Interview

Freenet TV: "Zwangsverkabelung rechtlich nicht vertretbar"

Die poli­ti­schen Begehr­lich­keiten beim Thema Rund­funk­fre­quenzen sind hoch, was auch der Netz­be­treiber Media Broad­cast spürt. Unter anderem darüber spre­chen wir mit Freenet TV-Chefin Francie Petrick.
Von Björn König

Trotz Kabel- und Satel­li­ten­emp­fang sowie Strea­ming-Diensten bleibt auch der Fern­seh­emp­fang via DVB-T2 in Deutsch­land ein zentrales Thema. In den vergan­genen Jahren hat sich hier Freenet TV posi­tio­niert. Wie sieht der Stand der Dinge im terres­tri­schen Digi­tal­fern­sehen aus? Unter anderem darüber spre­chen wir mit Francie Petrick, Leiterin des Bereichs Freenet TV bei der Media Broad­cast GmbH in Köln. Foto: Freenet AG Freenet TV-Chefin Francie Petrick kritisiert die "Zwangsverkabelung" in Mietwohnungen
Foto: Freenet AG
teltarif.de: Frau Petrick, steigen wir gleich mit einer persön­li­chen Frage und gleich­zei­tiger Bitte um eine ehrliche Antwort ein: Schauen Sie nach Feier­abend lieber ganz klas­sisch Fern­sehen oder Netflix?
Francie Petrick: Da ich einen Smart-TV zu Hause habe, der auch ans Internet ange­schlossen ist, nutze ich in der Tat beides, je nach Stim­mung, und natür­lich auch die Media­thek über Freenet TV connect.

teltarif.de: Der unbe­strit­tene Vorteil von Freenet TV liegt im mobilen Empfang über eine kleine Zimmer­an­tenne. Aber in den eigenen vier Wänden gibt es doch mit dem oft ohnehin vorhan­denen DSL- oder Kabel­an­schluss bzw. der Satel­li­ten­an­lage attrak­ti­vere Empfangs­wege bei größerer Programm­viel­falt.
Francie Petrick: Wir haben die Erfah­rung gemacht, dass die von Ihnen genannten "oft ohnehin vorhan­denen" Empfangs­wege längst nicht in allen Haus­halten zur Verfü­gung stehen bzw. aus Kosten­gründen nicht für den TV-Empfang genutzt werden. Hier spielt der im Vergleich zu Satellit, Kabel und DSL sehr güns­tige Preis von Freenet TV eine wich­tige Rolle für die Verbrau­cher. Für 6,81 Euro pro Monat und ohne großes Verlegen von Kabeln erhalten die Zuschauer bei uns rund 40 der meist­ge­se­henen Programme, einfach anzu­schließen und in hervor­ra­gender Full-HD-Qualität.

teltarif.de: Mit der Einfüh­rung von DVB-T2 haben sich die deut­schen Privat­sender für ein Subscrip­tion-Modell entschieden. Dieser Weg ist ökono­misch sicher­lich aufgrund der hier­zu­lande ohnehin bereits hohen Rund­funk­ge­bühren schwierig, zumal viele Mieter noch zwangs­weise für einen Kabel­an­schluss in den Neben­kosten zahlen.
Francie Petrick: Mit der Zwangs­ver­ka­be­lung spre­chen Sie ein wich­tiges Thema an. Verbrau­cher­schützer sehen darin einen Vertrag zu Lasten Dritter. Leid­tra­gende sind rund 12 Millionen Mieter, die bei einem Wechsel des TV-Anbie­ters weiterhin für Kabel-TV zahlen müssen. Eine klare Wech­sel­hürde, die wett­be­werbs­po­li­tisch nicht vertretbar ist. Der Bundes­wirt­schafts­mi­nister hat dies erkannt und will das Neben­kos­ten­pri­vileg kippen und mit einer verbrau­cher­freund­li­chen Rege­lung Mietern beim TV-Angebot die Wahl­frei­heit ermög­li­chen. Der dadurch entste­hende Wett­be­werb wird zu nied­ri­geren Preisen für Mieter führen, z.B. mit Freenet TV, das eines der güns­tigsten TV-Ange­bote im Markt ist.

teltarif.de: Wie hat sich Freenet TV im Hinblick auf die Abo-Zahlen bislang entwi­ckelt?
Francie Petrick: Die Zahl der Freenet TV Kunden hat sich in den vergan­genen Monaten bei knapp 1 Mio. einge­pen­delt und verläuft jetzt weitest­ge­hend stabil, was ein Beleg für die hohe Loya­lität unserer Kunden ist.

teltarif.de: Kürz­lich spra­chen wir mit Exaring-CEO Chris­toph Bellmer über Waipu TV. Im Kern geht es dort ja auch um die Vermark­tung von linearem Fern­sehen, wenn auch über eine Strea­ming-Platt­form. Er sah durchaus die Gefahr einer gewissen "Kanni­ba­li­sie­rung" mit Ihrem Produkt unter dem Dach von Freenet. Wie stehen Sie zu diesem Thema?
Francie Petrick: Wie Chris­toph Bellmer in dem Inter­view bereits gesagt hat, adres­sieren Waipu TV und Freenet TV unter­schied­liche Kunden­gruppen. Freenet-TV-Kunden haben andere Gewohn­heiten und Erwar­tungen, in der Regel auch eine andere tech­ni­sche Ausstat­tung. Kurz gesagt: Sie bevor­zugen den "einfa­chen", klas­si­schen TV-Empfang in bester Qualität. Aus Konzern­sicht ist es zudem wichtig zu erwähnen, dass das erfreu­liche Wachstum von Waipu TV nicht zu Lasten von Freenet TV geht, was unsere stabilen Kunden­zahlen beweisen. Von Kanni­ba­li­sie­rung würde ich also nicht spre­chen.

