Bundestag beschließt E-Rezept und E-Patientenakte für alle
Abholung und Einlösung eines E-Rezepts per Gesundheitskarte
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Elektronische Rezepte und digitale Patientenakten
sollen nach jahrelangen Verzögerungen in den breiten Alltagseinsatz
kommen. Das sieht ein Gesetz der Ampel-Koalition vor, das der
Bundestag heute beschlossen hat. Demnach sollen E-Rezepte
Anfang 2024 zum Standard und für die Praxen verpflichtend werden.
Anfang 2025 sollen alle gesetzlich Versicherten elektronische Akten
für Gesundheitsdaten wie Befunde und Laborwerte bekommen - es sei
denn, man lehnt es für sich ab. Ermöglicht werden soll künftig auch
die Nutzung kombinierter Gesundheitsdaten für die Forschung.
Minister Karl Lauterbach (SPD) sprach von einem Quantensprung, mit dem Deutschland nun endlich Anschluss an die Digitalisierung im Gesundheitswesen finden müsse. Bisher seien wichtige Daten verteilt auf die Server von Praxen und Krankenhäusern, wo Patienten in der Vergangenheit behandelt wurden. "Das darf nicht weiter so sein." Die Neuregelungen hätten einen ganz konkreten Nutzen für die Patienten. Für Ärztinnen und Ärzte würden die Behandlungsmöglichkeiten besser.
E-Akte für gesetzlich Versicherte bis Januar 2025
Abholung und Einlösung eines E-Rezepts per Gesundheitskarte
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Dem Gesetz zufolge sollen die Krankenkassen bis 15. Januar 2025 für
alle gesetzlich Versicherten eine E-Akte einrichten - es sei denn,
man widerspricht. Die Akte soll ein persönlicher Datenspeicher sein
und Patienten und Patientinnen ein Leben lang bei allen Ärzten
begleiten. Abrufbar sein soll die E-Akte mit bestimmten
Identifikationsregeln über Apps der Kassen. Als wählbares Angebot war
sie schon 2021 eingeführt worden, wird bisher aber kaum genutzt. Was Ärzte und Ärztinnen einstellen und wer
worauf zugreifen kann, soll man selbst festlegen können. Zuerst soll
eine Medikamenten-Übersicht nutzbar sein, folgen sollen unter anderem
Laborbefunde. Bei Kassenwechsel soll man die Daten mitnehmen können.
E-Rezepte sind schon seit einiger Zeit anstelle der gewohnten rosa Zettel in Apotheken einzulösen. Das Gesetz macht es nun vom 1. Januar 2024 an für Ärztinnen und Ärzte verpflichtend, Rezepte elektronisch auszustellen. Die E-Rezepte werden auf einem zentralen Server gespeichert und beim Einstecken der Kassenkarte wird die Apotheke autorisiert, sie von dort abzurufen. Künftig soll die E-Rezept-App auch in Kassen-Apps integriert werden.
Datenspende für Forschungszwecke
Ein zweites Gesetz soll ermöglichen, an einer zentralen Zugangstelle Daten verschiedener Quellen zu verknüpfen - etwa aus Krebsregistern und von Kassen. Dabei sollen Daten verschlüsselt (pseudonymisiert) werden. Lauterbach sagte, dies sei ein Durchbruch für die Forschung, um die Versorgung zu verbessern.
Für Daten, die in E-Patientenakten liegen, ist wieder ein Opt-out-Modell geplant: Sie sollen also zunächst eine Einstellung für "Datenspenden" zu Forschungszwecken bekommen, die man ablehnen kann.
Faxgeräte und Aktenordner werden abgeschafft
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen sprach von einem "längst überfälligen Update" für die Digitalisierung des Gesundheitswesens. "Aus der bisher unbrauchbaren elektronischen Patientenakte für wenige, machen wir zukünftig einen persönlichen Gesundheitsdatenraum für alle", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Damit könnten nicht nur alle behandelnden Berufe relevante Informationen an einem Ort sehen, sondern erstmals auch die Patientinnen und Patienten selbst. "Das schafft endlich Faxgeräte und Aktenordner ab und stärkt Patientenautonomie wie auch Patientenrechte."
Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, sagte, die E-Akte müsse bei jedem Arztbesuch selbstverständlich zur Behandlung dazu gehören. Wichtig sei, dass sie nutzerfreundlicher werde. So müsse das Einloggen vereinfacht werden. "Wie Patienten es von anderen Apps gewohnt sind, muss die Identifikation auch in der Akte per Gesichts-Scan oder Fingerabdruck möglich sein", sagte Baas. Für Ärztinnen und Ärzte müsse die Akte schnell und komfortabel zu befüllen sein und dürfe nicht zum Zeitfresser in den Praxen werden.
Telemedizin und Gesundheits-Apps
Ausgebaut werden sollen Angebote der Telemedizin wie zum Beispiel Videosprechstunden - das kann auch in ländlichen Regionen Lücken schließen. Dafür sollen Regelungen wegfallen, die den Praxen bisher nur für ein begrenztes Angebot eine Vergütung durch die Kassen sicherten. Ausgeweitet werden soll außerdem das Angebot bestimmter Gesundheits-Apps, die Patienten auf Rezept bekommen können.
Die praktische Umsetzung
Verbände des Gesundheitswesens begrüßten den Anschub für die E-Akten - wiesen aber auch auf Schwierigkeiten hin. Bis heute funktioniere die Technik so schlecht, dass es in der Regel mehrere Minuten dauere, bis die ePA überhaupt eingesehen werden könne, hieß es vom Hausärztinnen- und Hausärzteverband. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor Benachteiligungen Schwerstkranker und Pflegebedürftiger, etwa mit Blick auf ein jetziges Recht auf einen Medikationsplan auf Papier.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherungen nannte den Zeitplan mit einer Einführung Anfang 2025 zu straff. Die kurze Frist sei ein richtiges Signal an die Industrie, so schnell wie möglich gut ausgereifte Produkte an den Start zu bringen. Damit Versicherte genug Zeit für eine informierte Entscheidung hätten und die Kassen zum Vorbereiten, solle die ePA für alle lieber erst im Juli 2025 kommen.
Die Digitalisierung der Gesellschaft erfordert Sicherheit, wer wer ist. Dafür braucht es digitale Identitäten, und daran wird gearbeitet.