ungerechtfertigt

Editorial: Vertragsbruch bleibt Vertragsbruch

o2 erhöht unangekündigt Preise für Bestandskunden
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Wie berichtet, hat o2 gegen Ende letzten Jahres die Preise für Verbindungen zu 01805-Nummern für alle Kunden, also auch für bestehende, drastisch erhöht. Zur Nebenzeit erhöht sich der Tarif beispielsweise von 25 auf 69 Cent pro Minute. Begründet wird dieser drastische Schritt mit der Vereinfachung und der Anpassung auf das "Marktniveau". Da es sich nur eine "Nebenleistung" handele, könne der Kunde trotz der Preiserhöhung keine Sonderkündigung durchführen.

Unschön, aber immerhin juristisch korrekt, ist die Erhöhung der Servicenummern-Tarife für Neukunden. Vermutliche Motivation für o2: Nur wenige Kunden achten beim Vertragsabschluss auf die Entgelte für 0180x und Co., und so lässt sich über deren Verteuerung immerhin etwas von dem Geld wieder reinholen, dass durch die Vergünstigung der Tarife für Gespräche zu normalen Festnetz- und Mobilfunknummern verloren geht.

Ein unflexibles Abrechnungssystem, in dem für alle Vertragskunden nur ein Preis für Service-Rufnummern hinterlegt werden kann, ist dann vermutlich der Grund, warum die Preissteigerung auch für Altkunden umgesetzt wurde. Hier begibt sich aber o2 auf juristisches Glatteis: Im Zweifelsfall sind die eigenen Systeme der Rechtslage anzupassen, nicht die Rechtslage den eigenen Systemen.

Aus Sicht der Kunden ist das Verhalten von o2 als dreist, wenn nicht gar als betrügerisch einzustufen. Immerhin sind beide Vertragsparteien eine gegenseitige Vereinbarung mit zwei Jahren Laufzeit eingegangen. Da gebührt es der Anstand, die Verpflichtung auch einzuhalten, oder die Kunden zumindest darüber zu informieren, wenn man zur Einhaltung nicht in der Lage ist. Alles andere bedeutet, dass man die Kunden in die Falle lockt.

Juristisch fraglich

Für die betroffenen Kunden ist die juristische Lage trotz des Fehlverhaltens von o2 aber alles andere als einfach. Der schöne Paragraph mit dem zwingenden Sonderkündigungsrecht bei Preiserhöhungen ist nämlich bei einer der letzten Überarbeitungen aus der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung (kurz: TKV) gestrichen worden. So muss der Kunde nun seine Rechte aus allgemeinen gesetzlichen Regelungen herleiten.

Grundsätzlich gilt: Preisanpassungen sind auch bei Dauerschuldverhältnissen zulässig, aber nur dann, wenn der Anbieter sich diese in den Geschäftsbedingungen vorbehalten hat und die Preisanpassung durch veränderte Einkaufspreise, Produktionskosten, die Inflationsrate oder dergleichen begründet wird. Doch muss die Preiserhöhung dann im Verhältnis zu den Kostensteigerungen stehen.

Nun hat sich tatsächlich der bei der Deutschen Telekom übliche Endkundenpreis für 01805-Verbindungen zum 1. November letzten Jahres von 12 auf 14 Cent erhöht, was einer Steigerung um knapp 17 Prozent entspricht. In ähnlichem Verhältnis dürfte auch der Großhandels-Einkaufspreise für Verbindungen zu 01805-Nummern gestiegen sein. Dadurch ist die Erhöhung des 01805-Endkundenpreises von 60 auf 69 Cent zur Hauptzeit (plus 15 Prozent) der Höhe nach in Ordnung. Auch diese hätte aber den Kunden mitgeteilt werden müssen.

Anders hingegen zur Nebenzeit: Hier erhöht sich der Preis um satte 176 Prozent von 25 auf 69 Cent! Und so beruft sich o2 auch nicht auf erhöhte Kosten, um die Steigerung zu begründen, sondern darauf, dass es sich bei Verbindungen zu Sonderrufnummern nur um eine "Nebenleistung" handeln würde. Eine merkwürdige Argumentation: Die Möglichkeit zum Telefonieren ist beim Handy-Vertrag mit Sicherheit die Hauptleistung. Welche Nummern der Kunde anruft, und welche Nummern ihm wichtig sind, ist seine Entscheidung, nicht die des Mobilfunkunternehmens.

Derselben Ansicht ist auch die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ BaWü). Deren Rat an die Kunden: Möglichst bald in einem Brief an o2 der Erhöhung widersprechen oder gleich außerordentlich kündigen.

Verbindungsalternativen

Doch nicht jeder Kunde wird Lust auf den Streit haben, den Widerspruch bzw. Kündigung mit sich bringen. Viele wollen einfach nur "in Ruhe telefonieren" und die Preiserhöhung akzeptieren. Ihnen würde es reichen, wenn sie zum Beispiel per Call by Call weiterhin günstig bei Bedarf die nun teurer gewordenen Servicerufnummern erreichen könnten.

Gerade die Willkür des Netzbetreibers, bestimmte Verbindungen zu besonderen Nummern zur "Nebenleistung" abzustempeln, die nach Belieben verteuert oder vielleicht auch gar eingestellt werden kann, ist ein weiteres Argument zur Freigabe der freien Wahl des Verbindungsnetzbetreibers. Denn damit wären die Kunden deutlich weniger auf einen Anbieter angewiesen. Regulierer und ggfls. auch Politiker sollten hierüber nachdenken.