E-Mobilität

E-Mobilität: Autoindustrie hadert mit dem Wandel

Die Auto­indus­trie steckt in der Krise. Der Wechsel vom Verbren­nungs­motor zum Elek­troan­trieb ist unauf­haltsam, aber er kennt nicht nur Gewinner.
Von dpa / Wolfgang Korne

Schöne neue Auto­welt: Surrende E-Mobile schaffen mit Ökostrom Hunderte Kilo­meter, CO2-neutrale Sammel­taxis drängen den Indi­vidu­alver­kehr in der City zurück, vernetzte Wagen warnen sich via 5G gegen­seitig vor Stau­enden und Unfall­gefahren.

Noch mag dieses Szenario zu schön klingen, um wahr zu sein. Aber der Struk­turbruch der deut­schen Schlüs­selbranche hin zu E-Modellen, Digi­tali­sierung und auto­mati­siertem Fahren ist in vollem Gange - und er hat nicht nur Gewinner und Befür­worter. Gerade erst kündigten auch Audi und Daimler einen Jobabbau an. Auf viele weitere Beschäf­tigte bei Herstel­lern und Zulie­ferern dürften unru­hige Zeiten zukommen.

1. E-Mobi­lität - endlich raus aus der Nische?

Die Elektromobilität stellt die Autobauer vor große Herausforderungen. Die Elektromobilität stellt die Autobauer vor große Herausforderungen.
Bild: picture alliance/Martin Schutt/zb/dpa
Ohne deut­lich weniger Verbrenner und deut­lich mehr Elek­troautos kein wirk­samer Klima­schutz - daran zwei­felt kaum jemand mehr, zumin­dest wenn der Strom aus erneu­erbaren Quellen stammt. Zuletzt zogen die Neuzu­lassungen reiner E-Fahr­zeuge in Deutsch­land auch merk­lich an. Ihr Markt­anteil bleibt aber einst­weilen gering, bisher sind sie vielen Verbrau­chern zu teuer und zu unprak­tisch. Um das E-Auto massen­taug­lich zu machen, beschloss die Regie­rung höhere und längere Kauf­prämien. Bis Ende 2025 wird ein erwei­terter "Umwelt­bonus" ange­boten, die Indus­trie zahlt die Hälfte.

Förde­rung entschei­dend

Peter Fuß, Auto­experte der Bera­tungs­firma EY, hält diese Förde­rung für entschei­dend: "Wir sehen einen kräf­tigen, stabilen Aufwärts­trend bei E-Autos. Zahl­reiche Modelle auch in nied­rigeren Preis­regionen werden Elek­tromo­bilität für neue Käufer­gruppen attraktiv machen." Doch gerin­gere Anschaf­fungs­kosten sind nicht alles. Auch die oft noch geringe Reich­weite spielt eine Rolle. Volks­wagen etwa versucht, mit dem ID.3 gegen­zusteuern. Das rein elek­trische Modell ist relativ günstig und fährt mit vollem Akku schon einige Hundert Kilo­meter.

Problem: das dünne Lade­netz. In den kommenden zwei Jahren sollen 50.000 neue öffent­liche Lade­punkte entstehen. Die Hersteller müssen davon 15.000 an ihren Stand­orten beisteuern - so will BMW mehr als 4100 Stück instal­lieren, andere Anbieter haben Ähnli­ches vor.

Damit das E-Auto wirk­lich alltags­kompa­tibel wird und in Park­häusern, Tief­garagen sowie am Arbeits­platz geladen werden kann, sind frei­lich viele Ände­rungen im Bau- und Miet­recht notwendig. Kathe­rina Reiche vom Verband Kommu­naler Unter­nehmen betont: "Viele Lade­punkte sind in Planung oder im Bau, jedoch brau­chen wir mehr Geschwin­digkeit."

2. Jobängste und Neustart - die Schat­tenseiten des Umbruchs

Gewerk­schaf­tern und Betriebs­räten bereitet ein allzu rascher Umstieg auf die E-Mobi­lität Kopf­zerbre­chen. Elek­troan­triebe bestehen nur aus einem Bruch­teil der Kompo­nenten, aus denen Verbren­nungs­motoren zusam­menge­setzt sind - es fällt damit weniger, dafür aber hoch­spezia­lisierte Arbeit an. Eine Analyse des Center of Auto­motive Rese­arch (CAR) an der Univer­sität Duis­burg-Essen kam zu der Einschät­zung, dass bis 2030 fast 234.000 Stellen bei Herstel­lern und Zulie­ferern in Deutsch­land wegfallen könnten. Gleich­zeitig sollen nur 109.000 Jobs in Entwick­lung und Produk­tion von E-Autos dazu­kommen.

