Steuerung

Musks Neuralink: Gehirn-Implantat in Menschen eingesetzt

Mit Gehirn­chips Robo­ter­arme oder andere Dinge steuern - das war einzelnen Pati­enten schon mehr­fach möglich. Mit viel Geld will Elon Musk ein solches System nun zur Markt­reife drücken. Doch ist sein Weg tatsäch­lich der viel­ver­spre­chendste?
Von dpa /

Das Neuralink-System zur Gedankensteuerung Das Neuralink-System zur Gedankensteuerung
Bild: Neuralink
Elon Musks Medi­zin­technik-Firma Neur­alink hat ihr Gehirn-Implantat zum ersten Mal einem Menschen einge­setzt. Der Patient erhole sich nach dem Eingriff am Sonntag gut, schrieb der Tech-Milli­ardär am Montag auf seiner Online-Platt­form X. Das Implantat von Neur­alink soll es ermög­lichen, durch Gedanken ein Smart­phone zu bedienen - und darüber auch andere Technik. Auch weitere Unter­nehmen und Forscher arbeiten an solchen Verfahren.

Das Neuralink-System zur Gedankensteuerung Das Neuralink-System zur Gedankensteuerung
Bild: Neuralink
Bisher fehlten noch sehr viele Infor­mationen zu dem Fall, sagte der Neuro­tech­nologe Rüdiger Rupp vom Univer­sitäts­kli­nikum Heidel­berg der Deut­schen Presse-Agentur (dpa). Unklar sei etwa, wie viele Drähte implan­tiert worden seien und ob der Versuch auf eine bestimmte Frist oder dauer­haft ausge­legt sei. Dass neuro­nale Akti­vität abge­leitet werden konnte, bedeute erst einmal wenig. "Das heißt noch keine Kontrolle eines Smart­phones", betonte Rupp. Dafür müsse die Akti­vität der Neuronen vom Nutzer aktiv durch Gedanken modu­liert werden können, zudem müsse ein neuro­naler Dekoder die neuro­nale Akti­vität stabil in Steu­erbe­fehle umwan­deln.

Probleme bis zur Markt­reife lösen

Die Technik an sich stelle keine Revo­lution dar, sagte der Neuro­infor­matiker Moritz Grosse-Wentrup von der Univer­sität Wien der dpa. Schon seit knapp zwei Jahr­zehnten würden von einzelnen Pati­enten Robo­ter­arme über Implan­tate gesteuert. "Die Tech­nologie ist im Prinzip schon da, aber mit Neur­alink ist es nun auch möglich, mit viel Geld und vielen Mitar­bei­tern die unzäh­ligen kleinen Probleme bis zur Markt­reife zu lösen."

Das Implantat habe mit 1024 vergleichs­weise viele Elek­troden, die mit Nerven­zellen im Gehirn verbunden werden, erklärte Grosse-Wentrup. Zudem ließen sich sehr ziel­genau bestimmte Bereiche und damit auch Funk­tionen ansteuern. Der große Nach­teil des Verfah­rens aus Sicht des Neuro­infor­mati­kers: "Man ist im Gehirn drin." Das berge immer das Risiko von Infek­tionen, zudem setze sich Hirn­gewebe wie jedes andere zur Wehr, etwa mit Abkap­selungs­reak­tionen. "Wie lange das System stabil bleiben kann, ist noch voll­kommen unklar." Bei ähnli­chen inva­siven Ansätzen habe sich gezeigt, dass die Zahl beob­acht­barer Neuronen mit der Zeit abnimmt.

Wirk­lich beur­teilen werde man Neur­alink darum erst in einigen Jahren können, sagte Grosse-Wentrup. Mit ersten Zulas­sungen sei gege­benen­falls erst in etwa einem Jahr­zehnt zu rechnen. Neur­alink hat mehrere Konkur­renten, die die Tech­nologie eben­falls kommer­ziell nutzen wollen. Die Firma Precision Neuro­sci­ence will ihr Implantat mit eben­falls 1024 Elek­troden auf einem Film über einen sehr feinen Schnitt im Schädel mini­mal­invasiv am Gehirn anbringen. Synchron will ein System mit 16 Elek­troden über Blut­gefäße in die Nähe der rich­tigen Gehirn­bereiche bringen.

