Vergleich: Wer sah Eigentor beim Deutschland-Spiel zuerst? (Update)
Dass es zwischen den diversen TV-Übertragungswegen einen mitunter langen Zeitversatz geben kann, wissen zwar viele Zuschauer. Trotzdem ist es bei einem EM-Spiel ärgerlich, wenn der Nachbar lauthals über ein Tor jubelt, das man selbst vielleicht noch gar nicht gesehen hat.
Zugegeben: Beim gestrigen EM-Auftakt der deutschen Nationalelf gegen den amtierenden Fußball-Weltmeister Frankreich gab es aus deutscher Sicht keine Tore zu bejubeln, höchstens für Fans der französischen Nationalmannschaft das unglückliche deutsche Eigentor. Dennoch hat teltarif.de an zwei Standorten gleichzeitig wieder einen Technik-Vergleich gemacht und verrät, welcher Übertragungsweg nach wie vor der schnellste ist.
Der Test-Aufbau
Beim ersten Standort standen ein Fernseher mit Satellitenschüssel und ein VDSL-Anschluss von 1&1 mit maximal 50 MBit/s und 1&1-TV zur Verfügung. Für diesen Standort hatten wir von Zattoo testweise einen Zattoo-Ultimate-Account zur Verfügung, um die von Zattoo zur EM versprochene schnellere Übertragung zu testen.
Eine hohe Latenz zwischen Satellitensignal (Fernseher) und Zattoo Ultimate (Tablet) war in unserem Test eindeutig messbar
Screenshot: Björn König
Die Basis-TV-Versorgung an unserem zweiten Standort bildete ein TV-Kabel-Anschluss der Deutschen Telekom, zusätzlich stand ein VDSL-100-Anschluss der Telekom zur Verfügung. Über diesen testeten wir die kostenfreien Basis-Accounts von Zattoo, waipu.tv und tv.de von Couchfunk im direkten Vergleich mit der Übertragung per Kabel-TV.
Hohe Latenz bei Zattoo Ultimate
Im Vergleich zwischen dem Astra-Satellitensignal und Zattoo Ultimate stellten wir am ersten Test-Standort während der Partie Frankreich-Deutschland eine hohe Latenz von durchschnittlich 30 Sekunden fest. Zum Einsatz kam dabei wie erwähnt ein VDSL-50-Anschluss von 1&1. Das Videosignal lief über die Zattoo-App auf einem Fire-HD-Tablet von Amazon. Darüber hinaus zeigte sich die HD-Auflösung auf dem Tablet zumindest gefühlt qualitativ leicht schlechter als das lineare HD-Signal via Astra.
Interessant war in diesem Zusammenhang allerdings für uns auch, dass die Latenz über die 1&1-Digital TV-App (welche technisch auch über Zattoo läuft) am gleichen DSL-Anschluss scheinbar etwas niedriger ausfiel. Somit lag die Übertragung hier zumindest näher am Satellitensignal. Es stellt sich allerdings die Frage, ob entsprechende Zeitverzögerungen ausschließlich auf Zattoo zurückzuführen sind, oder auch mit dem DSL-Anschluss selbst in Verbindung stehen.
Latenz-Vergleich am zweiten Standort
Beim Vergleich der beiden Standorte (was über die Spielzeitanzeige des Fußballspiels ganz einfach möglich ist), zeigte sich, dass der Übertragungsweg Astra-Satellit nach wie vor der schnellste war - er lag stets rund sieben Sekunden vor dem TV-Kabelsignal der Telekom.
Vergleich am 2. Standort: TV-Kabel gegen Zattoo und waipu.tv
Bild: teltarif.de / Alexander Kuch
Für den zweiten Standort nahmen wir eben dieses TV-Kabelsignal der Telekom als Referenzwert. waipu.tv lag hierbei mit rund 17 bis 18 Sekunden Verzögerung deutlich hinter dem Kabel-Signal. Noch stärker war der Versatz bei tv.de, hier betrug die Latenz sogar 22 Sekunden, bezogen auf den Kabelanschluss.
