5G NSA Daten­über­tra­gungs­raten von knapp 500 MBit/s im Down­stream erreicht. Jetzt lagen die Mess­werte über 5G SA zwischen etwa 400 und 550 MBit/s. Im Upstream haben wir knapp 50 MBit/s gemessen. Das sind etwa 20 MBit/s mehr als beim ersten 5G-NSA-Test an glei­cher Stelle.

Der Down­stream ist demnach nicht schneller als im ersten Test, während die Upstream-Perfor­mance (2019 noch über LTE) eine Verbes­serung war. Den großen Unter­schied macht indes die Ansprech­zeit. Diese lag beim 5G-NSA-Test vor knapp zwei Jahren bei 25 bis 30 ms. Nun erreichten wir 9 bis 20 ms. Typi­sche Werte waren etwa 10 bis 15 ms. Hier liegt demnach - neben dem Upstream - die große Verbes­serung gegen­über 5G als Erwei­terung des LTE-Netzes.

5G NSA ist noch schneller

Gigabit-Geschwindigkeiten gibt es mit 5G SA noch nicht Gigabit-Geschwindigkeiten gibt es mit 5G SA noch nicht
Foto: teltarif.de
Wir haben mit einem Samsung Galaxy S20 Ultra einen erneuten Test im 5G-NSA-Modus durch­geführt. Die dabei erzielten Werte zeigen, wie die Kombi­nation zweier 5G-Träger und dreier LTE-Träger sich auswirken: Mit 817 MBit/s im Down­stream und 76,8 MBit/s im Upstream war der Internet-Zugang deut­lich schneller als im 5G-SA-Modus, wo derzeit nur ein Träger zum Einsatz kommt. Dafür waren die Ping­zeiten mit rund 36 ms rund dreimal so hoch wie bei 5G SA.

Voda­fone plant, künftig 5G SA neben dem 3500-MHz-Bereich in weiteren Frequenz­berei­chen anzu­bieten. Durch die Kombi­nation mehrerer Träger kann der Netz­betreiber dann auch im 5G-Stan­dalone-Netz noch höhere Surf-Geschwin­dig­keiten anbieten. Die nied­rigen Latenz­zeiten sollten dabei erhalten bleiben. Sobald das Netz entspre­chend aufge­rüstet ist, werden wir entspre­chende Tests durch­führen.

Tele­fonie noch nicht über 5G SA

Pingzeiten zum Teil unter 10 ms Pingzeiten zum Teil unter 10 ms
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Tele­fonieren kann man über das eigen­stän­dige 5G-Netz noch nicht. Für ein- und ausge­hende Gespräche schaltet das Smart­phone daher ins LTE-Netz um, wo dann über den VoLTE-Stan­dard tele­foniert wird. Nach Ende der Sprach­ver­bin­dung war das Telefon inner­halb weniger Sekunden wieder im 5G-SA-Netz einge­bucht.

Das Proce­dere erin­nert an die Anfangs­zeit der LTE-Netze. VoLTE gab es noch nicht. Daher erfolgte für Sprach­ver­bin­dungen eine auto­mati­sche Umschal­tung ins GSM- oder UMTS-Netz. Für 5G NSA ist wiederum kein Netz­stan­dard-Wechsel erfor­der­lich, da das Telefon ohnehin parallel zu 5G das LTE-Netz nutzt. Unver­ständ­lich ist, 5G SA noch keinen Stan­dard für Tele­fon­gespräche kennt. Eigent­lich hätte die Indus­trie aus dem Desaster der verspä­teten VoLTE-Einfüh­rung lernen müssten. Noch heute ist VoLTE vor allem im Inter­national Roaming keine Selbst­ver­ständ­lich­keit. Ähnliche Verzö­gerungen drohen nun auch für die Tele­fonie in den eigen­stän­digen 5G-Netzen.