Mögliche Pati­enten­gruppe noch sehr klein

Gegen­über anderen Firmen und Koope­rationen mit ähnli­chem Ziel habe Neur­alink dabei aber einen spezi­ellen Vorteil, so Grosse-Wentrup: "Alle anderen pumpen bei weitem nicht so viel Geld da rein." Nicht klar ist dem Experten dabei, wo sich Musk bei Markt­reife der Tech­nologie dann die Riesen­gewinne erhofft. Die Pati­enten­gruppe, die absehbar profi­tieren könne, sei nicht sehr groß. "Nur wenige Menschen haben so schwere Lähmungen." Für jeden Fall sei das Risiko des inva­siven Eingriffs ins Gehirn abzu­wägen. Zudem gebe es andere Möglich­keiten wie die Sprach­steue­rung von Compu­tern und Geräten.

So könnte Neuralink einmal funktionieren So könnte Neuralink einmal funktionieren
Bild: Neuralink
Prin­zipiell sei länger­fristig denkbar, über die Tech­nologie bestimmten Pati­enten das Gehen wieder zu ermög­lichen, ergänzte Grosse-Wentrup. Die Kosten und Heraus­for­derungen seien aber immens.

Mit großen Summen und unge­wissen Aussichten umzu­gehen, ist für Elon Musk aller­dings nichts Neues. Der 52-jährige Unter­nehmer und Milli­ardär peitschte den Elek­tro­auto­bauer Tesla und die Welt­raum­firma SpaceX zur welt­weiten Bedeu­tung. Die ganze Auto­branche wendete sich unter seinem Druck verstärkt Elek­tro­fahr­zeugen zu. Die USA kommen nicht ohne Raketen von SpaceX aus, künftig sollen mit dem SpaceX-Rake­ten­system "Star­ship" Menschen zu Mond und Mars fliegen. Auch die Abhän­gig­keiten von Musks Satel­liten­system Star­link wachsen. Seine Weichen­stel­lungen bei Twitter, das er 2022 kaufte und dann in X umbe­nannte, könnten den nächsten Wahl­kampf ums Weiße Haus beein­flussen.

Werden Brain-Computer-Inter­faces markt­reif?

Derzeit gebe es keinen entschei­denden Vorsprung von Neur­alink gegen­über anderen implan­tierten Lösungen, sagte Rupp. Die große Aufmerk­sam­keit sei aber womög­lich dennoch gerecht­fer­tigt, da Musk nun einmal bekannt dafür sei, dass er sehr ziel­strebig und ausdau­ernd Inno­vationen zur Markt­reife und zur prak­tischen Verwend­bar­keit führe. "Es wäre für das ganze BCI-Feld ein großer Gewinn, wenn Musk wie bei Tesla oder SpaceX auch bei Neur­alink ein Produkt auf den Markt bringen und mit seinen hohen verfüg­baren Geld­summen lange auf dem Markt halten würde", erklärte Rupp. BCI steht für Hirn-Computer-Schnitt­stellen (Brain-Computer-Inter­faces). Das Implantat von Neuralink Das Implantat von Neuralink
Bild: Neuralink
Das Unter­nehmen Neur­alink hatte Musk 2016 gegründet, um Möglich­keiten zur Vernet­zung des mensch­lichen Gehirns mit Maschinen unter­suchen zu lassen. Die Erlaubnis, das entwi­ckelte Implantat zu Forschungs­zwe­cken in einer klini­schen Studie Menschen einzu­setzen, bekam Neur­alink im Mai 2023. Davor war die Technik an Tieren getestet worden.

Die extrem feinen Elek­troden des Implan­tats werden bei einer Opera­tion mithilfe eines spezi­ellen Robo­ters direkt mit Hirn­gewebe verbunden. Externe Geräte sollen dann kabellos ange­steuert werden können. Für die klini­sche Studie hatte Neur­alink Pati­enten mit Tetra­plegie gesucht - einer Quer­schnitt­läh­mung, bei der Beine und Arme betroffen sind.

Zu Hirn-Computer-Schnitt­stellen forschen seit Jahren mehrere Einrich­tungen und Unter­nehmen. Sie basieren darauf, dass das Gehirn elek­tri­sche Felder erzeugt. Diese Felder können gemessen werden und stellen ein Abbild unserer Gedanken dar. Da bestimmte Gedanken mit charak­teris­tischen Mustern einher­gehen, kann man Computer lernen lassen, aus diesen Mustern Rück­schlüsse auf unsere Gedanken zu ziehen.

Gelingt das, könnten auf diese Weise zum Beispiel Gelähmte per Gedan­ken­steue­rung ein Exoske­lett steuern oder Menschen mit Locked-In-Syndrom mit ihrer Außen­welt kommu­nizieren. Für viel­ver­spre­chender als den Ansatz von Neur­alink hält Rupp dabei aktuell weniger hoch­inva­sive Elek­tro­den­sys­teme, bei denen die Hirn­akti­vität über ein Implantat unter­halb der Schä­del­decke, aber nicht tief im Gehirn abge­lesen wird.

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