Positiv überrascht waren wir über die schnelle Übertragung im Zattoo-Standard-Account über den VDSL-100-Anschluss der Telekom: Diese lag nur vier Sekunden hinter dem TV-Kabelsignal. Damit zeigten sich in unserem Test ebenso Latenzunterschiede zwischen DSL-Anschlüssen der Telekom (Standort 2) und 1&1 (Standort 1). Hier schnitt die Telekom tendenziell etwas besser ab. Dass je nach DSL-Provider beim selben Online-TV-Dienst ein Latenzunterschied von bis zu 14 Sekunden bestehen kann, hatten wir nicht erwartet - das schmälert das Versprechen Zattoos, von seiner Seite aus alles für eine schnellere Übertragung getan zu haben.
Fazit
Die Satelliten-Schüssel ist und bleibt der schnellste Übertragungsweg, gefolgt vom TV-Kabel. Dass die Ursachen für die Latenzunterschiede bei den Online-TV-Diensten nicht nur bei den Diensten selbst, sondern auch noch bei den DSL-Providern zu suchen sind, hätten wir in diesem Ausmaß nicht erwartet.
In diesem Fall ist klar: Bei einer Latenz von 30 Sekunden dürfte man den Torjubel seines Nachbarn mit Satellitenantenne deutlich früher hören. Damit ist Zattoo für Livesport-Übertragungen aus unserer Sicht über einen 1&1-Anschluss nach wie vor nur sehr eingeschränkt zu empfehlen, über einen Telekom-Anschluss hingegen schon. waipu.de und tv.de müssen nach wie vor an einer schnelleren Übertragung arbeiten.
Update 17. Juni, 17 Uhr: Stellungnahme von Zattoo
Angesprochen auf die Ergebnisse in unserem Test sandte uns eine Sprecherin von Zattoo folgende Stellungnahme:
Erst einmal vielen Dank für Ihre Nachricht. Auf Ihre angesprochenen Punkte gehen wir sehr gerne ein.Ende des Updates.Generell hängt die tatsächliche Latenz von vielen Faktoren ab (insb. Client-Version, Netzwerk-Qualität, verfügbare Bandbreite usw.). Wir sehen in unseren Messungen, dass die meisten Nutzer eine Latenz zwischen 9 bis 13 Sekunden erleben (im Vergleich zu Sat). Ausgenommen davon sind einige Endgeräte u.a. Apple, aber auch das von Ihnen eingesetzte Fire Tablet, auf denen wir nicht das sogenannte Smart Buffering implementieren konnten. Hier messen wir eine Latenz von rund 20 Sekunden. Wir empfehlen daher den gleichen Test mit einer anderen App.
Grundsätzlich sehen wir, dass ein Großteil unserer Nutzer die Zattoo App vor allem auf dem Fire TV nutzt, gerade auch während der EM. Die Nutzung auf dem Fire HD Tablet ist im Vergleich dazu eher gering. Sollten Sie auch hier einen Test vornehmen, stellen Sie bitte sicher, dass insbesondere die Fire TV App auf dem aktuellen Stand ist (Version größer/gleich 2.2116.0). Erst ab dieser Version ist Smart Buffering aktiv und eine geringe Latenz von rund 10 Sekunden möglich.
Zu Ihrer Frage bzgl. der veränderten Latenz bei den DSL-Anschlüssen: Es kommt tatsächlich auf den jeweiligen Anschluss und dessen Qualität an. Basierend darauf entscheidet der Algorithmus, wie viele Chunks der Player vorhalten muss, um einen stabilen Stream zu gewährleisten. Je mehr Chunks vorgehalten werden, desto mehr Delay gibt es. 1&1 baut inzwischen immer stärker auf eine eigene Infrastruktur. Selbst wenn Telekom auf der letzten Meile zum Einsatz kommt, können die Anschlüsse hier qualitativ unterschiedlich sein.
Und zu Ihrem letzten angesprochenen Punkt: Die 1&1 Inhalte werden von dedizierten 1&1 Caches mit anderer Anbindung als die Zattoo Inhalte ausgeliefert, was einen Unterschied zwischen den Apps erklären könnte. Ich hoffe diese Antworten geben Ihnen mehr Aufschluss zu Ihrem Test.
Auf einer Übersichtsseite vergleichen wir die wichtigsten Live-TV-Dienste miteinander.