Rechtsstreit

Urteil zu Clubmitgliedschaft: avanio geht in die Berufung

Anwalt: "Geld wird in absehbarer Zeit nicht fließen"
Von Björn Brodersen

Der Internetprovider avanio [Link entfernt] wird im Rechtsstreit mit einem Nutzer eines seiner Internet-by-Call-Zugänge um die Erstattung von Anwaltskosten in Berufung gehen sowie weitere rechtliche Schritte einleiten. "Geld wird also an den Kläger in absehbarer Zeit nicht fließen", teilte uns der von avanio beauftragte Anwalt Arthur Waldenberger von der gleichnamigen Kanzlei in Berlin schriftlich mit. Das nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichts Dresden sei "faktisch und rechtlich unzutreffend". Dies treffe auch auf einige Angaben des Anwalts der Gegenseite zu, so der avanio-Vertreter. Der klagende Internetnutzer hatte - wie gestern berichtet - im September vergangenen Jahres über ein automatisches Einwahltool den avanio-Zugang vanio.FLEXI in Anspruch genommen und später den monatlichen Beitrag für eine ungewollt abgeschlossene Clubmitgliedschaft zurückgefordert. Hierzu hatte er sich nach ersten erfolglosen Versuchen anwaltliche Hilfe geholt.

Der avanio-Anwalt deutet das Urteil anders als Klägeranwalt Christoph Brieger: Nach Ansicht von Waldenberger folge aus dem Richterspruch, dass alle Verträge von Kunden mit avanio rechtsgültig zustande gekommen sind. Dies gelte auch dann, wenn Kunden Einwahltools, die von Dritten angeboten werden, nutzen. "Wir können keinem avanio-Kunden angesichts dieser Lage empfehlen, rechtliche Schritte gegen avanio einzuleiten", rät Waldenberger. "Kunden werden auch weiterhin ihre Verträge mit avanio erfüllen oder aber ordnungsgemäß kündigen müssen." Lediglich in einigen Einzelfällen werde man sich über die Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung unterhalten müssen. In dem vor dem Amtsgericht Dresden verhandelten Fall hätten die Voraussetzungen für eine Vertragsanfechtung aber nicht vorgelegen, urteilt Waldenberger.

Schuld am Irrtum trägt der Kunde, nicht avanio

Aus dem Urteil gehe in der Deutung Waldenbergers vielmehr hervor, dass avanio keinerlei Schuld an einem möglichen Irrtum eines Kunden trägt. "Aus der Tatsache, dass das Gericht der Meinung ist, der Kläger habe seinen Vertrag angefochten, ergibt sich zwingend, dass das Gericht der Auffassung ist, dass der Vertrag mit avanio ursprünglich zustande gekommen war", erläuterte der avanio-Rechtsbeistand uns gegenüber. "Insbesondere bedeutet 'Irrtumsanfechtung', dass nicht etwa avanio ein Fehler unterlaufen ist, sondern dass sich der Kunde über den Inhalt seiner Erklärung geirrt hat."

Auch die Auffassung der Richterin, dass der Abrechnungsdienstleister callando ein richtiger Empfänger der Anfechtungserklärung des Internetnutzers gewesen sein soll, hält Waldenberger für "nicht haltbar". Zudem hätte das Gericht nur unvollkommen berücksichtigt, dass jeder Kunde die Verpflichtung habe, seine Telefonrechnung zu überprüfen und spätestens acht Wochen später dagegen Einwendungen zu erheben. Wer seine Verpflichtungen nicht beachte, könne nicht später auf einen angeblichen Irrtum hinweisen.

Laut dem Klägervertreter Brieger hatte der Internetnutzer den im September 2005 angefallenen Monatsbeitrag für die so genannte Clubmitgliedschaft erst zwei Monate später auf der Telefonrechnung "bemerkt". Dies steht auch so in der Urteilsbegründung, die der teltarif.de-Redaktion vorliegt. Laut dem avanio-Anwalt sprach Brieger in der Gerichtsverhandlung jedoch davon, dass sein Mandant die Rechnung vom September 2005 erst im darauf folgenden November "in Augenschein genommen" habe - für Waldenberger ein entscheidender Unterschied, der das gesamte Urteil der Dresdner Richterin ins Wanken bringe. Ein weiterer Grund den Waldenberger gegen das Urteil anführt, ist, dass das Gericht in einem früheren Beschluss den Parteien mitgeteilt habe, dass der Kläger den Vertrag mit avanio nicht angefochten habe, nun aber von dem Gegenteil ausgehe. Derartige "Überraschungsurteile" seien "gesetzlich verboten". Auch der Behauptung Briegers, das Gericht habe ein eventuelles Widerrufsrecht des Klägers angedeutet, widerspricht Waldenberger.

Das Gericht habe in seinem Urteil dagegen angedeutet, dass avanio Schadensersatzansprüche gegen den Kläger zustehen könnten, heißt es in der uns zugesandten Erklärung des Provider-Vertreters. Laut Waldenberger könnte der IbC-Anbieter im weiteren Verlauf der Verhandlung darauf zurückkommen.

Medienbericht: Weitere Betroffene bereiten Sammelanklage vor

Derweil dürfte sich avanio demnächst mit weiteren Nutzern seiner umstrittenen IbC-Zugänge vor Gericht treffen. Wie die Schwäbische Post heute berichtet, sind beispielsweise der Polizeidirektion Aalen weitere Fälle bekannt, in denen erboste Kunden Anzeige gegen den Internetprovider erstattet haben. "Wir ermitteln wegen Betruges, es wird eine Sammelanklage vorbereitet", erklärte ein Sprecher der Polizeidirektion Aalen gegenüber der Zeitung. Der Bericht lag uns vorab in redaktioneller Fassung vor.

Weiterer Gegenwind für den IbC-Provider könnte auch von Kunden kommen, wenn diese das generelle Geschäftsmodell in Frage stellen und vor allem die Frage, ob über anmeldefreies Internet by Call wirksam Clubmitgliedschaften mit monatlichen Gebühren zustande kommen können, prüfen lassen. Kernpunkt der Auseinandersetzung wird dann die rechtlich gültige Einbeziehung der AGB sein. Hier muss - gemäß einem Artikel des Rechtsanwaltes Björn Gottschalkson - jedoch gerade der Anbieter den Nutzer vor dem Vertragsschluss ausdrücklich auf die AGB hinweisen und beweisen, dass die AGB wirksam einbezogen wurden.

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