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Vorab-Twittern von Wahlergebnisse hat möglicherweise Nachspiel

Anfrage beim Unternehmen soll Urheber aufdecken
Von Marie-Anne Winter / Ralf Trautmann mit Material von dpa und ddp

Zu den Landtagswahlen im Saarland, in Sachsen und in Thüringen lagen bereits vor der Schließung der Wahllokale detaillierte Prognosen vor. Sie wurden am späten Sonntagnachmittag in der Kurznachrichten-Plattform Twitter verbreitet. Die Mitteilungen hatten keine Quelle, beruhten aber wahrscheinlich auf Daten, die Wahlforscher erhoben haben.

Die Zahlen der Twitter-Mitteilungen unterschieden sich nicht wesentlich von den Zahlen, die um 18 Uhr in ARD und ZDF verbreitet wurden. Die Sender stützen sich dabei auf Infratest dimap und die Forschungsgruppe Wahlen.

Die vorzeitigen Internet-Veröffentlichungen der Prognosen haben möglicherweise in allen drei Bundesländern ein Nachspiel. Genauso wie in Sachsen und Thüringen seien Ermittlungen aufgenommen worden, sagte die saarländische Landeswahlleiterin Karin Schmitz-Meßner. Man habe zum einen von den Wahlforschungsinstituten eine Stellungnahme gefordert und ihnen dafür eine Frist bis Freitag gesetzt. Zum anderen solle über den Anbieter des Internetangebots Twitter in San Francisco der Urheber der widerrechtlichen Vorab-Veröffentlichung ausfindig gemacht werden.

WDR-Chefredakteur weist Vorwürfe zurück

WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn, verantwortlich für die Wahlberichterstattung der ARD, betonte jedoch in einer Mitteilung: "Die Behauptung, Daten unserer Wahlforscher seien heute vorab ins Netz gegangen, ist falsch. Ich habe mir die Zahlen angesehen und finde keine Ähnlichkeiten mit den internen Daten, die wir am Nachmittag hatten." Außerdem schließe er deren Weitergabe aus.

Das Vorab-Verbreiten von Prognosen ist verboten. Es verstößt gegen Wahlgesetze, Wahlen werden anfechtbar. Der Hamburger Medienrechtler Ralf Burmester sagte im Interview mit dem Audiodienst der dpa, die Wahlgesetze seien eindeutig: "Das kann mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro belegt werden. Das kann vom jeweiligen Wahlleiter festgelegt werden."

Dabei sei die Art der Verbreitung nicht entscheidend. "Es geht um die Veröffentlichung. Ob die ein Flugblatt verschicken oder eben per Twitter oder im Radio oder wie auch immer - es ist durchgängig unzulässig, wenn es vor Schließung der Wahllokale erfolgt, weil eben immer die Gefahr der Wählerbeeinflussung gegeben ist."

Für die Bundestagswahl am 27. September hatte sich Wahlleiter Roderich Egeler schon vor einigen Tagen sehr besorgt gezeigt - er sprach von einem GAU, wenn vor der Schließung der Wahllokale Ergebnisse verbreitet würden.

Burmester sagte, das Vorab-Twittern könne das Wahlergebnis als Ganzes infrage stellen. Es könne diejenigen beeinflussen, die ihre Stimme noch nicht abgegeben hätten. Bei der Wahl des Bundespräsidenten war am 23. Mai bereits vor der offiziellen Bekanntgabe des Wahlergebnisses durch Bundestagspräsident Norbert Lammert der Sieg Horst Köhlers über Twitter verbreitet worden.

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