ProSiebenSat.1: Schluckt Berlusconi die Sendergruppe?
Die englischsprachige Pressemitteilung aus Mailand fiel in der vergangenen Woche kurz und knapp aus: "MFE-MEDIAFOREUROPE announces that, directly and indirectly, has crossed the threshold of 25% of secured voting rights of ProSiebenSat.1 Media SE through purchases of shares on the market." Auf Deutsch: Der Mediaset-Konzern des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi verfügt de facto über eine hinreichende Minderheitsbeteiligung an ProSiebenSat.1, damit Management und Aufsichtsrat die Italiener mit Blick auf mittel- und langfristige Strategien zumindest nicht mehr einfach als einen unter vielen Aktionären ignorieren können.
An der Börse nennt sich der dazu passende Begriff "Sperrminorität". Doch was bedeutet dies nun konkret beziehungsweise wie und warum unterscheidet sich die Strategie von ProSiebenSat.1-CEO Rainer Beaujean überhaupt von den Plänen der Italiener?
Medienkonzerne setzen auf Diversifikation
ProSiebenSat.1-CEO Rainer Beaujean
Bild: ProSiebenSat.1 Media SE
Media-for-Europe-Finanzchef Marco Giordani machte in öffentlichkeitswirksamen Statements immer wieder deutlich, dass er das Geschäftsmodell von ProSiebenSat.1 nicht nachvollziehen kann. Er bezog sich dabei vor allem auf das "Konglomerat" aus unterschiedlichen Geschäftsbereichen. So besteht ProSiebenSat.1 im Kern aus dem TV- und Entertainmentgeschäft, betreibt auf der anderen Seite aber auch ein Portal- und Shopbusiness. Zu nennen wären hier beispielsweise das Vergleichsportal Verivox, die Online-Parfümerie Flaconi oder die Holding für das Dating-Geschäft ParshipMeet Group.
Auf der einen Seite erscheint diese Diversifikation durchaus nachvollziehbar, denn damit reduziert ProSiebenSat.1 seine Abhängigkeit vom volatilen Werbemarkt. In der Tat spiegelte sich dies auch in der Bilanz wider: ProSiebenSat.1 steuerte an einigen Stellen agiler durch die Pandemie als beispielsweise europäische Mitbewerber. Zur Wahrheit gehört aber auch: Die ProSiebenSat.1-Aktie hat schon bessere Zeiten gesehen - auch als das Portalgeschäft für die Sendergruppe noch keine große Rolle spielte. Es ist also fraglich, ob Erfolg auf Diversifikation basiert, oder nur das bestehende Geschäft stabilisiert.
"Gemischtwarenläden" scheitern oft
In der Vergangenheit gab es immer wieder Fälle, bei denen derartige Strategien scheiterten. Prominentestes Beispiel ist der Mannesmann-Konzern: Die Düsseldorfer waren einst ein riesiges Konglomerat aus völlig verschiedenen Geschäftsbereichen, zerfielen nach der Übernahme durch Vodafone allerdings in einen reinen Telekommunikationskonzern. Ein weiteres Beispiel ist der Handelskonzern Metro, der in seiner Hochphase mit MediaMarkt, Real und Galeria Kaufhof ebenfalls weit außerhalb seines eigentlichen Kerngeschäfts Großhandel aktiv war. Heute ist das Unternehmen wieder ein reiner Betreiber von Cash & Carry-Großmärkten.
Natürlich lassen sich diese Beispiele nicht verallgemeinern, denn die Lage eines Unternehmens ist immer individuell zu betrachten. Dennoch erscheint es aus strategischer Sicht sinnvoller, sich als Konzern auf einen Bereich zu spezialisieren, in dem man besonders erfolgreich ist und viel Know How beisteuert. ProSiebenSat.1-Chef Rainer Beaujean hat zudem selbst immer wieder betont, dass der Konzern unmittelbar Geschäftsbereiche abstoßen würde, wenn man erkenne, dass man nicht mehr der bestmögliche Eigentümer für das jeweilige Unternehmen sei.