Um die Mitar­beiter von der alten in die neue Welt mitzu­nehmen, legen viele Firmen Quali­fika­tions­programme auf. Parallel landen Tausende Jobs der klas­sischen Verbren­nerpro­duktion auf der Streich­liste. Audi baut bis 2025 in Deutsch­land 9500 Stellen ab, im Gegenzug sollen nur 2000 Arbeits­plätze in Berei­chen wie E-Mobi­lität und Digi­tali­sierung neu entstehen. Betriebs­bedingte Kündi­gungen soll es nicht geben.

Tausende Stellen fallen weg

Bei Daimler wird ein Spar­programm in den kommenden drei Jahren mindes­tens 10.000 Stellen kosten - der Betriebsrat äußerte heftige Kritik an den Plänen. Vor allem werden frei werdende Posi­tionen nicht nach­besetzt, es gibt Abfin­dungen. Betriebs­bedingte Kündi­gungen sind in Deutsch­land jedoch bis Ende 2029 ausge­schlossen. Der Konzern will bis Ende 2022 rund 1,4 Milli­arden Euro an Perso­nalkosten einsparen.

Bosch kappt eben­falls viele Stellen. Bei Conti­nental protes­tieren Beschäf­tigte gegen das mögliche Aus für Kollegen, die den Wandel von Hydraulik zu Elek­tronik nicht mitma­chen können oder wollen. IG Metall und IG BCE sind alar­miert. Bis 2023 könnten die Umstruk­turie­rungen bei Conti 15.000 Arbeits­plätze betreffen, 5000 davon in Deutsch­land. Kündi­gungen sind als "aller­letztes Mittel" noch nicht vom Tisch.

Es mehren sich Forde­rungen an die Bundes­politik, in dieser Lage das Kurz­arbei­tergeld für ange­schla­gene Betriebe zu verlän­gern. Die Gewerk­schaft IG BCE macht Druck auf Bundes­wirt­schafts­minister Peter Altmaier (CDU), der bisher kein schlüs­siges Konzept vorge­legt habe.

Die Deut­schen und Tesla - Jäger oder Gejagte?

3. Die Deut­schen und Tesla - Jäger oder Gejagte?

Insge­samt scheinen die Hersteller die Dring­lich­keit der Umbau­prozesse erkannt zu haben, wollen sie nicht als "Auto-Dinos" für die Folgen des Klima­wandels mitver­antwort­lich gemacht werden. Bei VW fließen bis 2024 rund 33 Milli­arden Euro in die E-Mobi­lität. Ein eigenes Batte­riezell­werk ist in Planung, die Konkur­renz kauft zunächst weiter zu - BMW etwa vom chine­sischen CATL-Konzern. Die Bayern, mit dem i3 einst Pionier bei Elek­troklein­wagen, halten sich die Entschei­dung für eine domi­nante Antriebs­form noch offen. Bis 2023 will BMW 25 E-Modelle im Programm haben, mehr als die Hälfte davon voll­elek­trisch. Daimler setzt auf die Elektro-Reihe EQ, vor allem mit dem SUV EQC und dem Minibus EQV.

Tesla will nach Berlin

Elon Musk und sein Unternehmen Tesla zieht es nach Berlin. Elon Musk und sein Unternehmen Tesla zieht es nach Berlin.
bild: picture alliance/Jörg Carstensen/dpa
Derweil macht sich Erzri­vale Tesla ausge­rechnet am Berliner Stadt­rand breit: Im bran­denbur­gischen Grün­heide will Gründer Elon Musk eine "Giga­factory" hoch­ziehen. Voraus­sicht­lich von Ende 2021 an sollen dort der Kompakt-SUV Model Y, Batte­rien und Antriebe gefer­tigt werden. In Berlin selbst entsteht ein Inge­nieur- und Design­zentrum.

Bedroht dies Arbeits­plätze bei den deut­schen Platz­hirschen? Die Chefs bemühen sich, die Kampf­ansage aus den USA als Ausdruck sport­lichen Ehrgeizes zu inter­pretieren: Der Inno­vati­onsschub nutze allen. Bisher tat sich Tesla schwer, E-Autos in großen Stück­zahlen zu produ­zieren.

4. Vernet­zung - "Made in Germany" gegen US-Tech-Giganten

Auch bei diesem Mega­trend sind die Ameri­kaner den Deut­schen in mancherlei Hinsicht voraus. Digi­tali­sierung heißt weitere Auto­mati­sierung der Ferti­gung in den Fabriken - beson­ders aber stei­gende Vernet­zung von Funk­tionen im Auto selbst. Dieses wird zum rollenden Smart­phone. Der neue VW Golf etwa ist ständig online, alle Instru­mente sind digital, es gibt ein Info­tain­ment­display und Projek­tionen im Fahrer-Sicht­feld.

Aus eigener Kraft können die Hersteller all dies kaum stemmen. VW setzt auf Cloud-Dienste und schloss eine Part­nerschaft mit Micro­soft. Die Idee ist, künftig ganze Flotten zu steuern - samt Kunden­dienst, Inspek­tionen und Schnitt­stellen zu Services wie Lade- und Abrech­nungs-Soft­ware für Elek­troautos. Es geht um ein umfas­sendes Online-"Ökosystem". Auch andere Anbieter inves­tieren hier viel.

