"Google-Institut" erforscht Internet und Gesellschaft
Jeanette Hofmann
Foto: HHIG
Vor einem Jahr wurde das Humboldt-Institut für Internet und Gesellschaft
in Berlin (HIIG)
gegründet. Hauptgeldgeber für die ersten drei Jahre
ist Google mit insgesamt 4,5 Millionen Euro. Das Institut wird deshalb
häufig als "Google-Institut" bezeichnet. Es geht künftig unter anderem der
Frage nach, welche Folgen die Digitalisierung der Gesellschaft auf die
Bundeshauptstadt hat. Die Politikwissenschaftlerin Jeanette Hofmann ist eine
der vier Gründungsdirektoren des HIIG. Sie äußerte sich in einem Interview
mit dapd-Korrespondent Michael Hörz über die Arbeit des Instituts.
Jeanette Hofmann
Foto: HHIG
Frau Hofmann, wo steht das Institut für Internet und Gesellschaft jetzt, ein Jahr nach der ersten Präsentation?
Hofmann: Wir sind am Übergang von Organisation und inhaltlicher Arbeit.
Jetzt beginnen wir zu forschen, Projekte konkret zu definieren und an diesen
zu arbeiten. In der ersten Jahreshälfte haben wir uns an vielen Konferenzen
beteiligt, unser Doktorandenprogramm konzipiert und den Kontakt zu anderen
Forschungseinrichtungen aufgebaut. Inzwischen ist auch klar, wo die
Schwerpunkte der einzelnen Bereiche liegen.
Was werden Ihre Kollegen denn konkret erforschen?
Hofmann: Thomas Schildhauer interessiert sich sehr dafür, wie das Internet
Innovationsprozesse verändert. Er wird zum Beispiel die Bereiche "Open
Science" und "Crowd Sourcing" untersuchen. Der Europarechtler Ingolf Pernice
wird sich vor allem den Datenschutz ansehen. Das Internet wirft die Fragen
auf, wie sich grenzübergreifender Datenschutz organisieren lässt und wie man
sich mit den dominierenden US-Unternehmen einigen kann, die von einem
schwachen Datenschutz profitieren.
Der Medienforscher Wolfgang Schulz wird die technischen, rechtlichen und kulturellen Regeln untersuchen, die die Kommunikation in sozialen Netzwerken wie Facebook prägen. Er wird außerdem zum Einzug der Algorithmen in den Journalismus arbeiten. Es ist denkbar, dass in Zukunft Programme Nachrichten zu Sportereignissen verfassen.
Wie sieht dabei Ihr eigener Bereich aus?
Hofmann: Ich untersuche die Regulierung des Internets, auch mit Schwerpunkt
auf dem Urheberrecht. Im aktuellen "Urheberrechtskrieg" in Deutschland
mangelt es deutlich an empirisch verlässlichem Material zur Anwendung des
Urheberrechts. Aus meiner Sicht benötigen wir Fallstudien, um zu sehen,
welche Bedeutung das Urheberrecht in Märkten für Kulturgüter hat und welche
anderen Regeln es daneben noch gibt. Ein weiterer Forschungsbereich, den ich
zusammen mit Thomas Schildhauer betreue, betrifft "Smart Cities" oder die
Digitalisierung der Städte. Wir wollen zunächst am Beispiel Berlins
untersuchen, wie das mobile Internet und neue Informationsdienste städtische
Räume verändern.
Haben Sie auch bereichsübergreifende Projekte?
Hofmann: Mit Wolfgang Schulz entwickele ich unsere eigene
Informationsplattform "Regulation Watch". Die Idee ist, einen
Informationsdienst für Wissenschaftler und Praktiker, darunter auch
Journalisten, zum Thema Regulierung des Internet zu schaffen. Neben
Informationen für Praktiker wollen wir auch neue Publikationsformate
erproben, etwa mehrseitige Essays. Wir hoffen, damit eine Art
Multi-Autoren-Plattform zu etablieren. Generell ist eines unserer
wichtigsten Ziele, für alle relevanten Bereiche des Internets eine
interdisziplinäre Kompetenz auszubilden, weil sich das Internet nur sinnvoll
erforschen lässt, wenn rechtliche, technische und sozialwissenschaftliche
Kompetenzen verknüpft werden.
Wie ist das Institut inzwischen organisiert?
Hofmann: Die ursprünglichen Gesellschafter, Universität der Künste,
Wissenschaftszentrum Berlin und Humboldt-Universität sind gleich geblieben.
Unser Kuratorium, in dem neben den Gesellschaftern Persönlichkeiten wie
Gesine Schwan sitzen, hat im Frühjahr zum ersten Mal getagt. Der
zwölfköpfige wissenschaftliche Beirat wird im September erstmals
zusammentreten.
Haben Sie inzwischen weitere Geldgeber neben Google?
Hofmann: Wir werden aller Voraussicht nach von weiteren Unternehmen
Drittmittel bekommen. Auch gibt es Interesse, Doktorandenstellen zu
finanzieren. Bis jemand mit vergleichbaren Summen wie Google einsteigt, wird
es sicher noch eine Weile dauern.
Wie steht es um Ihre wissenschaftliche Unabhängigkeit?
Hofmann: Wir haben uns in der Gründungsphase für zwei Organisationen
entschieden: Eine für die Finanzierung und eine für die Forschung. Das
Institut hat als Überbau das Kuratorium und den wissenschaftlichen Beirat,
die beide über die Qualität unserer Forschung wachen. Mit unserer
Gesellschafterkonstruktion haben wir Partner, die unsere Unabhängigkeit
sicherstellen. Diese strikte institutionelle Aufsicht soll verhindern, dass
wir auch nur in den Ruch kommen, abhängig zu sein. Praktisch haben wir mit
Google zurzeit nicht viel zu tun.
Wenn nicht praktisch, wie sonst?
Hofmann: Manchmal werden wir gefragt, ob wir auf einer Veranstaltung
auftreten könnten. Aber weder bekommen wir Hinweise von Google, worüber wir
forschen sollten, noch haben unsere Forscher Zugriff auf Daten von Google.
Wie werden Ihre Forschungsergebnisse letztlich veröffentlicht?
Hofmann: Ich bin eine Anhängerin von Open Access, also dem kostenlosen
Zugang zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Wir werden unsere Texte
unter Creative-Commons-Lizenzen stellen. In Einzelfällen wird es Ausnahmen
geben, doch Creative Commons wird der Standard.
Was steht in nächster Zeit an?
Hofmann: Wir beteiligen uns an der Zukunftsstudie des Münchner Kreises für
2012 zum Thema "Innovationsfelder der digitalen Welt. Bedürfnisse von
übermorgen". Anfang September beginnt unser Doktorandenprogramm mit
voraussichtlich fünf Doktoranden.
Und sonst?
Hofmann: Wir organisieren zusammen mit dem Bundesministerium des Inneren
eine große Datenschutzkonferenz und zusammen mit dem Auswärtigen Amt eine
Konferenz zum Thema Internet und Menschenrechte. Wir haben außerdem zusammen
mit dem Berkman-Center an der US-Universität Harvard ein internationales
Netzwerk von Internetforschungsinstituten gegründet, das im Dezember seine
erste Konferenz hat. Und mit dem Deutschlandradio werden wir regelmäßig das
Debattenformat "Diskurs@Deutschlandfunk" veranstalten.