Springer-Strategie
Es gibt allerdings auch Medienkonzerne, die sich durch Diversifikation ergänzender aufstellen. Ein Beispiel hierfür wäre Axel Springer. Das Unternehmen besteht im Kern aus den Segmenten "News Media" mit Marken wie Bild, Welt, Business Insider oder Politico. Daneben existiert der Bereich "Classifieds Media" mit dem Portalgeschäft (Stepstone, Immowelt, Idealo etc.).
Oftmals ergeben sich konzernweit viele Synergien. Ein Beispiel ist das Portal finanzen.net, welches wiederum die Insider-Gruppe mit Markt- und Kursdaten beliefert. Grundsätzlich - und das ist der wesentliche Unterschied zu ProSiebenSat.1 - liegen die Geschäftsbereiche bei Springer aber näher beieinander. Bei ProSiebenSat.1 fragt Giordani dennoch sicherlich nicht unberechtigt, was nun ein Parfüm-Versandhändler mit dem Mediengeschäft zu tun hat beziehungsweise wie sich ein solches Geschäft strategisch langfristig integrieren lässt und sich letztendlich für Media for Europe als größter Anteilseigner auszahlt.
Es existieren keine wirklichen Synergien, außer dass man untereinander Werbung verkaufen kann. Bei einem Portal wie Verivox sieht das etwas anders aus, denn hier geht es im Kern immerhin noch um die Vermittlung von Informationen, was sicherlich zum Geschäft eines Medienkonzerns gehört.
Kommt die Übernahme?
Aber zurück zum Thema Media for Europe: Wie wahrscheinlich ist eine vollständige Übernahme von ProSiebenSat.1 durch den Berlusconi-Konzern? Betriebswirtschaftlich betrachtet wäre ProSiebenSat.1 für die Italiener zweifelsohne ein dicker Brocken, den man ganz sicher nicht in einem Stück schlucken kann. Nicht zuletzt fehlt Media for Europe in der Bilanz eigentlich die nötige Liquidität, um so einen Deal leichtfertig aus eigener Kraft zu stemmen. Die Aussage von Giordani, man könne noch nicht sagen, was in einem Jahr ist, weckt auch wenig Hoffnung auf konkrete Taten. Offenbar will man zunächst seine Anteile so weit ausbauen, dass man im Aufsichtsrat mitreden kann. Woher genau die Italiener das Kapital nehmen wollen, ist zudem fraglich. Vorstellbar wäre, dass man sich für die Komplettübernahme einen Partner sucht. Zu Vivendi allerdings hatte Berlusconi zuletzt - vorsichtig formuliert - auch nicht unbedingt den besten Draht.
Dass die bayerischen Medienhüter einer potenziellen Übernahme von ProSiebenSat.1 durch Berlusconi Steine in den Weg rollen, ist allerdings ein Fehler. Auch wenn man Zweifel am Berlusconi-Konzern hegen mag: Mediaset hat in Italien bewiesen, dass sie das klassische, werbefinanzierte TV-Geschäft auf nationaler Ebene erfolgreich betreiben können. Politische Motive, dem Konzern einen Einstieg in Deutschland zu untersagen, wären nicht zielführend und würden das Vertrauen in den Medienstandort Deutschland für ausländische Investoren untergraben.
Es gibt allerdings ein wirklich valides Argument, welches die Strategie von Beaujean und seinen Zweifel an einem europäischen Medienkonzern stützt. Nämlich die einfache Tatsache, dass ProSiebenSat.1 in der Vergangenheit bereits ein solcher europäischer Medienkonzern war. Man denke in diesem Zusammenhang an die Sendergruppe SBS Broadcasting.
Der Milliardendeal sollte sich laut dem damaligen ProSiebenSat.1-Chef Guillaume de Posch rechnen. Es kam letztendlich anders, und ProSiebenSat.1 kehrte zu seinen Wurzeln zurück. Bislang gibt es zumindest keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte, dass Berlusconi mit einer ähnlichen Strategie erfolgreicher wäre.
In einer weiteren Meldung geht es um das Thema: ProSiebenSat.1: Keine Synergien mit Mediaset.