Höhere Reich­weite und nied­rigerer Strom­ver­brauch

Voda­fone stellt im Rahmen des Starts von 5G SA zwei weitere Vorteile der neuen Technik heraus: Die tech­nische Reich­weite der Basis­sta­tionen soll gegen­über 5G NSA um etwa 20 Prozent steigen. Um eben­falls rund 20 Prozent redu­ziert sich den Angaben zufolge der Strom­ver­brauch der Smart­phones. Letz­teres konnten wir im kurzen Test in Frank­furt am Main nicht über­prüfen. Gleich­wohl wäre das sehr wichtig, denn die Akku­lauf­zeit von Smart­phones, bei denen 5G NSA aktiv genutzt wird, lässt sehr zu wünschen übrig.

Hersteller wie Apple arbeiten mit Tricks, um trotz 5G-NSA-Nutzung akzep­table Akku­lauf­zeiten zu ermög­lichen. So können Besitzer eines iPhone 12 (Mini / Pro / Pro Max) zwischen den Modi "5G akti­viert" und "5G auto­matisch" wählen. Bei letzt­genannter Option kommt der neue Netz­stan­dard nur dann zum Einsatz, wenn er wirk­lich benö­tigt wird und nicht nur einer schnel­leren Entlee­rung des Handy-Akkus "dient".

5G-Empfang stabiler als beim NSA-Modus

5G SA kann nicht einzeln angewählt werden 5G SA kann nicht einzeln angewählt werden
Foto: teltarif.de
Auch die höhere Reich­weite einer Basis­sta­tion mit 5G SA gegen­über 5G NSA konnten wir nicht direkt auspro­bieren, weil für die beiden Stan­dards unter­schied­liche Smart­phones zum Einsatz kamen. Das war nicht anders möglich, da das Menü des Oppo Find X3 Pro 5G keine Möglich­keit bietet, die 5G-Nutzung auf den NSA-Stan­dard umzu­schalten.

Was sich aber im Test gezeigt hat: Der 5G-SA-Empfang war im versorgten Gebiet deut­lich stabiler als der 5G-NSA-Empfang. Wer schon einmal mit einem "herkömm­lichen" 5G-Smart­phone unter­wegs war, wird den Effekt kennen, dass das Smart­phone oft keinen durch­gehenden 5G-Empfang anzeigt, sondern immer wieder zwischen LTE und 5G wech­selt. Diesen Effekt konnten wir mit dem Samsung Galaxy S20 Ultra auch in Frank­furt-Sossen­heim beob­achten. Das Oppo Find X3 Pro 5G, das 5G SA anstelle von 5G NSA genutzt hat, bot hingegen durch­gehenden, stabilen 5G-Empfang.

Handover zwischen den Netz­stan­dards

Mehr als 800 MBit/s über 5G NSA Mehr als 800 MBit/s über 5G NSA
Foto: teltarif.de
Voda­fone versi­cherte, dass auch der auto­mati­sche Netz­stan­dard-Wechsel von 5G SA zu LTE bis hin zu UMTS und GSM in Tests problemlos geklappt hat. Das konnten wir in unserem kurzen Test im Umfeld einer einzigen Basis­sta­tion nicht repro­duzieren, zumal es in der ganzen Umge­bung keinen Ort gibt, an dem nicht zumin­dest das 4G-Netz von Voda­fone verfügbar ist. Hierzu planen wir weitere Tests in den kommenden Wochen und Monaten.

5G Stan­dalone funk­tio­niert, wie sich im kurzen Test gezeigt hat. Indus­trie und Endver­brau­cher profi­tieren von gerin­geren Latenz­zeiten und einem stabi­leren 5G-Empfang. Die Betreiber können ihre Netze aufsplitten (Network Slicing) und so der Indus­trie auch garan­tierte Band­breiten anbieten. Ungünstig ist aber, dass es noch keinen Stan­dard für Tele­fon­gespräche im neuen Netz gibt. Wenn dieser "nach­gerüstet" wird, werden die jetzt ausge­lie­ferten Mobiles entwertet und der Kunde muss erneut in neue Hard­ware inves­tieren. Wie berichtet ist es nicht das erste Mal, dass 5G-Smart­phones schon kurze Zeit nach Markt­start nicht mehr alle verfüg­baren Netz-Features unter­stützen.

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