Die Autos der Zukunft kommu­nizieren zudem unter­einander ("car-to-car") sowie mit der Infra­struktur ("car-to-x") - das soll den Verkehrs­fluss opti­mieren. Zulie­ferer wie Conti­nental sind hier gut im Geschäft, doch die Konkur­renz aus den USA und China schläft nicht. Weit­gehend offen ist noch, welche Daten­schutz-Stan­dards für die erwar­teten riesigen Infor­mati­onsmengen gelten sollen.

Auto­nomes Fahren - "Robo-Car" oder Entmün­digung?

5. Auto­nomes Fahren - "Robo-Car" oder Entmün­digung?

Eng mit der allge­meinen Vernet­zung hängt die Entwick­lung hoch­auto­mati­sierter - und eines Tages ganz autonom fahrender - Autos zusammen. Aller­dings hinken die Deut­schen hier US-Firmen wie der Google-Schwester Waymo, die auch Robo­taxi-Services testet, nach Einschät­zung von Experten weit hinterher. Das führt zu Bünd­nissen unter Rivalen, die früher eher unrea­listisch gewesen wären: Daimler und BMW koope­rieren auf dem Weg zum "Robo-Car" ebenso wie Volks­wagen und Ford, die Milli­arden in die Firma Argo AI zur Entwick­lung selbst­fahrender Autos stecken.

Bei selbstfahrenden Autos hinken die Deutschen hinterher. Bei selbstfahrenden Autos hinken die Deutschen hinterher.
Bild: picture alliance/Christian Charisius/dpa
Daimler-Chef Ola Källe­nius sagte: "Statt indi­vidu­eller Insel­lösungen geht es uns um ein zuver­lässiges Gesamt­system." In der US-Stadt San José testen die Stutt­garter mit Bosch einen Mitfahr-Service mit auto­nomen Fahr­zeugen. Aber auch hier stellt sich die Grund­satz­frage: Wollen hinrei­chend viele Kunden am Ende die komplette Kontrolle an einen Roboter abgeben? Und: Fährt der Roboter wirk­lich sicherer? Die Debatten unter Auto­versi­cherern und Ethi­kern, die das Dilemma von Entschei­dungen bei Unfällen analy­sieren, haben gerade erst begonnen.

6. Neue Dienst­leis­tungen - weg vom reinen Auto­bauen

Bei vielen jungen Leuten hat das Auto als Status­symbol ausge­dient. Auch deshalb suchen die Hersteller ihr Heil in Geschäfts­modellen, die sie an der "sharing economy" (Ökonomie des Teilens) mitver­dienen lassen. In den Städten wollen mehr Kunden Fahr­zeuge lieber mieten statt kaufen.

Carsha­ring war einer der ersten Versuche in dieser Rich­tung - mit bisher gemischter Bilanz. Daimler und BMW fanden mit ihren inzwi­schen zusam­menge­legten Ange­boten Car2Go und DriveNow in den Zentren viele Nutzer, auf dem Land fristet das Teilen von Autos ein Nischen­dasein. VW stellte seine Erst­vari­ante Quicar in Hannover wieder ein und versucht nun, mit seinem WeShare-Ansatz entschlos­sener ins Carsha­ring mit E-Autos in Berlin zu gehen. Weitere Städte folgen.

Andere Dienste sollen die Auto­bauer eben­falls zu Mobi­litäts­konzernen umformen. Beim Ride­sharing oder Ride­pooling nutzen mehrere Kunden dasselbe Fahr­zeug. Auch öffent­liche Verkehrs­unter­nehmen betei­ligen sich daran - etwa beim Berl­könig der Berliner Verkehrs­betriebe (BVG) oder beim Clevers­huttle der Deut­schen Bahn. In Hamburg und Hannover ist der Sammel­taxi-Service Moia von Volks­wagen unter­wegs.

7. Und über alldem die trübere Konjunktur

Die Verän­derungen treffen die Firmen in einer Zeit, in der es oben­drein in der Welt­wirt­schaft nicht mehr so gut läuft. In vielen Ländern stockt das Wachstum, was auf die Verkäufe drückt - für die export­orien­tierte Branche ein Problem. Ende Oktober ermit­telte der Deut­sche Indus­trie- und Handels­kammertag (DIHK), dass etliche Betriebe eine tiefe Krise vorher­sehen. Zu allem Über­druss über­schatten die anhal­tenden Zoll­strei­tigkeiten mit den USA den gesamten inter­natio­nalen Handel.

Auch die Deut­sche Telekom mischt bei der Elek­tromo­bilität mit. Sie hat mit Get Charge jetzt einen Tarif im Angebot, über den sich (fast) euro­paweit Autos aufladen lassen. Wir berich­teten.

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