Chip-Netztest: Telekom vorne, o2 punktet bei 5G in Städten
Regelmäßig erscheinen die aufwändigen Netztests der großen Fachzeitschriften und Portale, und sie werden in der Branche mit Spannung erwartet. Das Magazin "Imtest" hatte für Aufregung gesorgt, da deren Tester das Netz von o2-Telefonica auf Platz 2 vor Vodafone (Rang 3) eingeordnet hatten. Was viele Anwender schon länger vermuten, war erstmalig in einem Test angekommen.
Nun liegt der Test des Online- und Printmagazins Chip.de vor, der unter dem Titel "Starke Funknetze dank 5G" erschienen ist und im Kern auf 8367 km Testfahren mit drei Autos, 2862 km mit dem Zug und 78 Stunden Fußmarsch durch Innenstädte beruht.
Ergebnisse der Crowd-Sourcing-App
Chip-Netztest: Hier ist das Magazin kreuz und quer durchs Land gefahren. Dazu kommen Ergebnisse der Crowdsourcing-App
Grafik: chip.de / Dragontiger / Gettyimages
Neben den Messergebnissen durch die Testfahrten hat Chip auch auf eine App zurückgegriffen, die mehr als zwei Millionen Handynutzer im Einsatz haben. Diese App liefert im Rahmen der DSGVO anonyme Daten über die aktuelle Netzqualität. Gibt es kein Netz, liefert die App erst später Daten. Es wurden über 190.000 km Fläche erfasst, die so einen Hinweis auf die Verfügbarkeit geben.
Erfinder des Rucksacktests
Speziell der Fußmarsch durch mit dem Auto unerreichbare Regionen mit einem Messrucksack des Funkpioniers Rohde & Schwarz ist eine "Erfindung" von Chip-Technik- und Test-Chef Wolfgang Pauler. Das sorgte seinerzeit für Aufregung und brachte Schwung in die Netzausbaubranche.
Wenn Ihnen jemand mit diesem Rucksack begegnet, könnte es ein Chip-Netztester sein
Foto: CHIP/Marlon Majora
Chip stellt im aktuellen Test fest, dass das "Wehklagen" über die Qualität des deutschen Mobilfunks abgenommen hat - bis auf ein Transportmittel: Züge.
Die Bundesnetzagentur habe sich in der letzten Zeit wohl eher mit dem "vierten Netzbetreiber" beschäftigt als mit den großen drei. Doch Chip hat sich gemeinsam mit dem Spezialunternehmen NET Check die Netze angeschaut. Alle drei Netze seien nochmals besser geworden. Gebiete, in denen vielleicht ein Netz angezeigt, aber kein vernünftiger Empfang möglich sei, wären zurückgegangen.
Wie wurde getestet?
Zum Einsatz kamen Smartphones des Typs Samsung Galaxy S23+, die entweder im Messrucksack oder in einer Dachbox auf dem Testfahrzeug untergebracht waren. Im Testfahrzeug wertete der "Benchmarker II" von Rohde & Schwarz die Messwerte aus. Dieses Unternehmen verwendet auch Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aywanger, wenn er die Netzqualität im eigenen Bundesland nachmessen lässt.
In den Zügen trugen die Mess-Techniker Rucksacksysteme vom Typ "Freerider 4" von Rohde & Schwarz.
Dazu wurde die Verfügbarkeit von 5G separat mit speziellen TSME-Scannern aus dem gleichen Hause erfasst.
Blick in den Messrucksack "Freerider 4" von Rohde & Schwarz
Foto: CHIP/Marlon Majora
Telekom setzt sich ab
Der Vorsprung der Deutschen Telekom gegenüber der Konkurrenz, so stellt es Chip-Autor Markus Mandau fest, habe sich noch einmal vergrößert. In Noten vergibt die Chip-Redaktion der Telekom eine 1,2 - für Vodafone bleibt Platz 2 erhalten mit 1,4, und das Netz von o2-Telefónica erhielt die Note 1,7.
Grund für diese Einstufung sei das "Netz auf dem Land" und in "Zügen" gewesen. In den Städten hingegen habe sich o2 als "starker Konkurrent von Telekom sowie Vodafone behauptet" und "agiere auf Augenhöhe".
Downloads und Uploads schneller
Im Vergleich zum Vorjahr hat die Telekom ihr durchschnittliches Download-Tempo von 291,2 auf 347,4 MBit/s gesteigert. Vodafone schaffte es von 139 auf 206,3 MBit/s, dicht gefolgt von o2 von 153,8 auf 189,7 MBit/s.
Bei den Uploads im Vergleich zum Vorjahr hat die Telekom sich von 58,8 auf 73,1 MBit/s gesteigert. Vodafone erhöhte von 41,9 auf 58,1 MBit/s und o2 von 35,6 auf 51,8 MBit/s. Der hohe Anteil an 5G in den Funknetzen habe sich hier positiv ausgewirkt.
Sprachqualität und Downloads in Zügen
In den Fernzügen wurde (automatisiert) telefoniert und dabei die Qualität bewertet: 2,5 Prozent der Telekom-Verbindungen hatten eine schlechte Qualität, bei Vodafone waren es 3,9 Prozent und bei o2 7,9 Prozent.
Erfolgreiche Downloads in den Fernzügen lieferte die Telekom mit 97,9 Prozent, gefolgt von Vodafone mit 95,8 Prozent und o2 mit 88,2 Prozent.
