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Spotify könnte lineares Radioprogramm über DAB+ starten

Wer ein Digital­radio mit DAB+ besitzt, nutzt inzwischen vorwiegend dieses Gerät zum Radiohören und stellt seine alten UKW-Radios in die Ecke. Das zeigt eine neue Studie. Jetzt wird bereits darüber spekuliert, ob Spotify lineares Radio über DAB+ starten könnte.
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Thema DAB+ beim Medien­treffpunkt Mittel­deutschland Thema DAB+ beim
Medien­treffpunkt Mittel­deutschland
Bild: Veranstalter des Medientreffpunkts Mitteldeutschland
Im Rahmen des Medien­treffpunkt Mittel­deutschland diskutierten Panel-Teilnehmer über die weitere Entwicklung des terrestrischen Digitalradios DAB+. Laut der Journalistin Inge Seibel, die das Panel leitete, sei es "durchaus vorstellbar", dass der Streamingdienst Spotify demnächst ins lineare Radiogeschäft einsteigt, eine Lizenz zum Senden beantragt und auf dem nächsten bundesweiten Multiplex über DAB+ anbietet. Vorbild könnte Beats 1 sein: Das klassische lineare Radioprogramm wird beim Streaming-Konkurrenten Apple Music verbreitet. Schon bald soll es zudem nach dem LG Stylus 2 (DAB+) weitere Android-Smartphones mit DAB+-Chip und Apps geben, die zwischen den digitalen Ausspielwegen DAB+ und Internetradio wechseln.

Nutzerzahlen von DAB+ steigen, wenn auch langsam

Thema DAB+ beim Medien­treffpunkt Mittel­deutschland Thema DAB+ beim
Medien­treffpunkt Mittel­deutschland
Bild: Veranstalter des Medientreffpunkts Mitteldeutschland
Auf dem Panel wurden erste Ergebnisse der "DAB+-Studie Sachsen 2016 & RadioRadar Sachsen-Anhalt" präsentiert. Verfügt ein Hörer über ein DAB+-fähiges Radio, ist es das primäre Empfangsgerät, so der Marktforscher Markus Adomeit, MAS Partners. Derzeit seien etwa 6,5 Millionen solcher Geräte in den deutschen Haushalten verfügbar, bis Ende des Jahres prognos­tizierte Adomeit einen Bestand von bis zu acht Millionen Geräten. Im Hinblick auf die Nutzung des Digital­radios führte Adomeit aus, dass vor allem regionale Radiomarken gehört und von den Nutzern gewollt werden. Er kritisierte Positionen von kommerziellen Programm­anbietern, nach denen die Umstellung auf DAB+ nicht finanzierbar sei, da es zu wenige Hörer gebe, denn: "Ohne Angebot keine Nutzung".

Inge Seibel erwähnte, dass die von der KEF geforderten 27 Prozent Haushalts­abdeckung mit DAB+-Geräten bis 2019 zwar ein ambitioniertes, aber kaum erreichbares Unter­fangen seien. Hinsichtlich der Einführung von DAB+ gebe es bislang keine einheit­liche Meinung in der Direktoren­konferenz der Landes­medien­anstalten, sagte Martin Deitenbeck, Geschäfts­führer der Sächsischen Landes­medien­anstalt. Deitenbeck selbst sieht seine Aufgabe darin, Vielfalt in der Radio­landschaft herzustellen, diese Möglichkeit biete das Digitalradio mit DAB+. Radio brauche allerdings in Zukunft einen terres­trischen Verbreitungs­weg. In Hinblick auf einen möglichen Abschalt­termin der UKW-Frequenzen sprach sich Deitenbeck für eine bundesweite Lösung und gegen Klein­staaterei aus.

Brautmeier sieht den Zug für DAB+ abgefahren

Sein Kollege Dr. Jürgen Brautmeier, Direktor der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen, kritisierte hingegen die Einführung von DAB+. "Die Zeit hat sich geändert, die Rahmen­bedingungen haben sich geändert", daher sei "der Zug abgefahren", so Brautmeier. Die Zukunft liege im Internet und weiter wie bisher bei UKW. Vor allem für das werbe­finanzierte lokale und regionale Radio gäbe es keine funktionie­renden Geschäfts­modelle, zudem sei ein "Call of Interest" der LfM aus dem vergangenen Herbst enttäuschend ausgefallen. Merkwürdig ist dabei, dass es aus der LfM noch im vergangenem Jahr andere Informationen zu der Interessens­abfrage gab.

Für Dr. Willi Steul, Intendant von Deutschland­radio, bedeutet die Umstellung auf DAB dagegen nicht weniger als die "Zukunfts­sicherung der Gattung Radio". Die neue Technik sei weitaus kosten­günstiger, so Steul weiter: Derzeit bespielt Deutschland­radio über 300 UKW-Frequenzen. Ohne diesen Aufwand könne man 20 bis 30 Prozent der Verbreitungs­kosten einsparen. Zudem bestünde die Möglichkeit, den Hörern mehr Angebote zu präsentieren.

SAW-Chef fordert Masterplan für DAB+

Auch der Geschäftsführer Digitalradio Deutschland Willi Schreiner sprach sich für DAB+ aus. Er könne nicht verstehen, so Schreiner, wenn Programm­anbieter es nicht zur Verbreitung nutzen wollen. Die Verbreitung über UKW sei teurer und würde potenziell auch weniger Menschen erreichen. Wenn die Umstellung auf DAB+ erfolgt, müsse die Infrastruktur auch den privaten Sendern zur Verfügung gestellt werden, forderte Jens Kerner von radio SAW aus Sachsen-Anhalt. "Wir wollen, dass Rundfunk Rundfunk bleibt", so Kerner weiter, dafür brauche es aber Gestaltungs­willen und einen "Masterplan für ganz Deutschland".

bigFM fordert mobile Highspeed-Flatrates ohne Drosselung

Auf einem anderen Panel auf dem Medientreffpunkt zum Thema "Was will der Hörer" habe sich laut dem Medienrechtler Prof. Dr. Stephan Ory, seit 1990 Chef der Arbeits­gemeinschaft Privater Rundfunk (APR) und unter anderem Vorsitzender des Medienrats der Landes­medien­anstalt im Saarland, die Debatte um Verbreitungs­wege als irrelevant erwiesen. Radio müsse künftig alles ermöglichen: Streaming, Apps und vieles mehr. Wobei für die Privatfunker Marco Maier, Geschäftsführer bei Antenne Thüringen, und für Patrick Morgan, Programmchef beim Jugendradio bigFM auch gilt: "Alles was finanzierbar ist" und "was den Nutzer nicht mehr kostet". Morgan würde sich dabei vor allem bessere Datentarife für das Smartphone wünschen, echte Flatrates also ohne Drosselung nach aufgebrauchtem Highspeed-Volumen. Morgan mahnte dabei auch "Mut zu Fehlern" an. Er ermunterte dazu, online etwas zu testen, Neues auszuprobieren. Erwartungs­gemäß wurde dabei viel über 14 bis 29 Jahre alte Hörer geredet.

Ob aber die neue Mobilität des Hörfunks wirklich neue Geschäftsmodelle eröffnet? Laut Maier spielen sich 98 Prozent der Vermarktung nach wie vor in klassischen Geschäftsfeldern ab, nur zwei Prozent in digitalen. Ein neues großes Geschäftsmodell sei nicht erkennbar. So "muss das Geld heute über viele Wege zu uns finden". Ein gutes Programm allein reiche nicht mehr nicht aus.

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