teltarif.de: In der Medi­en­branche heißt es stets "Content is King". Zuschauer sind durchaus bereit, für quali­tativ hoch­wer­tige Inhalte zu zahlen. Die Frage ist jedoch, ob sie dann ihr Geld nicht lieber in ein Netflix oder Sky-Abo als RTL und ProSieben inves­tieren.
Francie Petrick: Für mich ist das keine "Entweder-Oder-Frage", weil sich die Inhalte der Ange­bote unter­scheiden. Wie Sie sagten, sind Zuschauer bereit für attrak­tiven Content zu bezahlen, egal ob es sich dabei um Strea­ming-Ange­bote, Pay-TV oder lineares TV handelt. Die Nutzung dieser Medien kann dann durchaus additiv sein, voraus­ge­setzt das Preis-Leis­tungs-Verhältnis passt. Denn auch ein Serien-Junkie schaut gerne mal ein Live-Ereignis oder eine span­nende Repor­tage, gerne auch auf der Couch im Kreis der Familie.

teltarif.de: Wo wir schon beim Thema Strea­ming sind: Die Zahl der SVoD-Anbieter steigt gefühlt im Wochen­takt. Empfinden Sie diese Entwick­lung als Gefahr für Ihr Geschäfts­mo­dell?
Francie Petrick: Nein, diese Gefahr sehen wir nicht, was auch die stabilen Kunden­zahlen von Freenet TV unter­mauern.

teltarif.de: In manchen DVB-T2 Ausbau­ge­bieten, wie zum Beispiel dem Müns­ter­land, benö­tigt man für den Empfang von Freenet TV immer noch mindes­tens eine Außen- oder Dach­an­tenne. Werden die rest­li­chen Ausbau­lü­cken noch gefüllt?
Francie Petrick: Nach dem Start im März 2017 haben wir den Ausbau des Freenet-TV-Sender­netzes im Herbst 2018 erfolg­reich abge­schlossen. In nur 20 Monaten haben wir an 63 Stand­orten in ganz Deutsch­land eines der modernsten terres­tri­schen Sender­netze welt­weit aufge­baut und errei­chen damit beim Empfang über Dach­an­tenne über 62 Millionen Einwohner, alle Ballungs­räume sind abge­deckt. Für die Privat­sender bedeutet dies einen erheb­li­chen Gewinn an Reich­weite im Vergleich zum alten DVB-T-Stan­dard (etwa 42 Millionen Einwohner). Ein weiterer Ausbau des Sender­netzes ist möglich, aktuell aber nicht geplant.

teltarif.de: Rund­funk­fre­quenzen sind ein begehrtes Gut. Auch die Politik disku­tiert in diesem Zusam­men­hang immer wieder über die Zukunft von DVB-T2. Wie beur­teilen Sie diese Debatte?
Francie Petrick: Die aktu­elle Covid-19-Situa­tion hat gezeigt, wie wichtig es ist, krisen­si­chere Kommu­ni­ka­ti­ons­in­fra­struk­turen zur Verfü­gung zu haben. DVB-T2 ist eine solche Infra­struktur, die unab­hängig von der Anzahl der Nutzer gleich­mäßig stabil ist, ohne dass Inhalte gedros­selt werden müssen. Daher wird DVB-T2 und der terres­tri­sche Rund­funk insge­samt u.a. von mehreren medi­en­po­li­ti­schen Spre­chern von Bundes­tags­frak­tionen als system­re­le­vant einge­stuft. Klar, dass die Terre­strik Frequenzen behalten muss.

teltarif.de: In gewisser Weise machen sich die Privat­sender mit eigenen Subscrip­tion-Modellen gegen­über Freenet TV Konkur­renz. Man denke beispiels­weise an TVNOW der Medi­en­gruppe RTL. Wäre es aus Ihrer Sicht nicht sinn­voller, sich auf einen kosten­pflich­tigen Verbrei­tungsweg zu konzen­trieren?
Francie Petrick: Gute Idee, aber jeder Sender hat tatsäch­lich eigene Vermark­tungs­stra­te­gien und indi­vi­du­elle Geschäfts­mo­delle entwi­ckelt. Das respek­tieren wir natür­lich. Die Frage zu mögli­chen Koope­ra­tionen müssen sie eher den Sendern stellen, als Platt­form sind wir natür­lich offen für alles.

teltarif.de: Frau Petrick, vielen Dank für das Gespräch.

Zur Person: Francie Petrick

Francie Petrick ist Leiterin Freenet TV bei der Media Broad­cast GmbH. Zuvor war sie dort bereits für die Bereiche Busi­ness Intel­li­gence, Marke­ting und Vertrieb verant­wort­lich. Bis 2015 war Petrick als Sales Perfor­mance Mana­gerin für die Messung und Stei­ge­rung der Vertriebs­leis­tung in Osteu­ropa bei der XELLA GmbH tätig. Sie arbei­tete im Bereich CRM Perfor­mance und Werbe­mes­sung bei der Sky Deutsch­land und war in dieser Rolle an der Entwick­lung des Sky 360° Panels betei­ligt. In ihrer vorher­ge­henden Rolle bei Channel21, einem deut­schen Tele­shop­ping Kanal, baute sie die zentrale Analyse von Ziel­gruppen und Sende­for­maten auf. Francie Petrick studierte Poli­tik­wis­sen­schaften an der Univer­sität Bremen mit einem Master-Abschluss.

In einem weiteren Inter­view spre­chen wir mit Roman Karz von FOX über die Möglich­keit eines eigenen SVoD-Ange­bots.

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