Lobbyarbeit

Warnung vor zu später UKW-Abschaltung

Über einen UKW-Ausstieg wollen Marktteilnehmer in Deutschland wohl erst konkret diskutieren, wenn genügend Bundesbürger Radio über digitale Wege hören. Der Fachhandel kritisiert das Vorgehen: Die Technologie DAB+ könnte ihren Vorsprung verlieren.
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Bislang steht nur in knapp über 5 Prozent der deutschen Haushalte ein Digitalradio-Empfänger. Bislang steht nur in knapp über 5 Prozent der deutschen Haushalte ein Digitalradio-Empfänger.
Foto: Pure
Ein fester UKW-Abschalttermin in Deutschland scheint vorerst vom Tisch. Stattdessen wollen die Marktteilnehmer erst über einen Ausstieg aus der alten, analogen UKW-Technik sprechen, wenn gewisse Marktkriterien erfüllt sind. Die Rede ist etwa von 95 Prozent Netzabdeckung und über 50 Prozent Radionutzung über digitale Wege wie DAB+ oder Internetradio. Vor allem privaten Hörfunkanbietern, für die UKW das momentan einzig erfolgreiche Geschäftsmodell bei der Radioverbreitung ist, käme eine solche Regelung entgegen. Der Fachhandel warnt jedoch vor einem solchen Szenario. "Je länger ein fester Termin auf sich warten lässt, umso mehr Vorsprung verliert DAB+ als Standard. Denn neue Technologien sind schon in den Startlöchern", sagt Friedrich Sobol, Vorstand der Fachhandelskette ElectronicPartner, in einem Interview mit dem Meinungsbarometer Digitaler Rundfunk.

LTE Broadcasting wohl nicht wirtschaftlich

Bislang steht nur in knapp über 5 Prozent der deutschen Haushalte ein Digitalradio-Empfänger. Bislang steht nur in knapp über 5 Prozent der deutschen Haushalte ein Digitalradio-Empfänger.
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In der Tat befinden sich neue Techniken für die Radioverbreitung in Entwicklung. Allen voran LTE Broadcasting: Hier könnten zumindest theoretisch mehrere hundert Hörfunkprogramme über die bestehende Mobilfunk-Infrastruktur übertragen werden. Das Verfahren ähnelt dem IPTV beim Fernsehen. Anstatt des klassischen Streamings von Internetradio, bei dem jeweils eine Verbindung von Sender zum Empfänger aufgebaut wird (Unicast) gibt es eine Verbreitung an unbegrenzt viele Teilnehmer (Multicast). Damit bleiben die Kosten für Hörfunkanbieter stabil. Nachteil: Die Technik müsste an jeder einzelnen Mobilfunk-Basistation installiert werden. Bei über 20 000 Sendeanlagen für vier Netzbetreiber stellt sich hier schon wieder die Frage der Wirtschaftlichkeit. DAB+ dürfte hier in Sachen Effizienz klar die Nase vorn haben. Außerdem müsste es für LTE Broadcasting wieder neue Endgeräte geben. Smartphones und Tablets können das Verfahren zwar darstellen, herkömmliche Radiomodelle gibt es hierfür jedoch auf absehbare Zeit nicht.

Beim Endkunden lösen Diskussionen um neue technische Wege darüber hinaus eher einen Boomerang-Effekt aus: Er ist verunsichert. Das Resultat: Er bleibt beim Althergebrachten, und das wäre die UKW-Technik.

Programmangebot und Netzausbau bei DAB+ für viele noch unbefriedigend

Für Dr. Kay Lindemann, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), sind Diskussionen um den UKW-Ausstieg jedoch nicht die einzige Baustelle bei der Digitalisierung des Hörfunks. "Dass sich die DAB+ Nutzung nicht ganz so schnell wie erhofft durchgesetzt hat, hat damit zu tun, dass Netzabdeckung und Programmangebot aus Sicht der Kunden offenbar noch nicht ausreichend sind. Hieran müssen Netz- und Programmanbieter noch arbeiten". Aber sicherlich würde es seiner Meinung nach "den deutschlandweiten Umstieg von analog auf digital beschleunigen, wenn der Radiohörer frühzeitig wüsste, dass UKW mittelfristig abgeschaltet wird".

Netzausbau bei DAB+ geht in die nächste Runde

Immerhin: Sein Appell zum Netzausbau wird erhört. In den kommenden Wochen und Monaten will Netzbetreiber Media Broadcast zahlreiche weitere Sendeanlagen in Betrieb nehmen. Erstmals hörbar wird DAB+ in Ostfriesland: Hier soll bis Anfang Oktober der bundesweite Multiplex (Kanal 5C) mit vier Programmen des Deutschlandradios und acht Privatsendern am Standort Aurich starten. Auch die Oberlausitz wird künftig mit den bundesweiten Programmen versorgt, ebenfalls bis Anfang Oktober vom Standort Schafberg bei Löbau. Im Laufe des Oktobers geht der Netzausbau beim "Bundesmuxx" mit den zwei Sendeanlagen Aalen und Raichberg in Baden-Württemberg weiter. Bis Ende des Jahres folgen voraussichtlich über 15 weitere Sendeanlagen.

Auch auf regionaler Ebenen wird DAB+ ausgebaut: So können die Lokalprogramme des Ensembles Ingolstadt (Kanal 11A) ab sofort bis zum Alpenrand gehört werden. Möglich macht das eine neue Sendeanlage auf dem Wolfsberg bei Pfaffenhofen.

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