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Gutachten fordert mehr Freiheiten für ARD und ZDF im Netz

Ein im Auftrag des ZDF erstelltes Gutachten fordert mehr Freiheiten für die Öffentlich-Rechtlichen im Netz. Eine zeitliche Beschränkung von Mediathek-Inhalten und ein Verbot neuer internetbasierter Angebote sei nicht mehr zeitgemäß.
Vom Change Media Tastung in Stuttgart berichtet:

Funk App Die Funk-App von ARD und ZDF
Bild: Funk.net
Was dürfen die öffentlich-recht­lichen Sender im Netz und wie weit geht der Grund­ver­sor­gungs­auf­trag? Ein neues Gut­achten dürfte in dieser um­strit­tenen Frage erneut für Wirbel sorgen. Erstellt wurde es von den Pro­fesso­ren Dörr, Holz­nagel und Picot und trägt den Titel "Legi­tima­tion und Auf­trag des öffent­lich-recht­lichen Rund­funks in Zei­ten der Cloud". Vor dem ZDF-Fernseh­rat erläu­terten die Wissen­schaft­ler in Mainz die zen­tralen Ergeb­nisse der Unter­suchung.

Fernsehen auf dem Weg zum "Cloud-TV"

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Bild: Funk.net
Die Studie geht von dem Befund aus, dass sich das Fern­sehen im Zuge der Digi­ta­lisie­rung derzeit substan­tiell verändert. Es befinde sich im Über­gang zum "Cloud-TV". Mit diesem Begriff bezeich­nen die Wissen­schaftler die vierte Gene­ration des Fern­sehens nach dem terres­trischen TV, dem Multi­kanal­fern­sehen über Kabel und Satel­lit sowie dem digi­talen Fern­sehen. "Cloud-TV" vereint in einem Angebot klassi­sches, lineares Fern­sehen, Video on Demand und andere Online­dienste bis hin zu Social-Media-Platt­formen sowie die Ver­breitung über unter­schied­liche Verteil-Medien auf eine Viel­zahl von End­geräten. Abge­rundet wird das Angebot durch Empfeh­lungs- und Perso­nali­sierungs­möglich­keiten auf Basis von BigData-Analysen. Es ist davon auszu­gehen, dass vor allem die großen ameri­kani­schen Internet­konzerne wie Amazon oder Apple auf diesem Markt eine bedeu­tende Rolle spielen werden.

Die Gut­achter legen dar, dass der in der Verfas­sung begründete Auftrag des öffent­lich-recht­lichen Rund­funks, zur Meinungs­bildung und Inte­gra­tion der Gesell­schaft bei­zu­tragen, unver­ändert fort­besteht. Mit Blick auf die Unüber­sichtlich­keit von Infor­matio­nen im Netz, der Meinungs­relevanz von linearen und non-linearen Bewegt­bild­ange­boten und den besonderen öko­nomischen Eigen­schaften, denen Fernsehen auch in Zeiten der Cloud unter­liegt, sei ein poli­tisch und wirtschaf­tlich unab­hängiger Rund­funk essen­tiell, so die Wissen­schaftler. Diese Funktion könne sowohl aus verfassungs­rechtlicher als auch aus öko­nomischer Sicht aktuell nur vom öffent­lich-recht­lichen Rund­funk wahr­genommen werden.

Netzbasierte Inhalte sollen ARD und ZDF generell erlaubt sein

An einigen Stellen müssten jedoch rund­funk­recht­liche Vorgaben dringend an die verän­derten Rahmen­bedin­gungen angepasst werden, um sicher­zu­stellen, dass ZDF und ARD ihre Auf­gaben auch in Zeiten des "Cloud-TV" weiter erfüllen können. Deshalb sollten Sendungen künftig länger als heute in der Media­thek ver­bleiben dürfen - bisher ist dies nur für maximal sieben Tage erlaubt. Außer­dem muss es möglich sein, spezielle Angebote extra für das Netz herzu­stellen - wie es ARD und ZDF seit dem 1. Oktober mit dem Jugendangebot funk tun, aller­dings mit Legiti­mation der Minister­präsidenten. Die Gut­achter plädieren dafür, mehr Möglich­keiten zum Austausch und zur Beteili­gung des Publikums an Diskus­sionen anzu­bieten.

Vielen dürfte der Inhalt des Gutachtens nicht schmecken. Etwa Produktions­firmen von Youtube-Videos oder Verleger: Erst in der vergan­genen Woche ist der Rechts­streit zwischen der ARD und elf Zeitungs­verlagen um die Tages­schau-App zugunsten der Verleger vorerst zu Ende gegangen. Nun fechten sie möglicher­weise die eben­falls text­basierten Apps RBB24, BR24 oder ARDText an.

"Die Gesell­schaft braucht unab­hängige Medien"

ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut wertet das Gut­achten dagegen als eine wichtige Grund­lage für die weitere Arbeit des Senders: "Das Fern­sehen, aber auch unsere Gesell­schaft verändern sich rasant. Das spüren wir jeden Tag. Die Gesell­schaft braucht unab­hängige Medien. Wir tragen Verant­wortung und haben den Anspruch, einen exzel­lenten, unab­hängigen Journa­lismus zu liefern", meint der ZDF-Inten­dant.

Die Vorsitzende des ZDF-Fernseh­rats, Marlehn Thieme, sieht in der Studie einen Beitrag zur medien­politi­schen Debatte über die Zukunft des Fern­sehens: "Das Gut­achten zeigt, dass der öffent­lich-recht­liche Rund­funk moderne und techno­logie­neutrale Rahmen­bedingun­gen benötigt, um seinen Programm­auftrag auch in der digitali­sierten Medien­welt erfüllen zu können“. Dabei gehe es nicht allein um die Finanz­aus­stattung, sondern „um die Möglich­keit hoch­wertige Inhalte im Interesse der Bürge­rinnen und Bürger so verbreiten zu können, dass sie von den Menschen auch gefunden werden."

Doch nicht nur moderner, auch Zuschauer-orientierter sollen die Online-Angebote der Öffentlich-Rechtlichen künftig werden. ARD-Programm­chef Volker Herres hatte bereits vor einiger Zeit eine Perso­nalisierung der ARD-Mediathek ange­kündigt.

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