Land vs. Stadt
Ein Messfahrzeug von NET CHECK im Auftrag der Chip-Redaktion
Foto: CHIP/Marlon Majora
Geht man aufs Land, wird es dramatischer: Die Telekom schafft bei den "schlechtesten 10 Prozent aller Downloads" noch 36,7 MBit/s, Vodafone knapp die Hälfte (19,0 MBit/s), und o2 liefert nur ein Drittel von Vodafone (6,6 MBit/s). In den Städten ist es ähnlich: Telekom liefert im schlechtesten Fall immer noch 122 MBit/s, Vodafone 54,5 MBit/s und o2 22,8 MBit/s.
LTE fast überall
LTE gibt es inzwischen fast überall, aber nicht immer in guter Qualität. Chip bescheinigte o2-Telefónica eine Verfügbarkeit von 98,24 Prozent in ländlichen Gebieten. Wertet man aber die Signalstärke, die für "Highspeed-LTE" notwendig ist, kommt o2 nur auf 92,12 Prozent. Vodafone erreichte hier 93,74 Prozent, und die Telekom lag mit 97,10 Prozent klar an der Spitze.
Nach Bundesländern geordnet hat o2 in Baden-Württemberg (88,8 Prozent) die schlechteste Versorgung, Rheinland-Pfalz ist mit 90 Prozent nur wenig besser, Sachsen kommt auf 95 Prozent.
Telekom führend in Zügen
In den Zügen liegt die Telekom vorne, wurde nur bei Sprachtelefonaten von Vodafone überholt, so die Tester. Bei YouTube-Streams hatte sich o2 von 79 auf 94 Prozent gesteigert, Vodafone lieferte 98 und Telekom 99,5 Prozent.
Da diese Streams gepuffert werden, machen kurzfristige Aussetzer keine Probleme. Wenn aber über größere Strecken das Netz fehlt, ist irgendwann der Stream unterbrochen.
Steigende Bedeutung von 5G
Eine interessante Statistik zeigt den Einsatz von 5G in den Netzen. Spitzenreiter war die Telekom, die zu 78,36 Prozent mit 5G versorgte, reines LTE mit 2,88 Prozent und "Mischbetrieb" (2G/4G/5G) mit 18,76 Prozent. Bei Vodafone wurde zu 14,05 Prozent LTE verwendet, bei o2 sogar 26,51 Prozent. Der Mischbetrieb herrschte zu 45,99 Prozent bei Vodafone vor und zu 23,89 Prozent bei o2, bleiben reine 5G-Anteile von 39,92 Prozent (Vodafone) bzw. 49,54 Prozent (o2). Reine GSM-Anteile lagen bei Vodafone und o2 im 0,0x-Prozent-Bereich, zeigen aber, dass es immer noch Regionen gibt, wo bis heute nur reine GSM-Sender aktiv sind.
Im Städtevergleich lag o2 mit einem Anteil von 85,4 Prozent von schnellem 5G auf Band n78 (3,6 GHz) in Berlin deutlich vor der Telekom (82,3 Prozent). In München führte o2 ebenfalls 84,5 zu 80,4 Prozent, in Stuttgart mit 84,5 Prozent zu 67,8 Prozent. Nur in Hamburg war die Telekom mit 79,8 Prozent besser als o2 mit 76,6 Prozent.
Vodafone lag in allen Städten im Mittelfeld, in Stuttgart mit 58,3 Prozent, in Hamburg mit 60,5 Prozent und in Berlin mit 79,5 Prozent.
Das 5G-Endergebnis
Chip gab in puncto 5G-Gesamtnote der Telekom eine glatte 1,0 gefolgt von 1,2 für Vodafone und 1,3 für o2. Auf 3,6 GHz (n78) seien die Downloads bei der Telekom zu 100 Prozent erfolgreich gewesen.
Das Gesamtergebnis
Im Gesamtergebnis landete die Telekom auf dem Schulnotenrang 1,2, Vodafone auf 1,4 und o2 auf 1,7. In den Fernzügen konnte die Telekom die Note 1,5, Vodafone die Note 2,2 und o2 die Note 2,9 erzielen.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Die meisten Leser werden die Netze rein an der lokalen Verfügbarkeit in ihrem Umfeld bewerten. Wer auf dem Land wohnt, "erlebt" sein Netz anders als in der Stadt. Wer in der Stadt wohnt, bewertet insbesondere die "In-Door"-Verfügbarkeit seines Netzes, und hier liest man in Foren immer wieder die Kritik, dass die ansonsten führende Telekom hier Schwächen zeige, o2 sei indoor eher verfügbar.
Das ideale und überall verfügbare Netz gibt es nach wie vor nicht. Mit der Telekom sind aber die Chancen am höchsten, fast überall brauchbares Netz zu haben. Wer ein Dual-SIM-Handy besitzt, kann mit der Kombination von Telekom und o2 gute Ergebnisse erzielen, auch die Paarung Vodafone/o2 könnte hilfreich sein.
Zum künftigen Netz von 1&1 kann man im Augenblick noch gar nichts sagen, denn als Mobilfunknetz ist es offiziell bislang nicht am Start. Vernünftige Aussagen wird es also erst nach Start des Roaming-Abkommen mit Vodafone (ca. im Sommer 2024) geben können. Dann könnte 1&1 gegenüber Vodafone möglicherweise leichte Vorteile haben.
Preislich erscheint die Telekom oft als "teuer". Wer aber die Tariftabellen studiert, wird schnell merken, dass es das Netz der Telekom auch zu günstigen Konditionen gibt.
Auf der Suche nach dem optimalen Tarif hilft unser Handytarife-Vergleich.