Neue Strategie: Free TV mit weniger US-Produktionen
Auch wenn Streaming immer beliebter wird, sparen sich viele Haushalte in Deutschland nach wie vor ein kostenpflichtiges Netflix- oder Amazon-Prime-Video-Abo. Schließlich laufen insbesondere viele der dort gezeigten US-Serien und Filme nach wie vor kostenlos im Free TV.
Doch damit könnte bald Schluss sein, denn die Privatsender wollen US-Lizenzware zunehmend aus dem Programm verbannen und durch eigenproduzierte Inhalte ersetzen. Wer hingegen hauptsächlich US-Serien und Filme sehen will, dürfte auf Dauer zu kostenpflichtigen Streaming-Anbietern ausweichen müssen. Gemeint sind damit wohl auch die eigenen SVoD-Serivces Joyn und TVNOW.
Weniger Identifikation mit Hollywood
Formate wie "The Masked Singer" spielen bei ProSieben künftig eine größere Rolle
Foto: ProSiebenSat.1 Media SE
ProSieben-Senderchef Daniel Rosemann machte deutlich, dass man vor allem in der Primetime mehr investieren wolle. Bereits jetzt fülle ProSieben 60 Prozent mehr Hauptsendezeit mit Eigenproduktionen als noch vor zwei Jahren. Und selbst dieser Anteil dürfte in den kommenden Monaten noch weiter ausgebaut werden. So folgen im Herbst eine Vielzahl eigener Shows, darunter "Das Duell um die Welt", "The Masked Singer", "Late Night Berlin", "The Voice of Germany" und "FameMaker".
Hollywood bleibe nach Aussage Rosemanns weiter ein fester ProSieben-Programmbestandteil, schenke der Sendergruppe jedoch immer weniger Identifikation. Deshalb setze man stärker auf eigene Stars. Das Spektrum reiche von Heidi Klum über Matthias Opdenhövel und Lena Gercke bis zu Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf. Mehr eigene Inhalte soll es laut ProSiebenSat.1-Vorstandsmitglied Wolfgang Link allerdings auch auf den Streaming-Plattformen "Joyn" und "FYEO" geben.
Werden US-Inhalte kostenpflichtig?
Auffällig ist schon jetzt, dass immer mehr exklusive Inhalte nur noch gegen Gebühr auf Streaming-Plattformen verfügbar sind. Bei ProSiebenSat.1 findet sich neben Eigenproduktionen viel US-Lizenzware bei Joyn PLUS+ (Test), das für 6,99 Euro pro Monat buchbar ist.
Bei der Kölner RTL-Gruppe geht man mit TVNOW (Test) offenkundig einen ähnlichen Weg, wobei der Fokus hier noch stärker auf Eigenproduktionen liegt. Das Angebot liegt etwas günstiger und kann bereits für 4,99 Euro im Monat gebucht werden. Die Strategie wird hier schnell klar: Bei den US-Inhalten kann man nicht mehr mit Netflix, Disney und Amazon konkurrieren, also produziert man mehr eigene Inhalte im Free TV, während Fans von US-Inhalten auf die möglichst (eigenen) kostenpflichtigen Inhalte im Streaming ausweichen sollen. Auf den ersten Blick erscheint diese Strategie durchaus nachvollziehbar.
Zuschauerverlust könnte sich beschleunigen
Es stellt sich natürlich die Frage, ob Fans von US-Produktionen auch im Streaming den Angeboten von ProSiebenSat.1 und RTL treu bleiben. Wahrscheinlicher ist eher, dass die Zuschauer dann zu Netflix, Disney oder Amazon abwandern. Insbesondere der US-Versandriese hat hier leichtes Spiel, denn sein SVoD-Angebot "Prime Video" ist ohnehin in jeder Prime-Mitgliedschaft enthalten. Wer also regelmäßig bei Amazon bestellt, hat den Streaming-Dienst also wohl ohnehin bereits abonniert.
Das soll natürlich nicht bedeuten, dass die großen Privatsender falsch liegen, wenn sie zunehmend auf Eigenproduktionen setzen. Letztendlich geht es aber wie immer um Qualität der Inhalte. Wer gerne US-Blockbuster schaut, wird vermutlich nicht bei Shows mit Steven Gätjen oder Lena am Bildschirm hängen bleiben. Viel sinnvoller wäre es, in hochkarätige europäische Serien und Filme zu investieren. Für eine solche paneuropäische Content-Produktion hätte ProSiebenSat.1 mit seinem neuen italienischen Großaktionär Mediaset womöglich sogar den idealen Partner.