Themenspezial Fußball Testlauf

ARD zieht Pläne für Sportradio über Internet und DAB+ zurück

Massive Kritik an möglichem bundesweitem digitalen Eventradio
Von / Susanne Kirchhoff

Die ARD möchte einen Event-Kanal für Sportereignisse wie die Fußball-EM 2012 starten. Die ARD wollte einen Event-Kanal für Sportereignisse wie die Fußball-EM 2012 starten.
Bild: ARD Sportschau, Screenshot: teltarif.de
Angesichts vehementer Kritik verzichtet die ARD auf ihre Pläne, mit mit einem digitalen Sport-Hörfunkradio auf Sendung zu gehen. Das Vorhaben hatte eine medienpolitische Debatte ausgelöst. "Event. Das ARD Sportradio" sollte in der Zeit vom 19. Mai bis 8. Juli 18 Stunden täglich senden. Im Mittelpunkt sollte die Fußball-EM stehen, aber auch weitere Sportereignisse wie die Europameisterschaften im Schwimmen und in der Leichtathletik sowie Tennis aus Wimbledon sollten zum Angebot gehören. Branchenkenner hatten prognostiziert, dass auch mit einer weiteren Ausstrahlung zu den Olympischen Sommerspielen in London (27. Juli bis 12. August 2012) zu rechnen sei. Das Event-Programm sollte der Westdeutsche Rundfunk (WDR) verantworten.

Kritik hatte sich insbesondere an einer möglichen bundesweiten Ausstrahlung entzündet. Nun hat die ARD-Anstalt aufgrund der massiven Kritik das Projekt digitales Sportradio schon vor seinem eigentlichen Beginn beerdigt. "Damit sieht der WDR die ins Kraut schießenden Spekulationen um angebliche Pläne für ein bundesweites Sportradio der ARD für beendet", so der WDR.

Rundfunk-Verband "empört" über mögliches bundesweites ARD-Angebot

Die ARD möchte einen Event-Kanal für Sportereignisse wie die Fußball-EM 2012 starten. Die ARD wollte einen Event-Kanal für Sportereignisse wie die Fußball-EM 2012 starten.
Bild: ARD Sportschau, Screenshot: teltarif.de
So hatte der Vizepräsident Radio und Audiodienste des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT) sowie Geschäftsführer von Radio Regenbogen, Klaus Schunk, auf die Ankündigung des WDR zum Testlauf eines gebührenfinanzierten ARD Sportradios empört reagiert. "Dieses Programm muss von der Medienpolitik ein klares Spielverbot erhalten". Es sei "blanker Zynismus", wenn der WDR dieses Projekt öffentlich als "Förderung des Digitalradios" deklariert, in internen Papieren aber laut Presseberichten davon spricht, man wolle einem erfolgreichen privaten Radiokanal - gemeint ist das Fußballradio 90elf - "etwas entgegensetzen". Der WDR solle die Kirche im Dorf lassen: "Nicht die ARD fördert das Digitalradio, die Gebührenzahler fördern mit Sondermitteln aus der Rundfunkgebühr die Digitalaktivitäten der ARD".

In dieser Verantwortung stehe auch der WDR. Die Mittel dafür einzusetzen, digital ein perspektivisch offensichtlich bundesweit angelegtes Radioprogramm zu initiieren und es als Testlauf runterzuspielen, sei "nicht akzeptabel" und habe mit zeitweiligem Event-Charakter und anlassbezogenen Sondersendungen nichts zu tun. In seiner offensichtlichen Intention sei das ARD-Sportradio nach seinem mutmaßlich erfolgreich bestandenen Test ein klarer Verstoß gegen den Rundfunkstaatsvertrag. "Wir betrachten dies als einen direkten Angriff nicht nur auf einen Radiosender, sondern auf die Privatradios in Deutschland. Dem muss die Rechtsaufsicht einen unmissverständlichen Riegel vorschieben. Andernfalls stehen Tür und Tor dafür offen, dass die ARD die Digitalisierung zu einer offensiven Wettbewerbsverdrängung der Privatradios in Deutschland auch mit länderübergreifenden, bundesweiten und spartenbezogenen Angeboten nutzt", so Schunk.

Kostengünstige Produktion

"Event. Das ARD Sportradio" hätte laut WDR-Angaben "sehr kostengünstig produziert" werden können und sollte aus bestehenden Finanztöpfen für das Digitalradio finanziert werden. Sportnachrichten und einzelne Sendungen sollten aus den Programmen der Landesrundfunkanstalten übernommen werden. Elemente wie Live-Moderation und Call-Ins sollten das das Programm ergänzen, vor allem aber Vollreportagen, zum Beispiel von der Fußball-EM.

Die ARD hatte geplant, das neue Sportradio im Digitalradio (DAB+) und im Internet als Livestream zu übertragen. Allerdings darf die ARD offiziell keinen bundesweiten Hörfunk veranstalten. Sie hat aber die Möglichkeit, Gemeinschaftsprogramme auszustrahlen, wie etwa das Integrationsprogramm Funkhaus Europa, das von mehreren ARD-Anstalten in diversen Bundesländern verbreitet wird. Der WDR wollte das Sportradio auch anderen Landesrundfunkanstalten zur Übernahme anbieten. Mehrere öffentlich-rechtliche Sender wie der NDR oder der hr haben noch Platz in ihren DAB+-Multiplexen, da sie sich die Kapazitäten nicht mit Privatradios teilen. Hier wäre es möglich, das Sportradio ebenfalls auszustrahlen. Auch die Verbreitung der neuen Sportwelle von einigen Rundfunkanstalten im Rahmen bestehender Nachrichtensender wie B5 Aktuell (BR) oder SWR Info wäre denkbar. In Nordrhein-Westfalen sollte das Programm auf dem bestehenden Eventkanal des WDR ausgestrahlt werden.

WDR-Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz hatte zunächst zur Verteidigung darauf verwiesen, dass der Sportsender vorerst ein Angebot auf Zeit sein sollte: "Ich habe keinen Zweifel daran, dass ein Sportradio ein attraktives Angebot für das Digitalradio sein könnte. Dafür fehlen die Voraussetzungen. Wir wollen aber schon genauer wissen, was unsere Hörerinnen und Hörer an so einem digitalen Angebot gefällt." Deshalb sollte die Medienforschung des WDR das Projekt begleiten. Kritiker sahen darin jedoch einen starken Hinweis darauf, dass das temporäre Eventradio als Testballon für ein bundesweites Sportradio fungieren sollte. Nun hat der WDR das Projekt aus medienpolitischen Gründen beendet, bevor Hörerwünsche in Betracht gezogen werden konnten.

Mehr zum Thema DAB+